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Alter Turm überdauert die Jahrhunderte

Alter Turm überdauert die Jahrhunderte

Grabungsleiterin Nicole Eichhorn hat noch einige Tage zu tun, um den archäologischen Befund zu sichern. Foto: Uwe Menschner

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Thomas Westphalen vom Landesamt für Archäologie zeigt auf einem alten Stich, wie sich der Turm in die Stadtbefestigung einfügte. Foto: Uwe Menschner

Bei Bauarbeiten an der Görlitzer Jägerkaserne wurden gut erhaltene Mauerreste entdeckt. Eine neue touristische Attraktion für Görlitz?

Görlitz. „Es ist nicht so einfach, in Görlitz einen Parkplatz zu bauen. “Es klingt wie ein Stoßseufzer, den der Görlitzer Baubürgermeister Michael Wieler (parteilos) ausstößt, denn: Die ursprünglichen Planungen für einen Großparkplatz an der neuen Schenkendorff-Sporthalle, die unmittelbar neben der Jägerkaserne entsteht, lassen sich nicht mehr realisieren.

Der Grund dafür steht mehrere Meter tief im Erdreich: Ein historischer Stadtturm, der bei den Grabungsarbeiten entdeckt wurde. „Dass sich hier etwas befindet, damit haben wir gerechnet. Schließlich zog sich die mittelalterliche Görlitzer Stadtbefestigung mit ihren Mauern, Türmen und Toren hier, zwischen der Innen- und der Nikolaivorstand, entlang“, erklärt Abteilungsleiter Thomas Westphalen vom Landesamt für Archäologie. Allerdings war unklar, ob der an dieser Stelle lokalisierte Turm – das „Rondell am Jüdenring“ – beim Abbruch der Stadtbefestigungen nach 1840, ebenso wie der benachbarte Pulverturm – abgetragen wurde. „Bei der Freilegung zeigte sich nun, dass er nahezu vollständig als eindrucksvolle Ruine und Zeugnis der Görlitzer Geschichte erhalten geblieben ist“, so der Abteilungsleiter.

So erfreulich diese Entdeckung aus denkmalpflegerischer Sicht aus ist, so hat sie doch Folgen: „Gegenwärtig legen wir die Mauerreste frei, um ihre kompletten Ausmaße dokumentieren zu können“, erklärte Grabunsgsleiterin Nicole Eichhorn kürzlich. Mit diesen mittlerweile abgeschlossenen Arbeiten waren vier Mitarbeiter des Landesamtes beschäftigt.

Anschließend wurde der untersuchte Bereich mit Frostschutzmaterial und einem Sicherungsgewebe zur Überwinterung abgedeckt und das Gelände abgesperrt.

Aus Sicht des Görlitzer Baubürgermeisters ist klar, „dass wir den Parkplatz, so wie wir es ursprünglich vorhatten, nicht mehr bauen können.“ Schließlich habe das Rondell eine große kulturhistorische Bedeutung und könne als touristische Attraktion erschlossen werden, wobei „eine unmittelbare Nutzung noch nicht erkennbar ist“, wie Michael Wieler betont. Die zuständigen Ämter der Stadtverwaltung werden einen entsprechenden Vorschlag für den Stadtrat erarbeiten, der dann „das letzte Wort hat.“

Wobei dies nur eingeschränkt gilt, wie Thomas von Westphalen klar macht. „Aus Sicht des Denkmalschutzes muss der Turm erhalten bleiben.“ Schließlich bildete das Rondell am Jüdenring eine Besonderheit innerhalb des doppelten Görlitzer Mauerrings, dem es vorgelagert war und somit quasi als erste Bastion gegen feindliche Angriffe diente. So beispielsweise, als kaiserlich-kursächsische Truppen 1641 die von den Schweden besetzte Stadt belagerten. Das Mauerwerk, das auf der der Innenstadt zugewandten Seite circa 1,60 Meter stark ist, verbreitert sich auf der „Feindseite“ – also in Richtung Norden – auf bis zu 3,40 Meter und weist hier auch mehrere Schießscharten auf. Errichtet wurde das Rondell gegen Ende des 15. Jahrhunderts, als sich Görlitz – wie fast alle Städte in jener Zeit – eine aufwändige Stadtbefestigung mit doppeltem Mauerring, Toren, Tortürmen und reinen Verteidigungstürmen wie dem Rondell am Jüdenring „leistete“. Auf späteren historischen Darstellungen, so bei Merian (1680), ist der Turm deutlich als der Mauer vorgelagertes, einzeln stehendes Bauwerk zu erkennen.
Warum das Rondell beim Schliff der Stadtmauer nicht zerstört wurde, bleibt noch ein Rätsel. „Wir hoffen, im Ratsarchiv eine Antwort auf diese Frage zu finden“, betont Bürgermeister Michael Wieler.

Das weitgehend intakte Mauerwerk wurde unter einer etwa vier Meter hohen Erdschicht begraben, vielleicht auch, um späteren Generationen die endgültige Entscheidung über das Schicksal zu überlassen. Und nun, fast 180 Jahre später, ist der Tag dieser Entscheidung herangerückt. Das Baugeschehen an der Schenkendorff-Turnhalle jedenfalls behindert das freigelegte Mauerwerk nicht, das nach der kompletten Sicherung erst einmal wieder bedeckt und somit geschützt werden soll.

Uwe Menschner / 29.11.2017

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