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Streit um sächsische Gedenkstätten

Streit um sächsische Gedenkstätten

Überall Drähte und Gitter, dazwischen junge Leute: Dies ist das typische Bild der Gedenkstätte Bautzen heutzutage. Foto: um

Bautzen. Die Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten (StSG) artet zur Schlammschlacht aus. Der kulturpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Sächsischen Landtag, Franz Sodann, erklärt, Geschäftsführer Siegfried Reiprich sei „der Stiftung nicht länger als Chef zuzumuten.“

Die Vorwürfe entzünden sich daran, dass es Reiprich dem Opferverband VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) verwehrt habe, eine Landesvorstandssitzung in den Räumlichkeiten der Gedenkstätte Bautzen abzuhalten. Sodann sieht dies als Retourkutsche, weil „zuvor geäußerte begründete Kritik an der Arbeitsweise der Stiftung durch den Verband nicht zurückgenommen wurde.“ Besondere Pikanz erlangt der Vorgang dadurch, dass der VVN-BdA im Beirat der Gedenkstätten-Stiftung vertreten ist. Laut Franz Sodann gibt es nunmehr Bestrebungen, diese Mitarbeit zu beenden. In einem Brief an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) beklagt der VVN-Landesvorstand: „Wir erleben immer wieder Missachtung und Behinderung“ und es „stelle sich die Frage, ob unsere Mitarbeit noch erwünscht ist.“

Falsche Behauptungen?

Der Stiftungs-Geschäftsführer selbst sieht diese Vorgänge naturgemäß anders. Nach seiner Darstellung hat der Landesverband VVN-BdA die Anfrage nach einer Vorstandssitzung in der Gedenkstätte Bautzen selbst zurückgezogen. Zuvor habe er, also Siegfried Reiprich, erfragt, „ob der Verein falsche Tatsachenbehauptungen, die die Landesverbandssprecherin gegenüber der Wochenzeitung ’Die Zeit’ Anfang 2016 geäußert hatte, künftig weiterhin öffentlich verbreiten wolle.“ Der VVN-BdA habe diese Aussagen daraufhin bekräftigt. Die Absage sei also nicht durch die Stiftung, sondern durch den VVN-BdA selbst erfolgt. Der Verband ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet.

Dass es heftige Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Arbeitsweise der Stiftung unter ihrem Geschäftsführer Siegfried Reiprich gibt, ist nichts Neues. Die Kritik entzündete sich in der Vergangenheit vor allem an der vermeintlich einseitigen Ausrichtung auf die DDR-Zeit. Die Zeit der Naziherrschaft bleibt nach Ansicht von Linken, Grünen und Opferverbänden im Vergleich dazu unterbelichtet.

Der VVN-BdA hat sich in diesem Zusammenhang folgendermaßen geäußert: „Obwohl es allen Grund gäbe, alle gutwilligen Demokraten in die offensive Auseinandersetzung mit der herrschenden Geschichtsklitterung einzubeziehen, steht die Endlos-Abrechnung mit der DDR weiter im Vordergrund.“

Ministerin hält sich heraus

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Maicher hatte mittels Anfrage an die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst (SMWK), Eva-Maria Stange (SPD) – gleichzeitig Stiftungsratsvorsitzende – herausgefunden, dass „gerade einmal 14,5 Prozent der Stiftungsgelder für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus zur Verfügung stehen.“ Die Ministerin selbst hält sich aus dem Streit heraus: „Laut Satzung äußert sich der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gegenüber der Öffentlichkeit und nicht die Vorsitzende des Stiftungsrates“, teilt SMWK-Pressesprecher Andreas Friedrich mit und weist ausdrücklich darauf hin, „dass dies eine Stellungnahme des Ministeriums und kein Zitat der Ministerin ist.“

Die Stiftung selbst und insbesondere ihr Geschäftsführer Siegfried Reiprich haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen. So argumentierte er, dass sich „die 14,5 Prozent ausschließlich auf den Bereich der Projektförderung beziehen.“ Deren Anteil am Gesamthaushalt der Stiftung betrage etwa 15 bis 20 Prozent. Der Schwerpunkt der Stiftungstätigkeit liege jedoch nicht bei der Projektförderung, sondern in den zu ihr gehörenden fünf Gedenkstätten in eigener Trägerschaft, wozu auch die Gedenkstätte Bautzen zählt. Bei dieser liege der Schwerpunkt „in der Aufarbeitung der kommunistischen Gewaltherrschaft“, sie vermittle aber auch die Geschichte der Bautzener Gefängnisse im Nationalsozialismus.

Dies umso mehr, als dass 2017 eine neue Dauerausstellung zum Thema „Bautzen I und II im Nationalsozialismus. 1933 bis 1945“ in Bautzen eröffnet werde. Bund und Freistaat Sachsen würden diese mit insgesamt 465 000 Euro fördern.

Ausstellung zur NS-Zeit

Laut Sven Riesel von der Gedenkstätte Bautzen laufen die Vorbereitungen für den neuen Ausstellungsteil bereits auf Hochtouren: „Gegenwärtig sind wir noch am Forschen und Recherchieren. Bauliche und architektonische Veränderungen wird es erst im nächsten Jahr geben.“ Dann soll zu einem noch nicht genau bestimmten Zeitpunkt auch die Eröffnung erfolgen. Die drei Dauerausstellungen werden sich entsprechend ihrer zeitlichen Abfolge präsentieren: Im Untergeschoss die NS-Zeit, darüber das sowjetische Speziallager und ganz oben schließlich die DDR-Haftanstalten.

Uwe Menschner / 22.10.2016

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Kommentare zum Artikel "Streit um sächsische Gedenkstätten"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. siegfried reiprich schrieb am

    An der EOS Friedrich-Schiller in Weimar war ich mal gegen den Willen des Stabülehrers zum FDJ-Sekretär gewählt worden; ich hatte einen Singeclub gegründet, galt als Querdenker, und das gefiel meinen Klassenkameraden. Es waren die frühen Siebziger, als nach dem 8. Parteitag Hoffnungen auf Liberalsierung, ja Demokratisierung aufkam. Aber als ich mal Blowin in the Wind von Dylan sang, drängte ein SED-FDJler von der Kreisleitung vor und erklärte apodiktisch: "Die Antwort is nich im Winde verwehhhd, dr Soldad dr Volgsarmee steht uf Friedenswachd!"
    Diese Dumpfbackigkeit hat die SED-LINKE bis heute nicht überwunden, nicht wirklich. Wenn der Genosse Sodann mich unbedingt zum rechten Popanz aufblasen will, dann hilft er vielleicht der CDU, ihr konservatives Profil zu schärfen. Allein: "It ain´t me, baby".
    Sodann sollte wieder auf die Theaterbühne, nein, nicht die im Landtag! SR

  2. Heinz schrieb am

    Es ist eigentlich ein Witz, daß 71 Jahre nach Ende Der Herrschaft der NSDAP noch einen Verband der Verfolgten des Naziregimes gibt. Die meinsten der Verfolgten lebt nicht mehr. Mir ist neu, daß Verfogung erlich ist.

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