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Potzblitz! Krobnitz präsentiert alte Mode

Potzblitz! Krobnitz präsentiert alte Mode

Romy Pietsch (in einem Kleid der 50-er Jahre) und Kuratorin Anja Köhler (stilecht in einem Kleid aus der Gründerzeit) haben für die Ausstellung in Krobnitz aus dem Dresdner Verkehrsmuseum auch einen Excelsior-Oldtimer aus Kaisers Zeiten organisiert. Foto

Im Schloss Krobnitz bei Reichenbach wird am 27. Mai die neue Sonderausstellung „Mode(rne) Zeiten“ mit einem bunten Rahmenprogramm rund um das Thema Mode eröffnet. Wer im historischen Kostüm kommt, erhält freien Eintritt.

Krobnitz. Wer am 27. Mai auf dem Gelände des Schlosses in Krobnitz erscheint, könnte glauben, einen Zeitsprung absolviert zu haben. Denn zur Ausstellungseröffnung ab 14.00 Uhr ist damit zu rechnen, dass nicht nur die guten Geister des Hauses in historischen Gewändern daherkommen, sondern sich auch Besucher in altertümliche Schale werfen. Wer dies überzeugend tut ist nämlich kostenlos beim Aktionstag mit Eröffnung, Parkpicknick, Führungen, historischem Tanz und Modenschauen dabei und wird zudem hoffentlich ob seiner Stilsicherheit bestaunt.

Ein Jahr lang hatte der Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund hier im Schloss mit der Vorgängerausstellung „Zu Tisch“ bereits das Alltagsleben vergangener Zeiten unter die Lupe genommen. „Besucher der Ausstellung stellten dabei immer wieder auch Fragen zur damaligen Kleidung der zu Tisch versammelten oder den Bediensteten. Das war letztlich der Ideengeber zu sagen: Wenn das Interesse hierzu so groß ist, müssen wir uns der Sache einmal annehmen“, so Anja Köhler, die als Kuratorin derzeit die letzten Vorbereitungen für die neue Schau trifft.

Ab dem 27. Mai wird man nun also für ein Jahr lang in Krobnitz in die Welt der Mode eintauchen können. Das klingt beim ersten Hören nach einem doch sehr weiblichen Thema, doch auch die Herren der Schöpfung werden im Erdgeschoss gleich beim Anblick eines Excelsior-Oldtimers in Verzückung geraten. Aber was hat ein Oldtimer mit Kleidung zu tun? Er ist, so Anja Köhler, auch ein Symbol für eine veränderte Alltags- und Freizeitkultur.

Zur „Reformkleidung“ gehörte nun eine unten geschlossene Unterhose, ohne das man Stoff einfach „verknüllte“. Die Kleidung war weiter geschnitten. Die Rolle der Frau und ihr Blick auf sich selbst wandelte sich mit der Unterwäsche, denn bislang hatte es solche nicht wirklich gegeben, sondern Unterhemden. Hygienische Gründe hatten den Einzug der Unterwäsche gefördert, denn Toilettengänge waren zum Beispiel sehr aufwendig. Mode musste zuvor nur „schicklich“ sein. Bei der einsetzenden Ausflugs-, Bade- oder Urlaubskultur oder nur der Fahrt mit einer Motorkutsche drängten neue Erfindungen auch zu praktischen Lösungen in Sachen Bekleidung.

„Um 1870 wurde in Paris jedoch auf 53.000 Quadratmetern das erste Kaufhaus der Welt eröffnet und schon 10 Jahre später zog Wertheim/Tietz in Deutschland mit dieser Idee nach. Erstmals gab es nun Barzahlung bei Festpreisen, einen Warenumtausch, Schlussverkäufe und vor allem Konfektionsgrößen. Zuvor wurde wirklich alles maßgeschneidert; im Laden wurde man gemustert und nach Einschätzung des Händlers wurde der Preis je nach Kunde ständig neu taxiert“, erläutert Anja Köhler die Bedeutung der neuen städtischen Einkaufskultur für den Wandel der Kleidung.

Der Besucher wird auch dies in der Ausstellung nachempfinden können, denn im Obergeschoss ist das Schaufenster des Görlitzer Kaufhauses im Stil der Kaiserzeit nachempfunden und in einer Umkleidenische kann der Besucher sogar testen, wie ihm die damalige Mode steht und wie sich diese auf seinen Bewegungsapparat auswirkt.

Übrigens spiegelte die Mode den gesellschaftlichen Wandel auch bei Kindern wider. „Erstmals war zur Biedermeierzeit Kinderkleidung aufgekommen – zuvor waren Kinder optisch einfach kleine Erwachsene ohne Spielzeug“, stellt die Kuratorin fest, die mit der Ausstellung auch eine Nische in Sachen Mode besetzt sieht: „Im ganzen Freistaat Sachsen, so haben wir bei unseren Recherchen immer wieder gemerkt, gibt es wahnsinnig viele barocke Feste.

Das 19. und 20. Jahrhundert ist in dieser Hinsicht nicht richtig besetzt. Dabei passt die jetzige Konzeption bei uns gut zum gehobenen Bürgertum des einstigen Görlitz’“, sagt Anja Köhler.
Der Blick in Krobnitz reicht bis zum Minirock. „Mit dessen Aufkommen scheint die Entwicklung weitgehend abgeschlossen, denn im Grunde ist Mode heute eher das Wiederaufgreifen bereits einmal da gewesener Trends“, betont sie. Besucher, die am 27. Mai um kostenlosen Einlass begehren, müssen also nicht zwangsläufig den Zylinder das Monokel vom Uropa auf dem Dachboden suchen oder nach einem Matrosenanzug für Junior, der Wilhelm II. ein anerkennendes „Potzblitz“ entlockt hätte – auch wenn solche Accessoires gern gesehen sind.

Der Ritt durch etwa 170 Jahre Modegeschichte in der Ausstellung zeigt übrigens nicht nur die Mode der gehobenen Gesellschaft – auch die Kleidung der einfachen Leute wird thematisiert.
Im Schlossgarten wird man am 27. Mai dennoch erhaben flanieren dürfen oder zur Musik der Zeit unter anderem vom Steffen-Peschel-Trio das Tanzbein schwingen. Das Görlitzer Modekaufhaus am Postplatz wird historische und aktuelle Modeschauen darbieten und Besucher können ihre selbst mitgebrachte Decke zum Picknick ausbreiten. Dazu ist aber niemand gezwungen, denn auch Bänke werden aufgebaut. Fotostationen, diverse Aussteller, Kinderbasteln und historische Frisuren werden am 27. Mai bis 19.00 Uhr weitere Attraktionen sein.

Till Scholtz-Knobloch / 27.05.2018

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