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Windkraft: Wohlauf, lasst uns einige Türme bauen...

Windkraft: Wohlauf, lasst uns einige Türme bauen...

Im Tagungssaal des Gerichtskretschams in Ludwigsdorf zog die Besucher die Wandkarte magisch an, in der die Standorte alter und neuer Windräder verzeichnet sind. Foto: Till Scholtz-Knobloch

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Kreis-"Klimamanager" Robert Knothe (links) postulierte weitgehend problemfreie Zeiten mit neuen Windrädern. Rechts von ihm Kreisdezernent Thomas Rublack, Sarah Gerlach (SAENA) und Bürgermeister Benedikt M. Hummel. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Stadt und Landkreis Görlitz haben bei einer Bürgerversammlung in Ludwigsdorf ihre Sicht auf den Teilaustausch aktueller Windräder durch neue Giganten und Abläufe im Genehmigungsverfahren dargestellt. Das brachte eine ganze Reihe von Ernüchterungen mit sich, die derzeit auch in vielen anderen Gemeinden der Region beim identischen Thema eintreten.

Ludwigsdorf
. Die Spitze der Landeskrone mit einem Normalhöhennull (NHN) von 420 Metern überragt ihre Talsohle – also den Fuß des Berges auf 273 Höhenmetern – um 147 Meter. Jeder Görlitzer weiß, in welcher Entfernung der Hausberg der Stadt seine Kinder bei Ausflügen noch oder auf der Heimfahrt aus dem Urlaub wieder begrüßt.

Der Hausberg der Görlitzer dürfte bald jedoch nicht mehr Maßstab der Dinge sein, sondern im Schatten von Windkraftanlagen der neuesten Generation stehen, die im Windvorranggebiet VRG/EG EW16 Charlottenhof nördlich der BAB4 zwischen Ludwigsdorf/Ober-Neundorf und Schöpstal entstehen sollen. Und wohl aus dem Grund, dass der Niederschlesische Kurier in der Vorwoche in der Einladung zum Abend bereits einige andere Größenvergleiche ins Feld führte, stellten sich nun auch die Behördenvertreter dem zunächst einmal visuellen Ringen.

Die nicht zu beneidende Rolle, den Betroffenen der Region argumentativ möglichst viel Butter vom Brot zu nehmen, oblag dem Kreis-„Klimamanager“ Robert Knothe, der scheinbar im Schnellverfahren noch Projektionen an die Wand aufgesetzt hatte, die von verschiedenen Punkten im Wohnumfeld den künftigen Blick simulieren sollten. Doch schnell entfaltete sich der Argumentationshorizont. Zu genehmigende Anlagen dürften nur für maximal eine halbe Stunde „Starkschatten“, werfen, rote Warnlichter würden bei neuen Anlagen nicht dauerblinken und könnten bedarfsgesteuert beim Anflug von Flugzeugen betrieben werden – quasi also eher zweitrangige Aspekte zum Warmwerden am Abend. Auch müsste von Anbeginn an für die Zeit nach Betriebsende ein vollständiger Rückbau – so das etwas irrige Vokabular für einen späteren Abriss – gewährleistet werden. Das gab bereits ein Raunen, denn nicht wenige hatten dieser Tage die ZDF-Dokumentation „Wohin mit dem Schrott? Wenn Windräder abgebaut werden“ gesehen.

Darin hatten die Autoren von immensen Recycling-Problemen berichtet, etwa von wilder Ablagerung bei Brünn (Brno) in Tschechien eines Pleite gegangenen deutschen Windkraftanbieters. Über 500 Tonnen geschredderten Sondermülls aus alten deutschen Rotorblättern seien in verschiedenen Orten der Region verklappt worden. Statt des insolventen Betreibers muss nun der Steuerzahlen finanziell dafür ran.

Heikel und ganz nah am Anwohner wird es dann etwa bei der Frage nach Infraschallemissionen. 0-20 Hertz seien nicht zu hören. Ob der Körper dennoch eine Antenne haben könne, wird von Robert Knothe schnell mit dem Argument vom „Stand der Wissenschaft“ abgetan – an anderer Stelle lässt er später die Formulierung einfließen „...entgegen vieler Behauptungen“. 

