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Ein Tierpark fährt runter

Ein Tierpark fährt runter

Minischweinchen Mia wird von Tierpfleger Michel Frömmel mit Streicheleinheiten verwöhnt – auch wenn er alle Hände voll zu tun hat. Foto: Tierpark Bischofswerda

Bischofswerda. Den Papageien fehlt das Gespräch mit den Besuchern und die Zwergziegen und Minischweinchen sind traurig. Sie warten in diesen Tagen vergeblich auf ihre Streicheleinheiten und Bürstenmassagen. Auch der Futterautomat bleibt leer. Dagegen kommt den Braun- und Waschbären die neuerliche Ruhe offenbar sehr entgegen. Ihr Gehege ist bereits grundhaft gereinigt worden, sie können sich voll und ganz auf ihren Winterschlaf vorbereiten. Deshalb wollen sie nun nicht mehr gestört werden. Letztendlich sind auch keine Schaulustigen vor Ort, die dem in irgendeiner Weise entgegenstünden. Der coronabedingte Lockdown hat auch im Tierpark Bischofswerda seine Wirkung voll entfaltet.

„Depressionen haben die Tiere deswegen aber nicht entwickelt“, sagt die Leiterin der Einrichtung, Silvia Berger, mit einem Schmunzeln. „Soweit lassen wir es nicht kommen.“ Immerhin gäbe es da ja noch ihr Team, das sich Tag für Tag fürsorglich um die Tierparkbewohner kümmere. „Dazu gehört nicht nur die Reinigung und Fütterung“, erklärt sie. „Die Mitarbeiter beschäftigen sich auch mit ihren Schützlingen. Um diese bei guter Laune zu halten, hat jeder der Pfleger seine ganz eigene Methoden.“ Die Nagetiere beispielsweise dürfen sich auf Knabberstangen aus verschiedenen Sämereien freuen. Mit frischen Zweigen werden die Papageien beglückt.

Wenn Silvia Berger raus in die Stille lauscht, stellt sie mit Erschrecken fest, was ihr besonders fehlt – das Lachen der Kinder. „Das ist ein Zustand, an den man sich nicht gewöhnen kann und auch nicht will“, betont sie. Zudem bleiben Einnahmen aus. Das sei nicht unbedingt motivierend. „Der Lockdown hat von einem Tag auf den anderen alles stillgelegt. Die Ausgaben für die Versorgung der Tiere und Mitarbeiter lassen sich aber nicht einfach so einstellen. Die Zahlungen gehen weiter.“ Das sei ein bedrohlicher Zustand, der auf Dauer nicht zu verkraften sei.

Doch zum Glück steht auch der Schiebocker Tierpark nicht völlig ohne Unterstützer da. „An unserer Seite ist ein starker Verein, die Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung. Auch auf den Tierparkförderverein und vier zusätzliche ehrenamtliche Helfer können wir zählen, wenn es personelle Schwierigkeiten gibt. Sie greifen uns vor allem an den Wochenenden und Feiertagen in der Tierpflege und bei Transportarbeiten unter die Arme, die fast täglich anfallen. Bisher haben uns circa 36.000 Euro an Spenden erreicht, was uns wiederum sehr dabei hilft, einen Teil der Ausgaben zu kompensieren.“ Silvia Berger zeigt sich angetan davon, welche weiteren Unterstützungsangebote an sie und ihre Mannschaft herangetragen werden. „Eine Familie möchte in diesem Jahr auf das Silvesterfeuerwerk verzichten und stattdessen einen großen Heuballen beim Bauern kaufen, der dem Tierpark zugutekommen soll.“ Heu werde immer für die Tiere gebraucht.

„Eine schöne Idee“, findet die Tierparkleiterin. Aber auch der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Bischofswerda und des Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien sei es zu verdanken, dass die Einrichtung an der Sinzstraße in dieser schweren Zeit überleben kann. „Ein herzliches Dankeschön an alle Helfer und Unterstützer, die an den Tierpark gedacht haben.“ Daraus schöpfen Silvia Berger und all die anderen die Kraft, die sie auch brauchen, um die kommenden Wochen und Monate irgendwie zu meistern. Gern denken sie in dem Zusammenhang an die Jahre vor der Virus-Pandemie zurück. 2019 beispielsweise kamen mehr als 80.000 Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche zu Besuch in den Tierpark und ließen es dementsprechend in der Kasse klingeln. Im Gegenzug wurden 2020 lediglich um die 68.000 Besucher gezählt. Das mache sich schon bemerkbar, heißt es vor Ort.

Wenn nun Weihnachten in riesigen Schritten naht, ist dem Tierparkpersonal nach Feiern recht wenig zumute. Die Tierparkbewohner sollen deshalb jedoch auf Geschenke nicht verzichten müssen. „Die Päckchen sind ein Teil der Beschäftigung, die die Zootiere dringend brauchen“, legt Silvia Berger dar. „Alles ist für die tierische Bescherung bereits vorbereitet. Als Dank sorgen unsere Schützlinge dafür, dass es oftmals schöne Momente gibt, an denen wiederum wir uns erfreuen können.“ Gleichzeitig keimt die Hoffnung mit auf, dass sich die Deutsche Tierparkgesellschaft mit ihrem Argument in Politikkreisen durchsetzen kann. Ein Zoobesuch sei nicht anders zu werten, als ein Spaziergang an der frischen Luft, betonte diese jüngst. „Wir teilen diese Meinung ausdrücklich“, sagt die Tierparkleiterin und fügt hinzu: „Für 2021 wünschen wir uns, dass sich die Lage entspannt und wieder etwas Normalität einzieht.“

Roland Kaiser / 05.12.2020

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