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Mit Kniefall von Görlitz für einen neuen Wandel

Mit Kniefall von Görlitz für einen neuen Wandel

So wie Willy Brandt 1970 auf sich gestellt in Warschau verharrte, ließ ihn Roland Vörös auch in Görlitz genau 50 Jahre später auf sich allein gestellt in Gedenken verharren. Foto: privat

50 Jahre nach dem Kniefall Willy Brandts in Warschau hat der Holzkünstler Roland Vörös mit einer ganz persönlichen Aktion Brandt und dem Wandel durch Annäherung damals ein persönliches Denkmal gesetzt – und er meint: „Einen Wandel durch Annäherung brauchen wir auch jetzt.“

Görlitz. „Von meinem Balkon aus blicke ich jeden Tag auf die Neiße“, sagt Holzkünstler Roland Vörös vom Atelier Soli Deo Gloria. Der Ungar spürt noch heute tiefen Dank über die Umbrüche in Europa vor dreißig Jahren, die ihn letztlich nach Görlitz führten, wo er eine Familie gründete. Anlässlich des 100. Geburtstages von Papst Johannes Paul II. hatte er diesem dieses Jahr bereits mit einer Installation auf dem Grundstück der Pfarrkirche gedacht. Johannes Paul hatte noch als Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla die Botschaft der polnischen Bischöfe vom November 1965 „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ unterschrieben, die nach Kriegsverbrechen und Vertreibung einen Anfang der Versöhnung bildete. Die deutsche Antwort gaben die Bischöfe Alfred Bengsch aus Berlin und Gerhard Schaffran aus Görlitz. Vörös konnte nun am nächsten epochalen Schritt, dem Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 im Warschauer Ghetto, nicht vorbeigehen. Genau 50 Jahre nach diesem Akt, der nur eine halbe Minute dauerte, platzierte er seine Plastik mit der Silhouette des knienden Kanzlers vor dem Denkmal der Opfer des Nationalsozialismus’ auf dem Wilhelmsplatz für eben diesen gleichen kurzen Zeitraum. „Mir war nicht wichtig, eine große Schau daraus zu machen. In Ehrfurcht vor Brandt, der uns in Ostmitteleuropa Hoffnung gegeben hat, war es mir einfach wichtig, dieses Ereignis ganz für mich zu würdigen“. Und Vörös betont mit Blick auf die Dialogunfähigkeit der politischen Lager heute: „Im Rahmen eines ergebnisoffenen Dialogs auf Augenhöhe gilt auch heute: Ein ’Wandel durch Annäherung’ ist wieder ganz aktuell geworden.“ Fast niemand nehme die Empörung der Mehrheit der Polen und Ungarn wahr, die sich von deutscher Seite wieder politisch überheblich behandelt fühlen.

Till Scholtz-Knobloch / 13.12.2020

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Kommentare zum Artikel "Mit Kniefall von Görlitz für einen neuen Wandel"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Fritz schrieb am

    Torsten, fahre doch mal nach Polen und Ungarn und unterhalte dich mal mit den Menschen, da wirst du bestimmt was anders hören. Viele sind dort mit ihrer Regierung zufrieden. Deutschland sollte sich sehr zurückhalten, wieder über die Polen bestimmen zu wollen. Das gab es schon mal? dann kam der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen. Oder wollen Sie das etwa leugnen. Wer sagt uns das die westlich Demokratie überhaupt die richtige ist.......

  2. Torsten schrieb am

    Hallo Herr Roland Vörös,

    die Empörung der Polen und Ungern kann es doch nur in Ihrem Kopf geben! Denn Sie wollen uns doch nicht etwa hier weiß machen, das Sie die politischen Ansichten aller BürgerInnen der beiden Länder kennen.
    Sie wollen uns vielmehr ein O vor dem A vor machen, indem Sie uns die Kritik der deutschen und vieler anderer europäischen Demokratien an der freiheitsfeindlichen Politik von PiS und Orban-Mitläufern als Bevormundung verkaufen wollen. Dazu nehmen Sie einen weiten Anlauf über geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten. Ihr Kniefall in Holz ist deshalb weder Kunst noch Beitrag zum Austausch auf Augenhöhe - das ist schlicht irreführend und geschmacklos! Es ist nichts weiter als der Versuch, die Demontage des Rechtstaates in Ihrem Lande als politische Option in Europa darzustellen. Und Sie glauben sicher, dass Sie das besonders geschickt anstellen - was Sie wirklich wollen ist sehr leicht zu durchschauen. Mit der Masche haben Sie vielleicht Erfolg bei Ihren Gleichgesinnten - nicht aber im modernen Europa des 21. Jahrhunderts.

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