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„Ein Seepferdchen macht noch keinen sicheren Schwimmer aus“

„Ein Seepferdchen macht noch keinen sicheren Schwimmer aus“

Die Ehrenamtlichen der Bautzener Wasserwacht haben stets einen aufmerksamen Blick auf Gewässer in ihrem Einzugsbereich. Pressefoto

Sommerzeit ist Badezeit. Auch 2021 gibt es erste Berichte, wonach Menschen von einem Badeausflug nicht lebend zurückgekehrt sind. Doch woran liegt das, dass selbst geübte Schwimmer mitunter dieses Schicksal ereilt. Andreas Hentschel von der Wasserwacht Bautzen ist nicht nur Jugendwart. Er bildet darüber hinaus angehende Rettungsschwimmer aus. Im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier analysiert er mögliche Gefahrenquellen und gibt Tipps, wie man unbeschadet den Sprung ins kühle Nass absolviert.

Herr Hentschel, von welchen Gewässern würden Sie am besten die Finger lassen? 

Andreas Hentschel: Nicht nur ich empfehle immer wieder, lediglich an ausgewiesenen und bewachten Badestellen ins Wasser zu gehen. Insbesondere Steinbrüche und Fließgewässer, die ein beliebtes Ziel für viele leichtsinnige Badegäste sind, bergen oft Gefahren und sind daher unbedingt zu meiden. Vor dem Baden sollte sich einjeder über die Besonderheiten des besuchten Gewässers informieren. Das gilt auch im Urlaub. 

Wo lauern Gefahren und welche wären das?

Andreas Hentschel: Viele Unfälle lassen sich auf Leichtsinnigkeit zurückführen. Auch geübte Schwimmer können auf längeren Schwimmdistanzen einen Krampf oder einen Schwächeanfall erleiden. Mitunter überschätzen sie ihre eigenen schwimmerischen Fähigkeiten. Besonders an heißen Tagen sind Kreislaufprobleme bei älteren Menschen zu beobachten, die sich in den Mittagsstunden der direkten Sonneneinstrahlung aussetzen und zu wenig trinken. Von einem Sprung ins kalte Wasser ohne vorherige Abkühlung ist trotz warmer Luft- und Wassertemperaturen abzuraten, da die plötzliche Temperaturänderung im ungünstigen Fall von dem aufgeheizten Körper nicht richtig verarbeitet wird. So kann ein Herzinfarkt daraus resultieren. In den vergangenen Jahren gab es außerdem viele Unfälle durch Sprünge in Steinbrüche. Es wird oft nicht beachtet, dass sich unmittelbar unter der Wasseroberfläche Steine oder Felsvorsprünge befinden, die beim Auftreffen zu tödlichen Verletzungen führen. In Fließgewässern besteht die Gefahr, dass die Schwimmer in starke Strömungen geraten, aus denen sie sich nicht selber befreien können. Ein weiteres Problem, das auch in einigen sächsischen Gewässern vor allem im Spätsommer auftritt, sind die Cyanobakterien, die im Volksmund auch als Blaualgen bezeichnet werden. Sie sind in der Lage, starke allergische Reaktionen wie Haut- und Schleimhautreizungen sowie Durchfall und Fieber hervorzurufen. Nicht zu unterschätzen sind außerdem Schlingpflanzen, in denen die Gefahr besteht, sich zu verheddern. Kritisch gesehen werden neuerdings die immer mehr in Mode kommenden Stand-Up-Paddle, mit denen sich die Badegäste im Badebereich aufhalten, in dem auch kleine Kinder herumtollen.

Wie können Badegäste in einem Notfall schnell helfen?

Andreas Hentschel: Der Grundsatz für jede Hilfeleistung ist: Ruhe bewahren. Unabhängig davon, ob eine Hilfeleistung an Land oder im Wasser benötigt wird, ist zunächst der Notruf 112 abzusetzen. Idealerweise sind die Rettungsschwimmer vor Ort zu informieren, die weitere Hilfsmaßnahmen einleiten. Bei jeder Rettung muss der Hilfeleistende beachten, dass er sich nicht selbst unverhältnismäßigen Gefahren aussetzt. Besonders ertrinkende Personen können aufgrund ihrer Panik enorme Kräfte aufbringen, sodass sich der Retter bei einer Umklammerung unter Umständen nicht befreien kann. Es sollte daher versucht werden, der betroffenen Person schwimmfähige Gegenstände zuzureichen, an der sie sich festhalten kann. Oder um es so zu formulieren: Einem Ertrinkenden darf sich niemals ohne Rettungsmittel oder anderen schwimmfähigen Gegenständen angenähert werden. Für alle Unfälle am Strand sind die standardmäßigen Erste-Hilfe-Maßnahmen anzuwenden. 

