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Frischzellenkur für den Christus-Comic

Frischzellenkur für den Christus-Comic

Der Vorher-Nachher-Effekt ist deutlich zu sehen: Katharina Bodenbach ist an den Restaurierungsarbeiten in der Kamenzer Justkirche beteiligt.

Die unscheinbare Justkirche birgt einen überraschenden Schatz. Der ist arg in die Jahre gekommen und wird jetzt gründlich aufpoliert.

Kamenz. Kamenz ist weithin für seine sakralen Kunstschätze bekannt. Wenn davon die Rede ist, geht es zumeist um die reichhaltige Ausstattung der Hauptkirche St. Marien oder um die sechs Schnitzaltäre der Klosterkirche. Bald schon könnte ein neues, nicht weniger bedeutendes Besuchsziel hinzukommen: Die Justkirche an der Königsbrücker Straße, unmittelbar am Fuße des Hutberges gelegen.

„Bisher hat sie im Schatten unserer weithin berühmten anderen Kirchen gestanden. Zu Unrecht“, meint der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Kamenz, Michael Gärtner. Denn in ihrem Inneren birgt die unscheinbare, kleine Kirche einen überraschenden Schatz: „Wände und Gewölbe des Chorraums tragen eine zwischen 1400 und 1420 entstandene Ausmalung mit biblischen Szenen“, wie der Pfarrer erklärt. Heute sind die Farben verblasst, die Konturen teilweise nur noch zu erahnen. Doch damals, vor 600 Jahren, als vor allem Pilger auf dem Jakobsweg durch die unscheinbare Pforte traten, muss die über und über bemalte Wand einen gewaltigen Eindruck auf sie ausgeübt haben.

Silke Kaufmann, die Leiterin des Kamenzer Lessing-Museums, ist nicht für Übertreibungen bekannt. Nach ihrer Einschätzung gehören die Malereien in der Justkirche „zu den wertvollsten Belegen mittelalterlicher Kunst in Sachsen, wenn nicht gar in Deutschland.“ Seltenheitswert verleihen ihnen demnach „die Geschlossenheit, in der sie erhalten blieben und ihr historischer Hintergrund.“ Silke Kaufmann ordnet die Wandmalereien in der Justkirche „der böhmischen Malerei um 1400, als die dortige Kunst in höchster Blüte stand“, zu. Sie dokumentieren „die enge Verbundenheit zwischen der Oberlausitz und Böhmen.“ Silke Kaufmann vergleicht die Bemalung des Chorraums mit einem „Comic“, der „als chronologische Bilderfolge eine Geschichte erzählt.“ In diesem Fall handelt es sich – angesichts des Ortes wenig überraschend – um das Leben der Heiligen Jungfrau Maria und um die Passion Christi.

Alternativer Text Infobild

Nicht wirklich eine schwarze Maria: Das Gewand ist erst im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelt.

Beide sind als in sich abgeschlossene Zyklen an der Nord- sowie der Südwand dargestellt. Die Gewölbefelder zieren Engelsfiguren.
So gewaltig diese Bildergeschichte einst erschienen sein mag, so traurig präsentierte sie sich noch vor kurzem. „Im 17. Jahrhundert überputzte man die Malereien, wohl, weil sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen“, berichtet Martin Kühne. Er führt den Vorsitz im Kamenzer Kirchbauverein, der sich stark für den Erhalt und die Restaurierung der Wandmalereien engagiert. Erst 1935 kamen diese im Zuge einer Sanierungskampagne wieder ans Tageslicht. Die damaligen Akteure meinten es in ihrem Elan wohl zu gut: „Ihre Aktivitäten haben deutliche Hackspuren auf den Gemälden hinterlassen“, wie Uwe Rähmer berichtet. Doch dies ist nicht das einzige Ärgernis, mit dem er und seine Kolleg(inn)en sich herumschlagen müssen: „Die Justkirche leidet stark unter aufsteigendem Grundwasser, das auch die unteren bemalten Bereiche erreicht. Alle Flächen sind stark verschmutzt, das Putzgefüge ist gelockert. Im Mauerwerk haben sich umfangreiche Risse gebildet, Salz und Staub führen zu großflächigen weißlichen Verfärbungen“, so der Befund des Restaurators.

Eile ist geboten, wenn man das einmalige Kunstwerk für die Nachwelt erhalten will.

Umso mehr freuen sich Pfarrer, Restaurator und Vereinsvorsitzender, dass – nach bereits erfolgten Notsicherungen – nunmehr eine groß angelegte Sanierung erfolgen kann. „Dank großzügiger Unterstützung durch Projektpartner und Förderer können neben den Malereien auch der Chordachstuhl instand gesetzt sowie die Risse in Wänden und Gewölben beseitigt werden“, so Pfarrer Michael Gärtner.

Die Gesamtkosten für das Vorhaben beziffert er auf 345 000 Euro, der Abschluss ist für das Frühjahr 2018 vorgesehen. Danach soll die Justkirche nicht etwa wieder in der Abgeschiedenheit versinken, sondern den Besuchern der Lessingstadt als weitere Sehenswürdigkeit präsentiert werden. Dabei behält sie ihre Funktion als Friedhofskapelle und Ort für Gottesdienste zu besonderen Anlässen.

Uwe Menschner / 06.06.2017

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