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SPD begeht 100 Jahre Görlitzer Programm

SPD begeht 100 Jahre Görlitzer Programm

Diskussionsteilnehmer Jürgen Murach von der Berliner SPD warb 2014 bei der Abschiedsfahrt des EC Wawel auf dem Breslauer Bahnhof für einen fiktiven ’EC Ferdinand Lasalle’ von Berlin über Senftenberg-Breslau nach Oppeln (Opole). Foto: Till Scholtz-Knobloch

Anlässlich des 100. Jahrestages des Görlitzer Parteitages richtet die Görlitzer SPD am 26. April, um 19.00 Uhr, eine Onlinediskussion zum Thema „Europäische Werte im Wandel – hat der Görlitzer Parteitag dazu noch etwas zu sagen?“ aus.

Görlitz. Prominentester Gast ist dabei Markus Meckel, Mitbegründer der Ost-SPD und letzter Außenminister der DDR. Er diskutiert mit Ryszard Kessler als Vertreter der polnischen Sozialdemokraten aus Breslau, Thomas Zenker, Oberbürgermeister von Zittau, der Osteuropawissenschaftlerin Leonie Liemich, der Geschäftsführerin des Meetingpoints Music Messiaen e.V. in Görlitz, Alexandra Grochowski, und Jürgen Murach von der Berliner SPD-Arbeitsgemeinschaft Polen Fragen rund um europäische Werte und das Miteinander im Europa von morgen. Moderiert wird die Debatte von Matthias Ecke, dem Europabeauftragten der sächsischen SPD. Die Onlineveranstaltung ist öffentlich über den Link: https://bit.ly/3sd0Daq zu verfolgen.

Der Gegensatz von heute und der einst riesigen Bedeutung Görlitz’ für die SPD spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider, in dem die SPD zumindest in der Oberlausitz den Status als Volkspartei verloren haben dürfte. Gab es vor dem Krieg in Görlitz 5.000 Mitglieder, so sind hier heute etwa 50 Genossen aktiv. Als Görlitz noch Hochburg der Sozialdemokratie war, trafen sich vom 18. bis 24. September 1921 in der Stadthalle 376 Delegierte aus dem ganzen Reich und beschlossen ein Parteiprogramm, das bis 1925 galt.

Im Zeichen von Versailles

Auf der Tagesordnung des SPD-Reichsparteitages standen vor allem die innen- und außenpolitischen Auswirkungen der überaus harten Friedensbedingungen, die in der Gesellschaft als „Versailller Diktat“ empfunden wurden und so später Hitler den Weg bereiteten. Unter anderem Posen, Westpreußen Ost-Oberschlesien und Elsass-Lothringen gingen dem Reich verloren, während Österreich mit dem Sudetenland gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker der Anschluss an das Deutsche Reich verwehrt wurde. Hohe Reparationsforderungen und eine galoppierende Inflation stürzten große Teile der Bevölkerung in Not und Elend. Während und nach der Inflation geriet Deutschland in eine zunehmende Abhängigkeit von ausländischen Krediten.

Vier Jahre später bestimmten dann die friedenspolitischen Grundsätze des Heidelberger Programms die Haltung der Sozialdemokraten: „Sie tritt ein für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, um damit zur Interessensolidarität der Völker aller Kontinente zu gelangen“, hieß es nun.

Kernschmelze bei Mitgliederzahlen

Im Bezug darauf zollt die Görlitzer SPD dem Heidelberger Programm von 1925 – dem nächsten großen Parteitag – gewissermaßen nun etwas mehr Respekt als dem Görlitzer Programm von 1921, das eine harte Abgrenzung zu den abgespalteten Unabhängigen (USPD) und der KPD vornahm.

Dabei könnte vielleicht gerade die Dominanz von als eher intellektuell wahrgenommenen Themen wie Europa mit ein Grund für den Absturz der Sozialdemokratie sein, die in der Weimarer Republik noch die Mehrheit der Arbeiter hinter sich wusste und in Görlitz besagte 5.000 Mitglieder zählte.

In einer Pressemitteilung zum Onlinevortrag heißt es jedenfalls abschließend: „Heute möchte Europa eine Friedensmacht sein, die für eine ökonomische und soziale Staatengemeinschaft steht. Aber ihre gemeinsamen Grundwerte müssen sich in den gegenwärtigen Krisen bewähren und für zukünftige Herausforderungen neu wappnen. Die über die Jahre gewachsenen regionalen Beziehungen in Grenzregionen wie dem Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien sind dafür praktisches Vorbild wie auch Seismograph für bestehende Differenzen. Denn ohneeinander geht es nicht und unsere Gäste diskutieren, wie das Projekt Europa auch zukünftig gelingen kann.“

Till Scholtz-Knobloch / 22.04.2021

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Kommentare zum Artikel "SPD begeht 100 Jahre Görlitzer Programm"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Fritz schrieb am

    Das Projekt EUROPA wird nur gelingen wenn sich Deutschland endlich mal aus die inneren Angelegenheiten von Polen, Tschechien usw raushält ?

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