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Ein herber Schlag für den Industriestandort Cunewalde

Ein herber Schlag für den Industriestandort Cunewalde

Zuletzt hatte P.C.S. in den Ausbau des Produktionsstandorts investiert, um einen avisierten Großauftrag eines Automobilkonzerns annehmen zu können.

Cunewalde. Aus, vorbei. Zum Ende dieses Monats gehen bei der Precision Works Germany (PCS) GmbH in Cunewalde die Lichter aus. „Ich kann und will meine Enttäuschung darüber nicht verbergen“, sagt Bürgermeister Thomas Martolock (CDU). Denn einerseits ist es für ihn nach fast 30-jähriger Amtszeit (von 1994 bis 1999 in Weigsdorf-Köblitz, seit der Eingemeindung in Cunewalde) eine neue, bittere Erfahrung: „Bisher ging es bei uns wirtschaftlich immer bergauf.“ Erzielten die im verarbeitenden Gewerbe tätigen Unternehmen der Gemeinde 2010 noch mit 323 Beschäftigten einen Umsatz von knapp 28 Millionen Euro, so waren es 2020 mit 724 Beschäftigten mehr als 85 Millionen Euro. 2022 war die Beschäftigtenzahl noch weiter leicht angestiegen (auf 739), aber der Gesamtumsatz bereits auf knapp 71 Millionen Euro gesunken. In der Statistik des Jahres 2023 wird die Zahl der Beschäftigen um etwa 150 niedriger sein, denn so viele Arbeitnehmer waren zuletzt bei PCS beschäftigt.

Doch noch etwas anderes treibt den Cunewalder Bürgermeister um: „Ich habe nicht den Eindruck, dass das Krisenmanagement optimal läuft.“ Das bezieht sich einerseits auf die Insolvenzverwaltung: „Dort steht das Bestreben im Vordergrund, das Vermögen möglichst Gewinn bringend zu veräußern. Die Verantwortung für die Beschäftigten ist dagegen nachrangig.“ 

Doch auch beim Landkreis Bautzen sieht Thomas Martolock schwer wiegende Defizite: „Es gibt keine funktionierende Struktur der Wirtschaftsförderung mehr.“ Die Marketinggesellschaft Oberlausitz, ursprünglich auch dafür gegründet, beschäftige sich nur noch mit dem Tourismus. Und die Stelle des Amtsleiters für Wirtschaftsförderung im Landratsamt sei bereits seit über einem Jahr unbesetzt. Martolock verweist auf den Landkreis Görlitz, wo mit der ENO eine ganze Gesellschaft für diesen Zweck existiert. Kurz und knapp: „Es ist eine Zäsur für den Wirtschaftsstandort Cunewalde.“
PCS hatte Anfang April 2023 beim Amtsgericht Dresden den Insolvenzantrag gestellt. Damals hieß es noch: „Alle Aufträge werden nach wie vor pünktlich und in gewohnter Qualität bearbeitet.“ In enger Absprache mit der Geschäftsführung, Kunden und Gläubigern sollten die wirtschaftliche Situation und die Sanierungsmöglichkeiten analysiert werden, „mit dem Ziel, das Unternehmen und die Arbeitsplätze zu erhalten.“ 

PCS bearbeitete Motoren- und Getriebeteile für namhafte Unternehmen der Automobilindustrie. „Neben der Transformation zur Elektromobilität hatten Umsatzrückgänge infolge der Corona-Pandemie die Ergebnisse des Unternehmens belastet. Hinzu kamen in den letzten zwei Jahren Probleme in der Lieferkette und die steigenden Energiepreise. 

Zuletzt hatte P.C.S. in den Ausbau des Produktionsstandorts investiert, um einen avisierten Großauftrag eines Automobilkonzerns annehmen zu können. Nachdem dieser Auftrag jedoch unerwartet zurückgezogen wurde, musste das Unternehmen Insolvenzantrag stellen“, hatte die Insolvenzverwaltung zu den Gründen der Schieflage erklärt.
„PCS führte die Cunewalder Industrietradition fort, die sehr stark auf der Herstellung von Kleindieselmotoren beruhte“, erklärt Bürgermeister Thomas Martolock. 1994 hatte das nordrhein-westfälische Familienunternehmen Küpper Teile des früheren Motorenwerkes übernommen und wurde 2014 an die AMTEK-Gruppe veräußert. Nachdem diese bereits 2017 Insolvenz angemeldet hatte, konnte das Cunewalder Werk an die thailändische PCS-Gruppe veräußert werden. Thomas Martolock will alles daran setzen, dass die 80-jährige Motorenbautradition in Cunewalde am Leben bleibt. „Auch in Zeiten, in denen dem Verbrennungsmotor politischer Gegenwind entgegen weht, könnte das Knowhow für andere Branchen ein Faustpfand sein, beispielsweise für den Katastrophenschutz, aber auch für die Rüstungsindustrie.“ 

Und keinesfalls dürfe vergessen werden, dass es mit der benachbarten MFT Motoren und Fahrzeugtechnik GmbH noch ein weiteres, wirtschaftlich stabiles Unternehmen der Automobil-Zulieferbranche in Cunewalde gibt: „Für mich ist es eine sehr erfreuliche Nachricht, dass MFT einen Teil der Lehrlinge von PCS übernimmt und somit für den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs sorgt.“

Ein Fehler in der Überschrift wurde korrigiert.

Uwe Menschner / 10.09.2023

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Kommentare zum Artikel "Ein herber Schlag für den Industriestandort Cunewalde"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Helme schrieb am

    "Herber" ist hier ein Adjektiv und wird klein geschrieben.

    Kommentar der Redaktion:

    Natürlich haben Sie recht. Wir werden den Fehler korrigieren.

  2. Horst schrieb am

    Lässt euch nur nicht noch die ganze Technik aus dem Betrieb nehmen und die Unterlagen für die Herstellung, die wollen doch in den billiglohnland wechseln lassen

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