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So steuert der Kreis die Flüchtlingswelle

So steuert der Kreis die Flüchtlingswelle

Bei einer vom Landratsamt einberufenen Bürgermeisterkonferenz wurden jüngst die aktuelle Flüchtlingslage und verschiedene Ukraine-Hilfen diskutiert. Foto: LRA BZ

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In der Bautzener Schützenplatzhalle waren mit Stand Mitte vergangener Woche 20 Frauen und 30 Kinder untergebracht. Das Mehrzweckgebäude bietet Platz für 124 Kriegsvertriebene. Foto: LRA BZ

Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzung in Osteuropa suchen nach wie vor zahlreiche Menschen aus der Ukraine Zuflucht auch hierzulande. Vor diesem Hintergrund bemüht sich der Landkreis Bautzen darum, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben. Dies allerdings erweist sich als Mammutaufgabe, obwohl die Städte und Gemeinden der Kreisverwaltung dabei kräftig unter die Arme greifen.

Region. Vorab: Das Hauptproblem scheint in erster Linie nicht die Unterbringung zu sein. Angebote freier Unterkünfte gibt es verteilt über das gesamte Kreisgebiet reichlich. Vielmehr geht es darum, die ins Land kommenden Frauen, Kinder und auch Männer zu erfassen und zu registrieren. „Das bedeutet sehr viel Arbeit“, teilte eine Landratsamtssprecherin auf Anfrage mit. „Wir versuchen, mit digitalen Formularen den Prozess zu vereinfachen.“ Diese lassen sich ab sofort im Internet unter www.lkbz.de/erfassungukraine in deutscher, englischer und ukrainischer Sprache aufrufen. Neben verschiedenen Angaben zur Person und mitreisenden Familienangehörigen kann dort auch ein Foto des Reisepasses hochgeladen werden. Die Daten gehen direkt im Ausländeramt ein.  Eine Erfassung genügt, um unter anderem einen Antrag auf Grundsicherung stellen zu können. „Diese ersetzt dabei nicht die offizielle Registrierung, die im Nachgang vorgenommen wird.“

Somit sind die aus der Ukraine geflohenen Menschen weiterhin dazu angehalten, persönlich auf dem Amt vorstellig zu werden, was im Zuge der Corona-Pandemie anfangs zu neuen Problemen führte. Denn in Behördenstuben gilt die 3G-Regel. Wer also nur mit einem Negativtest Zutritt bekommt, musste zuvor ein Testzentrum aufsuchen. „Nicht jedem Testcenter war von Beginn an klar, dass die Kosten für einen Corona-Test übernommen werden“, erinnert sich in dem Zusammenhang der Weißenberger Bürgermeister Jürgen Arlt. Es sei darauf hingewiesen worden, dass sich keine Rechnungen ausstellen lassen. Dabei hatte das Bundesgesundheitsministerium recht frühzeitig klargestellt, dass Geflüchtete aus der Ukraine grundsätzlich einen Anspruch auf einen Antigen-Test haben. Das gehe aus der Testverordnung hervor. Dazu sei jedoch ein amtlicher Lichtbildausweis zum Nachweis der Identität vorzulegen. 

Bei einem Zusammentreffen von Bürgermeistern und Vetretern der Kreisverwaltung, das jüngst in Bautzen stattfand, kam dieser Umstand zur Sprache. Aber nicht nur der. „Wir wissen, dass bereits erste Kinder in die Schule gehen sowie Vereine besuchen“, erläuterte die Landratsamtssprecherin. „Das genaue Verfahren wird jeweils mit dem Landesamt für Schule und Bildung beziehungsweise den Städten und Gemeinden abgestimmt. Viele Dinge laufen da bereits vor Ort ohne Zutun des Landratsamtes.“ Vize-Landrat Udo Witschas bedankte sich für die geleistete Hilfe. Zugleich betonte er, dass die Situation nicht mit der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 vergleichbar sei. Mit Stand Donnerstag vergangener Woche waren Schätzungen zufolge 1.200 Menschen aus der Ukraine im Landkreis untergekommen. 600 seien zu diesem Zeitpunkt bereits erfasst gewesen, 56 ordentlich registriert und 87 durch das Landratsamt in Wohnungen verteilt worden.