Wie viele Einsätze hatte die Wasserwacht Bautzen in diesem Jahr bereits zu bestreiten, an welchen Gewässern und mit welchem Ausgang?

Andreas Hentschel: In diesem Jahr musste die Wasserwacht Bautzen bisher nur kleinere Erste-Hilfe-Leistungen durchführen. Allerdings gibt es bereits einen Badetoten zu beklagen, der vermutlich aus medizinischen Gründen am Strand des Olbasees – und zwar außerhalb der Wachdienstzeiten – verstorben ist. Die Rettungswache am Olbasee wird an den Wochenenden von Anfang bis Ende Mai durch ehrenamtliche Einsatzkräfte besetzt, die sich neben Arbeit, Studium oder Schule bei der Wasserwacht engagieren. Und hier noch ein paar Zahlen zum Vergleich. Im Jahr 2020 sind in Sachsen 13 Menschen durch Ertrinken ums Leben gekommen. 2019 gab es 19 Tote zu beklagen. 

Weshalb passieren eigentlich immer wieder Badeunfälle und wie lässt sich da gegensteuern?

Andreas Hentschel: Badeunfälle haben, anders als Ertrinkungsunfälle, einen medizinischen Hintergrund. Die betroffenen Personen erleiden zum Beispiel im Wasser einen Herzinfarkt und gehen meist unbemerkt unter. Die Gefahr eines Badeunfalls wird gegebenenfalls durch das kalte Wasser erhöht, lässt sich jedoch in den meisten Fällen nicht vermeiden. Anders verhält es sich bei Ertrinkungsunfällen. Durch Vorsicht, gegenseitige Rücksichtnahme und einer realistischen Einschätzung der eigenen sportlichen Kondition lassen sich die meisten Unfälle vermeiden. Es wird daher empfohlen, auf längeren Schwimmstrecken eine Schwimmboje mitzuführen. Kinder sollten zeitig – und zwar im Alter von fünf bis sieben Jahren – zum Schwimmunterricht angemeldet werden. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Seepferdchenkurs noch nicht zum sicheren Schwimmen, sondern zum Erlangen der schwimmerischen Grundfertigkeiten führt. 

Wie hat sich im Einzugsbereich der Wasserwacht Bautzen die Zahl der ausgebildeten Retter in den zurückliegenden Jahren entwickelt und welche Rolle spielte dabei die Corona-Pandemie?

Andreas Hentschel: Die Wasserwacht Bautzen bildet jedes Jahr circa 20 bis 25 neue Rettungsschwimmer aus. Dabei ist in den letzten Jahren die Zahl der Mitglieder leicht gestiegen. Trotz der Corona-Pandemie ließ sich die Ausbildung mit verminderter Teilnehmerzahl fortführen. Während der Schwimmhallenschließungen wurde zum Beispiel der Theorieunterricht online absolviert. Außerdem gab es für die aktiven Rettungsschwimmer und -anwärter ein wöchentliches virtuelles Training, um die körperliche Fitness aufrechtzuerhalten. 

Wie kann man selbst ein Retter werden? 

Andreas Hentschel: Der Rettungsschwimmerkurs bei der Wasserwacht Bautzen beginnt jedes Jahr im September. Ansprechpartner für Anmeldungen ist Dirk Rätze. Er ist unter der Telefonnummer (0172) 34 772 77 beziehungsweise per E-Mail unter ww-bautzen@online.de erreichbar. 

Und welche Ausbildung ist in dem Fall in Ihren Reihen zu durchlaufen?

Andreas Hentschel: Um aktiven Dienst an den Stränden leisten zu können, ist ein gültiges Rettungsschwimmabzeichen Silber und ein Erste-Hilfe-Nachweis notwendig. Beides hat eine Gültigkeitsdauer von maximal zwei Jahren. Darüber hinaus haben einige Mitglieder zusätzliche Weiterbildungen zum Bootsführer, Sanitäter oder Fließwasserretter absolviert, um eine bestmögliche Versorgung der Badegäste zu gewährleisten. 

Welcher Einsatz ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Andreas Hentschel: Ein besonders prägendes Ereignis war ein Einsatz an der Ostsee, bei dem ein junger Wettkampfsportler mit einer starken Unterkühlung aus dem Wasser gerettet wurde. Dieses Ereignis hat gezeigt, dass das Schwimmen in freien Gewässern auch für geübte Schwimmer sehr gefährlich sein kann. 

Wie lässt sich das Engagement der Wasserwacht unterstützen?

Andreas Hentschel: Die ehrenamtliche Arbeit der Wasserwacht Bautzen wird zu einem großen Teil aus Spenden finanziert. Daher ist jede finanzielle Unterstützung willkommen. Wir haben dafür folgendes Konto bereitgestellt: Kreissparkasse Bautzen, IBAN DE51 8555 0000 1002 0193 93, BIC: SOLADES1BAT.

Roland Kaiser / 29.06.2021

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