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Grund zum Feiern bei Eule Orgelbau

Grund zum Feiern bei Eule Orgelbau

Mitarbeiter Sangook No prüft mit einem Messgerät sorgfältig die Intonation der fertiggestellten Orgelpfeifen.

Alternativer Text Infobild

Orgelbau ist Handarbeit – hier demonstriert von Intonateur André Gude.

Das Bautzener Traditionsunternehmen begeht in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag. Anne-Christin Eule führt es erfolgreich in der vierten Generation. Eine Sache allerdings schmerzt die Chefin. 

Bautzen. In der Bautzener Südvorstadt, auf der Wilthener Straße, steht eine unauffällige Villa. So, wie es in der Stadt hunderte gibt. Wer es nicht weiß, würde kaum ahnen, dass in ihr und dem lang gestreckten Hinterhaus eines der traditionsreichsten Unternehmen der Oberlausitz seinen Sitz hat: Die Hermann Eule Orgelbau GmbH.
Vor fast genau 150 Jahren, am 26. Januar 1872, meldete Hermann Eule in Bautzen sein Gewerbe an. Er hatte den Beruf des Orgelbauers in einer anderen Bautzener Werkstatt – bei Leopold Kohl – erlernt und ging danach auf Wanderschaft. Diese führte ihn unter anderem nach Halberstadt und Würzburg, wo er die damals modernsten Formen des Orgelbaus kennen lernte. Mit diesem Rüstzeug ausgestattet, kam Hermann Eule zurück in seine Heimatstadt, um einen bis heute weit über Bautzen hinaus bekannten Begriff zu prägen: Die Eule-Orgel. 
„700 Eule-Orgeln gibt es heute weltweit“, sagt Anne-Christin Eule. Sie ist die Ur-Ur-Enkelin des Gründervaters und führt das Unternehmen heute in der vierten Generation. Die heute 46-Jährige übernahm die Leitung von ihrer Großmutter Ingeborg Eule, die in Bautzen einen fast legendären Ruf genoss. 

In deren Zeit fiel die wohl schwierigste Phase der Firmengeschichte – die Verstaatlichung und Umwandlung in einen VEB ab 1972. „1990 kaufte meine Großmutter das Unternehmen von der Treuhand“, blickt Anne-Christin Eule an die Zeit des wohl größten Umbruchs zurück. „Sie lernte mit 67 Jahren noch einmal ein völlig neues Wirtschaftssystem kennen und musste sich darin bewähren“, spricht sie mit größter Hochachtung von ihrer 2017 verstorbenen Großmutter. Die Enkelin selbst „fremdelte“ zunächst ein wenig mit dem verantwortungsvollen Erbe, das ihr bereits zu Lebzeiten der Vorgängerin angetragen wurde. „Ich bin die älteste Enkelin und hatte immer ein sehr enges Verhältnis zu meiner Oma“, erinnert sie sich. 

Eigentlich wollte sie Physiotherapeutin werden, absolvierte dann aber doch eine Lehre zur Orgelbauerin. „Das war nicht leicht als Familienmitglied der Chefin“, verrät sie. So brauchte Anne-Christin Eule nach der Ausbildung eine gewisse Zeit zum „Freischwimmen“, wie sie es selbst bezeichnet. Sie studierte in Leipzig BWL und „genoss das Großstadtleben“. 2004 stieg sie als Prokuristin bei Eule Orgelbau ein, 2006 schließlich wurde Anne-Christin Eule zur Geschäftsführerin berufen: „Mit 30 Jahren. Es war keine leichte Entscheidung.“ Niemand kann aus heutiger Sicht sagen, wie es mit dem Unternehmen weiter gegangen wäre, hätte Anne-Christin Eule „nein“ gesagt. Sie ist aber sicher: „Meine Oma hätte auch dann einen Weg gefunden.“

Heute führt Anne-Christin Eule ein mittelständisches Unternehmen mit 40 Mitarbeitern, davon acht Auszubildende. „Unserer Firma geht es gut“, sagt sie knapp, zur wirtschaftlichen Lage befragt. Derzeit arbeitet Eule Orgelbau parallel an vier Projekten, zwei Neubauten und zwei Restaurierungen. „Eine Orgel ist nach 20 Jahren zur Generalüberholung fällig“, sagt ihr Mann Dirk Eule, den sie während der Lehre kennen lernte und der heute als Orgelbaumeister und Geschäftsführer im Unternehmen arbeitet. Ein Blick in die Werkstatt zeigt, dass der Orgelbau heute wie vor 150 Jahren größtenteils Handarbeit darstellt, auch wenn jetzt natürlich modernere Werkzeuge und Hilfsmittel zur Verfügung stehen: „Mit dem in Zusammenarbeit mit der Hochschule Mittweida entwickelten ‚System Eule‘ können wir von Bautzen aus über das Smartphone Orgeln unserer Kunden auf der ganzen Welt ansteuern, Fehler diagnostizieren und beheben“, nennt Dirk Eule ein Beispiel. In erster Linie aber heißt es: Bohren, Löten, Fräsen, Hobeln...

Größtes Problem aus heutiger Sicht ist der Fachkräftemangel, der es der Firma Eule Orgelbau nicht leicht macht, gutes Personal für die anspruchsvollen Tätigkeiten zu gewinnen. Das Unternehmen präsentiert sich sehr international: „Wir haben Mitarbeiter aus Polen, Tschechien, Portugal und Korea“, berichtet Anne-Christin Eule. Die Corona-Situation führte wiederholt zu personellen Engpässen, mit einer Folge, welche die Geschäftsführerin persönlich sehr schmerzt: „Leider kam es aufgrund der etwa 8000 Ausfallstunden zu Verzögerungen, die den Kunden erklärt werden mussten. Das stieß nicht immer auf Verständnis. Meiner Großmutter war nichts wichtiger als absolute Zuverlässigkeit und Termintreue, und daran müssen wir uns messen lassen.“ 

Ob auch eine fünfte Generation Eule für die Unternehmensführung bereit steht? „Wir haben vier Kinder. Die zwei älteren haben schon feste andere Pläne, doch die jüngeren zeigen Interesse“, verraten Anne-Christin und Dirk Eule schmunzelnd. Wie alt die beiden sind? „Sechs und acht Jahre. Ein bisschen Zeit haben sie also noch.“

Uwe Menschner / 23.04.2022

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