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Ritter in Görlitz? Es gibt sie wirklich!

Ritter in Görlitz? Es gibt sie wirklich!

Zur Aufnahme des Deutschen Sankt-Michael-Ritterordens kam sogar der Hochmeister des Deutschen Ritterbundes 2015 nach Görlitz. Foto: Deutscher Sankt Michael Ritter-Orden

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Dr. Horst-Achim Ehrenbrecht führt die Sankt-Michael-Ritter in Deutschland seit ihrer Gründung. Foto: Matthias Wehnert

Am 7. und 8. April treffen sie sich wieder in Görlitz – die Ritter des Deutschen Sankt-Michael-Ritterordens. Aber ist das nicht ein paar Jahrhunderte zu spät? Keineswegs, meint ihr in Görlitz lebender „Großmeyster“, Dr. Horst-Achim Ehrenbrecht, der den Orden in Deutschland erst selbst etablieren musste.

Görlitz. Die Anfrage nach einem Gespräch scheint Dr. Horst-Achim Ehrenbrecht etwas verlegen zu machen, denn ein großes Pressespalier sei gar nicht der Stil des Ordens. Das Wirken aus dem Verborgenen kann man daher wohl bereits als eine der ritterlichen Tugenden in heutiger Zeit identifizieren. Zumal die militärische Bedeutung von Rittern schon seit dem 14. Jahrhundert verloren ging. Gut organisierte Fußtruppen und zunehmend das Schießpulver ließen die große Zeit der Ritter ausklingen. Untergegangen ist ihr Stand nie. Promoviert in internationaler Wirtschaftskooperation war Horst-Achim Ehrenbrecht in der internationalen Luft- und Raumfahrtindustrie im in und Ausland tätig. Ehrenbrecht hat in Großbritannien in den Ritterstand gefunden. Denn dort ist der ursprünglich in Portugal begründete Sankt-Michael-Orden bereits lange tätig. Die eigene Familiengeschichte hatte er dabei immer vor Augen. Seit dem 3. Mai 1019 – also seit der Hochzeit des deutschen Rittertums – kann er seinen Stammbaum verfolgen. Der Name Ehrenbrecht spiegelt sich noch heute in der weitbekannten Burg Ehrenbreitstein oberhalb des Deutschen Ecks, des Zusammenflusses von Mosel und Rhein, in Koblenz. Doch die eigene Landesherrschaft derer von Ehrenbrecht war auch schon im Mittelalter beendet; der Erzbischof von Trier löste sie in der Landesherrschaft ab.

Doch adelige Familien sind weit verzweigt. „Als ich 1998 nach Görlitz kam und den Dialekt hier hörte, habe ich mich sofort heimisch gefühlt, denn hier wird so gesprochen wie ich das von meiner Mutter aus Breslau kannte“. Die Liebe zu Görlitz war entfacht und bald mussten sich seine Söhne um den eigenen Besitz in Oberbayern kümmern. Ritterlich tapfer lebt Horst-Achim Ehrenbrecht in einer kleinen Stadtwohnung mit Nachbarn aus allen Herren Ländern, die vor adeligem Inventar fast überberstet.

Auch mit 85 Jahren hat hier jemand eine Mission. Auch wenn der von ihm gegründete deutsche Zweig der Sankt-Michael-Ritter natürlich Herkunft und Würde bei den eigenen Konvents durch ihr Äußeres würdevoll zelebriert, so steht die Aufgabe klar vor Augen: „Basierend auf dem christlichen Gedankengut und der abendländischen Kultur bezweckt der nicht auf Gewinn ausgerichtete Orden die Pflege alter edler ritterlicher Tugenden und Traditionen und die Übernahme humanitär-karikativer Aufgaben“, heißt es in einer Selbstbeschreibung auf der Homepage. Dr. Ehrenbrecht stellt hierbei jedoch klar, dass man sich natürlich nicht mit an der Spitze weiterhin durch Ritter geführte Orden wie den Johannitern oder Maltesern vergleichen könne, die letztlich gar TV-Spendengalas mit Millionenerlösen organisieren könnten. Aber auch Spenden aus den eigenen Reihen in vierstelliger Höhe lindern letztlich Not, wenn auch im kleineren Maßstab.

„Jeder kann etwas geben, und wenn es nur ein gutes Wort ist“, sagt er. Man müsse sich letztlich vergegenwärtigen, dass jeder Obdachlose erst durch bestimmte Lebensumstände die Spur verloren habe und jeder potenziell ein gleiches Schicksal erleiden könne. „Wir können die Welt nicht verändern, aber wir können Vorbilder schaffen“, betont Dr. Ehrenbrecht. Wer sich dabei ritterlich hervorhebt, der kann durch einen Ritterschlag seitens der Regierung (Ordo Teutonicus Equitum Sancti Michaelis Archangeli = OTESM) mit dem Ordensschwert in die Gemeinschaft als „praktizierender Ritter“ aufgenommen werden. Eine hohe Verantwortung für Dr. Ehrenbrecht, denn er führt die Regierung. Diese liegt nämlich in den Händen des von der Ritterschaft frei gewählten Großmeysters, dem der Großprior zur Seite steht. Der Großprior ist das Verantwortungs- und Vollzugsorgan zur Verwirklichung der Ordensziele – in Zusammenarbeit mit dem Rat der Ritter (Senat). Der Deutsche Sankt-Michael-Ritterorden leistet sein Werk dabei übrigens über die konfessionellen Grenzen hinweg.

Trotz der karitativen Aufgabe kommt die Geselligkeit und ein kultureller Mehrwert nicht zu kurz. Die Mitglieder des Ordens, sofern diese nicht aus der Region stammen, haben sich seit vergangenem Wochenende an der Neiße eingefunden. Immer stehen auch die Besichtigung von Kulturgütern in der Oberlausitz, Niederschlesien oder Nordböhmen auf der Agenda und der Orden selbst verleiht gar der Landeskrone eine passende Aura. Denn die Burg Landeskrone ist durch die Statuten als Sitz der Gemeinschaft bestimmt, worauf letztlich in Symbiose mit dem christlichen Bekenntnis gar das Motto basiert: „Caelum castrum nostrum est!“ (Der Himmel ist unsere Burg!). Auch auf dem Rosenhof oder natürlich in der Pfarrkirche St. Peter und Paul wie auch in der Kathedrale St. Jakobus kann man den Rittern am Wochenende begegnen. Doch trotz allem Habitus, der sich aus einer ehrenvollen Aufgabe speist, möchte Dr. Ehrenbrecht eines nicht fehlgedeutet sehen. „Es geht nicht darum, dass man uns huldvoll winken sieht – die Aufgabe der christlichen Nächstenliebe treibt uns im Innersten an.“

In Sachen Ritterspiele muss der Orden (noch) passen. Horst-Achim Ehrenbrecht war zwar einst ein bekannter Fechter, doch in der Breite und im entsprechenden Alter fehlen derzeit einfach Akteure, um sich mit anderen Ritterschaften im Kampfe auf Turnieren zu stellen. Und auch im Bereich der Kulturarbeit gibt es Nachholbedarf. Eigentlich gehört die Einbindung in die örtliche Kulturlandschaft in das feste Repertoir einer ritterlichen Gesellschaft. Doch dazu fehlt in oder um Görlitz bislang auch der entsprechende eigene Besitz, so dass für größere Veranstaltungen der Raumbedarf über Pacht oder Mietverhältnisse bereitgestellt und genutzt wird.

Till Scholtz-Knobloch / 06.04.2018

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