„Bei der Unterbringung werden wir zunächst auf eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen setzen“, meinte Udo Witschas. Inwiefern weitere Gemeinschaftsunterkünfte benötigt würden, das müsse sich erst noch zeigen. Die Städte und Gemeinden sollen bei der Zuweisung von Wohnraum an Vertriebene sowie der Sichtung und Ausstattung von Immobilienangeboten helfen. Erwartet werde, dass jede Kommune eine Kapazität vorhält, die etwa zwei Prozent der Einwohnerzahl umfasst. Auch im Fall der Ersterfassung und der Beantragung und Auszahlung von Geldleistungen bat der Vize-Landrat die Gemeinden um Hilfe. Ferner wurde darüber informiert, dass Ukraine-Vertriebene jetzt schneller an ein sogenanntes Basiskonto gelangen. Dies soll die Auszahlung von staatlichen Leistungen erleichtern. Für die Eröffnung werden ein gültiger Identitätsnachweis sowie eine aktuelle Wohnanschrift benötigt.

Jürgen Arlt hingegen fragt sich, wann die ersten Gelder fließen werden. „In Abstimmung mit dem Landkreis haben wir vorsorglich an die 20 Flüchtlinge, die in Weißenberg untergekommen sind, ein Startgeld in Höhe von jeweils 50 Euro ausgezahlt. Das dürfte in den meisten Fällen allerdings schon aufgebraucht sein.“

Indes verwiesen seine Amtskollegen auf die nach wie vor hohe Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Sie hätten einer dezentralen Organisation im Grundsatz zugestimmt, wie aus dem Landratsamt verlautete. Neben den Fragen der Ausstattung von unmöblierten Wohnungen sei eine schnelle Integration der ukrainischen Menschen als wichtig erachtet worden, etwa in Form von Sprachkursen oder der Arbeitsaufnahme. „Wir sollten den Menschen schnell eine Bleibeperspektive bieten“, sagte das Wilthener Stadtoberhaupt Michael Herfort. Sein Weißenberger Amtskollege fügte mit Blick auf die Lage in dessen Kommune hinzu: „Mehrere Familien haben die Bereitschaft zur Aufnahme Geflüchteter bekundet. Unsere Aufgabe wird sein, die Kitabetreuung, den Schulbesuch und Wohnraum bereitzustellen. Das alles ist gegenwärtig aber schwer kalkulierbar.“ 

Auf Basis der durch den Freistaat Sachsen vorgelegten Schätzungen richtet sich der Landkreis Bautzen auf mindestens 5.000 Vertriebene ein, die in den nächsten Tagen und Wochen hierzulande unterzubringen sind. Zur besseren Koordination der Ukraine-Hilfe hat das Landratsamt einen Krisenstab eingerichtet. Allerdings bleibt nicht jeder der aus der Ukraine geflüchteten Menschen in der Region. 

Obwohl keine Übersicht darüber vorliegt, wird in den Reihen der Kreisverwaltung davon ausgegangen, dass ein Großteil der Ankommenden weiterzieht. Jürgen Arlt kann das bestätigen: „Momentan streben viele Flüchtlinge zu Bekannten in anderen Teilen Deutschlands oder Europas und legen gewissermaßen nur einen Zwischenstopp ein.“ 

Das zeigt sich auch am Beispiel von Oleksandr (Name von der Redaktion geändert). Ihn verschlug es mit seinem nicht ganz so reichweitenstarken Elektrofahrzeug aus dem Kriegsgebiet in die Oberlausitz. Allerdings nur für einen kurzen Moment, um den Akku seines Wagens aufzuladen. „Damit hatte ich gleich hinter der Grenze in Görlitz allerdings keinen Erfolg“, erklärte er unserem Verlagsmitarbeiter Philipp Haufe. „Also habe ich mein Glück in Bautzen probiert.“ Wo er dann auch auf dem Schliebenpark mit komplett leerer Batterie strandete. „Ohne passende App oder Ladekarte funktioniert das Stromtanken in Deutschland nicht“, weiß wiederum der Neukircher um die Problematik. „Demzufolge konnte er auch in Bautzen nicht laden. Das scheint in der Ukraine anders zu sein.“ Für den erfahrenen E-Mobilisten Philipp Haufe war das allerdings kein Problem. Er bezahlte kurzerhand die Ladung auf eigene Kosten. Das Ziel, das Oleksandr eigentlich ansteuerte, lag da noch Hunderte Kilometer vor dem Ukrainer. 

Roland Kaiser / 26.03.2022

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