Erfindet Bautzen den Plattenbau neu?

Architekt Axel Jäkel freut sich über den großen Gestaltungsspielraum, den ihm das Bauprojekt an der Pchalekstraße bietet. Foto: Uwe Menschner

Nix mehr mit DDR-Charme – so soll die Häuserfront an der Pchalekstraße nach der Sanierung aussehen. Visualisierung
Die modulare Bauweise mit Fertigteilen hat keinen guten Ruf – besonders bei denen, die sie nie von innen kennen lernten. Ein Bauprojekt in der Bautzener Innenstadt soll nun den Weg in die Zukunft weisen.
Bautzen. „Kommt jetzt der Plattenbau zurück?“, fragten manche Medien, als die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) versprach, die Baukosten deutlich zu senken – indem man stärker auf den Modulbau in industrieller Vorfertigung setzen wolle. „Plattenbau 2.0“ oder auch „Totgesagte leben länger“ unkten daraufhin die Kolumnisten, insbesondere jene, die keine Ahnung davon haben, was für eine Erleichterung der Umzug in die „Platte“ für viele DDR-Familien bedeutete.
Axel Jäkel kennt sich aus mit Plattenbauten.
Der Bautzener Architekt hat sich mit seinem Büro bo Architekten und Ingenieure unter anderem darauf spezialisiert, dieser zu DDR-Zeiten im großen Stil praktizierten Bauform neues Leben einzuhauchen. „Unser Büro war in seiner Historie immer stark mit der Plattenbau-Thematik verbunden und hat schwerpunktmäßig für Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften gearbeitet, die über große Bestände verfügen“, erklärt er. Sofort denkt man an das größte Bautzener Wohngebiet Gesundbrunnen, in dem in den vergangenen Jahrzehnten umfangreiche Abrisse, aber auch Rekonstruktionen stattgefunden haben. Und die so entstandene „neue Platte“ erfreut sich durchaus wieder einer steigenden Beliebtheit. In der öffentlichen Wahrnehmung stellt der Plattenbau allerdings eher ein Thema der Außenbezirke dar, der in den 70er-, 80er-Jahren entstandenen großflächigen Wohngebiete aus WBS-70-Blöcken. In der Bautzener Innenstadt sind seine Standorte hingegen rar gesät – anders als in Städten wie Halberstadt oder Rathenow, die im zweiten Weltkrieg von großflächigeren Zerstörungen betroffen waren und entsprechende Lücken aufwiesen. „Mir fällt jetzt eigentlich nur der Postplatz und der Fleischmarkt ein – und natürlich die Kurt-Pchalek-Straße“, erklärt Axel Jäkel, danach befragt.
„Natürlich“ deshalb, weil er hier zurzeit an einem groß angelegten Sanierungsprojekt innerstädtischer Plattenbauhäuser mitwirkt: Neben dem unsanierten Altbau Kurt-Pchalek-Straße 20 bringt die Bautzener Wohnungsbaugesellschaft (BWB) auch die noch nicht modernisierten Plattenbauten mit den Hausnummern 22, 24 und 26 auf Vordermann.
„Es entstehen attraktive 4-Raum-Wohnungen im Altbau und barrierefreie Wohnungen im Plattenbau, die bequem mit Aufzug zu erreichen sind. Dort werden wir die Grundrisse und die Fassade so umgestalten, dass die Häuser wie ein Neubau wirken“, heißt es in der Projektdarstellung der BWB. Dabei greift das städtische Wohnungsunternehmen auf die Expertise von Axel Jäkel und seinen Kolleginnen zurück, für die es ein ganz besonderes Projekt darstellt: „Es handelt sich entgegen allen Vorurteilen um eine Bausubstanz, mit der es sich sehr gut arbeiten lässt“, erklärt der Büroinhaber. Bauherrin und Architekten legen viel Wert auf Nachhaltigkeit, darauf, möglichst viel von dem Vorhandenen weiter zu verwenden und Energie aus erneuerbaren Quellen durch eine Photovoltaikanlage auf dem (künftigen) Mansarddach selbst zu erzeugen.
Und weiter: „Innerhalb des statischen Systems lässt es uns viele Gestaltungsmöglichkeiten.“ Das bedeutet beispielsweise, dass die Nassräume quasi ausgebaut und an andere Stelle versetzt werden können, da sie ein eigenes statisches System bildeten. In dem schmalen Haus über der Durchfahrt werden die bisherigen eingeschossigen Wohnungen zu zwei Maisonette-Wohnungen – also solchen, die sich über zwei Etagen erstrecken – zusammengefasst. Die insgesamt zwei Fahrstühle enden exakt auf Etagenebene und nicht, wie zumeist, auf halber Höhe. Von dort gelangt man über den Balkon in die Wohnungen – „auch das ist mal etwas völlig neues“, so Axel Jäkel. Insgesamt 26 Wohnungen werden nach der Fertigstellung im Frühjahr 2027 zur Verfügung stehen und hochwertigen und dennoch bezahlbaren Wohnraum in der „Platte“ bieten. Ein Projekt das als „wegweisend“ für den Umgang mit innerstädtischen Plattenbauen bezeichnet wird und deshalb auch beim bundesweiten Tag der Architektur vorgestellt wurde. Der Plattenbau kommt zurück!