Darauf zurückkommend bekundet ein Anwohner später in der Fragerunde, er leide schon derzeit bei den in die Jahre gekommenen Windkraftanlagen „kleinerer“ Bauart an Schlafstörungen und Tinnitus. Sein Hausarzt habe den ursächlichen Zusammenhang beim Namen genannt und bemerkt: „Es ist schon so, aber das dürfen wir nicht sagen.“

Von der Ohnmacht gegenüber „richtigen“ Gutachten

Es bleibt nicht die einzige Stelle, in der sich Ohmacht über die Macht der „richtigen“ Gutachten entfaltet. Als Knothe sagt: „Ich bin nicht Ihr Arzt, aber Faktenlage der Erkenntnisse ist...“ provoziert er damit den Zwischenruf: „Da erzählt jemand, der Bananen isst, wie Äpfel schmecken – das hatten wir doch schon alles.“ Görlitz’ Bürgermeister Benedikt M. Hummel schaltet sich hier gönnerisch ein: „Schicken Sie uns doch einfach mal Ihre Studie“, das würde die offene Frage – wie es im Laufe des Abends so häufig heißt – gewissermaßen dann aufklären. Ist der Bürger also permanent ’verunsichert’ oder einfach nur Opfer von Falschinformationen?

Unser Petent hatte seine Wortmeldung damit eingeleitet, dass er in der freien Natur Tai Chi betrieben habe. Heute frage er sich, wo über die Jahre eigentlich der Rote Milan ge-blieben wäre. Für die Sächsische Energieagentur betonte Sarah Gerlach, eine Statistik, wie viele Vögel im Laufe eines Jahres von Windrädern geschreddert werden, eine solche Studie sei ihr unbekannt. Allerdings ist man sich auf dem Podium einig, dass der Rote Milan nicht schlau genug ist. Robert Knothe formuliert, dass er „meistens kollidiert“ und er korrigiert sofort selbsterschrocken und nun dezenter in „häufig“.
Das alles bringt aber auch keine tiefere Erkenntnis zur eher rhetorischen Frage des Tai-Chi-Freundes, wieso das ganze eigentlich Windpark genannt werde? Der Sinn eines Parks bestünde doch wohl eher in der Erholung.

Schuhsohlen sind gefährlicher als Windräder!

Aus der sich formierenden Bürgerinitiative gegen das „Repowering“-Ansinnen gibt es im ökologischen Kontext noch den Hinweis, dass Fledermäuse nicht geschreddert würden, ihr Tod ereilt sie dadurch, dass ihre Lungen platzen. Der Ultraschall hat mindestens bei ihnen seine Tücken. Aber gibt es eigentlich ein Fledermaus-Monitoring, lautet die angefügte Frage. Und wer entscheide eigentlich, ob ein Landschaftsbild verschandelt wird?

Recht apart ist die Frage,ob bei der avisierten Verdopplung der Leistung durch größere Anlagen nun 80 Tonnen Mikroplastik pro Jahr in Deutschland durch den Abrieb von Rotorblättern viel sei, wenn dieser bei deutschen Schuhsohlen im Jahr laut Robert Knothe 100.000 Tonnen betrage. Vermutlich zieht die Behörde hier die Zahlen des Bundes(Interessen)verbandes Windenergie, der diese auf 78.394 kg hochrechnet. Die genannten Zahlen zu den Schuhsohlen konnte die Redaktion so nicht finden. Vielmehr sollen diese laut einem NTV-Bericht von 2018 („Mikroplastik kommt nicht nur vom Duschbad“) bei 9.047 Tonnen im Jahr liegen. 

Nun gut, der große Komplex „Was Sie in der Gesundheit beeinträchtigen könnte“, wird ohnehin gewechselt und Argumente zu Verfahrensabläufen, finanziellen Nutznießern oder allgemein der Einordnung in den Energiemix gewinnen die Oberhand.
Aber auch hier schwebt die eigentliche Frage über allem, wie glaubwürdig eigentlich welche Studien und Gutachten sind. Ist es richtig, wenn Kritiker der Planungen von einem 30%igen-Wertverlust ihrer Immobilie sprechen, während Sarah Gerlach eine Studie zu Deutschland fehlt. Aber es gäbe da ja eine Untersuchung aus den USA, nach der ein Wertverlust von etwa 8 Prozent eintrete.

