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Kunst auf der Haut wird immer beliebter

Kunst auf der Haut wird immer beliebter

Henning Stapel ist ein ziemlich entspannter Zeitgenosse. Er tätowiert fast alles, nur politische Schriften oder Zeichen lehnt er kategorisch ab. Foto: CF

Henning Stapel lehnt sich entspannt auf dem roten Sofa zurück und wartet auf seinen nächsten Kunden. Er ist der Besitzer eines von drei Tattoo-Studios in Bautzen und zählt zu den Besten. Seit nunmehr 16 Jahren verziert er seine über 1.000 Kunden, die aus ganz Europa angereist kommen und hat einige Geschichten zu erzählen.

Bautzen. Die Leidenschaft für die Kunst auf der Haut entstand etwa in seiner Zeit beim Bund. Da begann Henning Stapel sich für das Tätowieren zu interessieren. „Ich habe angefangen zu malen und mich selber tätowieren lassen. Etwas später, parallel zu meinem Studium der Wirtschaftsinformatik, habe ich dann mein erstes eigenes Geschäft eröffnet. Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht für die Arbeit am Schreibtisch geschaffen war, ich wollte mich künstlerisch ausleben“, erzählt der 39-Jährige.

Mittlerweile hat er ein neues Studio in Bautzen eröffnet und zwei ebenso talentierte Tätowierer und Piercer eingestellt. Dass die bunte Kunst der verzierten Haut nicht Jedermanns Sache ist, dem ist sich Henning Stapel bewusst, aber er bleibt gelassen: „Das muss jeder für sich entscheiden. Ich kann meine Kunden nur beraten. Ein Tattoo sollte kein Schnellschuss sein, sondern reiflich überlegt. Gerade Paartattoos halte ich für sehr bedenklich. Ist erst einmal der Name des Partners gestochen ist, sollte man es  später nicht bereuen“, scherzt der Bautzener. Und an Humor fehlt es dem Tattookünstler nicht. Als einmal eine Mutter mit einer circa Vierjährigen zum Termin erscheint, sagt er lässig zu der Kleinen: „Na bekommst du heute dein erstes Tattoo?“ Das Mädchen schaut erstaunt und sagt: „Nein ich bekomme Ohrlöcher“, und setzt sich schnell auf ein rosarotes Schaukelpferd. Denn auch für seine jüngsten Kunden hat er eine kleine Ecke eingerichtet, sollte es mal länger dauern.

Mit seinen zwei Kollegen Stephanie und Alex hat er sich auf alles spezialisiert, was mit perfekt gestochenen Tattoos oder Piercings zu tun hat. „Mir ist die Qualität extrem wichtig. Es gibt so viele schwarze Schafe in unserer Branche, da könnte ich  manchmal verzweifeln. Immerhin ist das kein Beruf, bei dem man eine Ausbildung machen kann. Tätowieren könnte praktisch jeder“, so Henning Stapel. In besonders unglücklichen Fällen muss er dann sogar nacharbeiten und fehlerhafte Tattoos covern, wie es in der Branche heißt.  Diese Ausbesserungen von unglücklichen Motiven können dann schon mal die eine oder andere Träne hervorrufen, nicht der Schmerzen wegen, sondern weil die Kunden einfach glücklich sind, das alte Tattoo los zu sein.

Besonders wichtig neben der exakten Stechkunst ist Henning Stapel auch die Hygiene. „Gott sei Dank hat sich da in den vergangenen zehn Jahren etwas getan in unserer Branche. Seit 2009 gibt es eine Tätowierverordnung des Gesetzgebers, die vorschreibt, dass gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe in den Tätowierfarben nicht mehr zum Einsatz kommen dürfen. Hierzu gehören zum Beispiel Para-Phenylendiamin und Azofarbstoffe, die nachweislich krebserregend sein können. Zudem müssen erkennbar immer sein: Hersteller, Mindesthaltbarkeitsdatum, eine Liste der Inhaltsstoffe, sowie die Verwendbarkeitsdauer nach der Öffnung der Verpackung. Durch diese Regelung wird den Kunden eine höhere Sicherheit geboten. Außerdem berichtet Henning Stapel von regelmäßigen Hygienekontrollen seitens des Gesundheitsamtes und speziellen Hygienelehrgängen. „Die Gesundheit unserer Kunden ist das A und O. Nicht nur das Werkzeug und die Farben müssen unbedingt der Vorschrift entsprechen, auch die Studioräume müssen glänzen“, so der Tätowierer. Gesetzlich geregelt ist auch das Mindestalter von 18 Jahren für diejenigen, die er tätowiert. Ausnahmen gibt es nur mit nachweislichem Einverständnis der Eltern.

Über Motive lässt sich streiten, weiß er auch selbst, aber ablehnen würde er keines. „Wenn meine Kunden zum Beispiel mit einem ausländischen Schriftzug kommen, wo ich vielleicht weder die Sprache noch die Schriftart kenne, sichere ich mich vorher schon ab, um nicht schuldig zu sein, wenn es zum Beispiel ‚Ente süßsauer‘ heißt. Nur politische Motive steche ich nicht. Da bin ich eisern.“

Das Henning Stapel zu  den besten Tätowierern Sachsens, vielleicht sogar Deutschlands gehört, erkennt man an seiner langen Warteliste. Mindestens ein Jahr müssen seine Kunden auf einen Termin warten. Sogar einige prominente Namen sind in seiner Kundenkartei, die er aber nie verraten würde.

Seine Kreativität lebt der selber Vieltätowierte jeden Tag aus. „Es macht mir einfach Freude, wenn ich mit und für Kunden ein originelles und persönliches Motiv entwerfen kann. Die Zeiten, als alle Mädels das gleiche Ornament an derselben Körperstelle hatten, ist Gott sei Dank vorbei. Jedes Tattoo, was sich meine Kunden stechen lassen, soll eine Bedeutung haben. Wenn der tiefere Sinn herausgearbeitet wird, können nach Vollendung auch schon mal Tränen fließen. Denn oft sind Tattoos Erinnerungen oder nahestehenden Menschen gewidmet“, weiß der 39-Jährige.

Wann das nächste kleine „Kunstwerk“ bei ihm selbst dazukommt, weiß er noch nicht, denn Platz wäre noch frei an seinem Körper.

Cornelia Fulk / 07.06.2016

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