Alles klar, 8 Prozent sind auch kein Pappenstiel, wenn wir über Immobilienwerte sprechen und so gewinnt die Frage an Bedeutung, wer vom Podium eigentlich in der Nähe von Windkraftanlagen wohnt. Sarah Gerlach plagt die Autobahn und Benedikt M. Hummel versucht Mitleid mit der Nähe zum Tierheim zu erheischen. Wie jetzt? Ist das Görlitzer Tierheim nicht abgewickelt worden? Allgemeines Stimmengemurmel führt dazu, solchen Fragen nicht weiter nachzugehen.

Joker Klimawandel

Mit bedächtiger Wortwahl und dem Umstand, insgesamt wenig das Wort ergreifen zu brauchen, zog Kreisdezernent Thomas Rublack am Montagabend den Hauptgewinn. Er konnte sich im wesentlichen darauf beschränken, rechtliche Zusammenhänge darzulegen. Etwa, dass der Kreis als untere Emissionsschutzbehörde zuständig und vieles ja noch gar nicht klar sei. Der vollständige Antrag der Betreiber läge einfach noch nicht vor. Unbeliebter durfte sich da wieder Robert Knothe produzieren, der die tendenziell unangenehmen Zusammenhänge zu verkaufen hatte, für diese aber scheinbar die erwartete Überzeugung für die Sache einbrachte. So zog er in bedrängter Situation den Joker: „Der Klimawandel fällt uns sonst vor die Füße.“ Im Publikum stieß das nicht auf Resonanz, wohl aber die Bemerkung aus den Reihen: „Der Bürger soll Igel im Garten zählen und Pflänzchen für Bienen anlegen und Sie predigen vom Heiligtum der Windkraft.“

So richtig gerne hörte das Publikum auch nicht, dass die Sachbearbeiter alleinig nach den Verfahrensvorschriften entscheiden müssen und Antragsteller Anspruch auf eine Bearbeitung innerhalb von drei Monaten hätten. Zeitdimensionen, die man im Deutschland des Jahres 2025 unter Behördenbeteiligung eigentlich nicht mehr als Standard kennt. Der Klimamanager räumt ein, dass der Netzausbau derzeit nicht mit dem Anlagenbau Schritt halte, was den Zwischenruf heraufbeschwor: „Erst wird also der Sattel gekauft und dann das Pferd?“.

Den größten Aufreger des Abends dürfte die Klarstellung bedeutet haben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung erst bei mindestens 20 Neuanlagen absolviert werden müsse. Im Grunde drehe sich also alles um die Frage, ob der Betreiber die Auflagen erfüllen kann, die die Politik ihrem Lieblingskind Klimapolitik ausbreitet.

Dumm auch nur, dass das Konzept den Erhalt einiger Altanlagen vorsieht, während gleich daneben neue Großanlagen beantragt werden. Dass man mit Alt und Neu die Marke locker knackt tut nicht zu Sache! Zwischenruf: „Wie zu DDR-Zeiten“ und „Jetzt also doch 29 Windräder insgesamt.“ Dennoch kam es im Grunde nur zu einer Unbeherrschtheit, als in einem stillen Moment „von den vier Pappnasen da vorne“ aus dem Publikum zu hören war. Einen solchen Tonfall verwarte sich Bürgermeister Benedikt M. Hummel verständlicherweise.

...oder doch ein kleines Stück vom großen Kuchen?

Die Aussicht auf gewisse Anteile am schnöden Mammon weckt bei einigen Diskutanten dann doch zaghaft Neugier – wenn’s denn schon nicht zu verhindern ist – am in Aussicht gestellten Zaster.

Kommt der dann eigentlich der ganzen Stadt Görlitz zu Gute, ließe er sich auch anteilig auf unmittelbare Anwohner umlegen oder gibt es das ein oder andere Projekt im Ort, mit dem sich etwas gut Wetter machen lässt. Ortsvorsteher Thomas Teichert fallen zum Abschluss dann doch einige unschöne Immobilienlasten im Ort ein, denen eine Frischzellenkur gut anstünde. Ultraschall und geschreddertes Federvieh gegen frische Farbe und die ein oder andere neue Regenrinne?

Till Scholtz-Knobloch / 03.10.2025

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