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135 schmale Stufen bis zum Wow-Effekt

135 schmale Stufen bis zum Wow-Effekt

Türmerin Renate Peter empfängt wieder Besucher auf dem etwa 56 Meter hohen Reichenturm. Im Schnitt kommen 9.000 pro Jahr. Foto:RK

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Schlüsselübergabe über den Dächern von Bautzen: Baubürgermeisterin Juliane Naumann und Türmerin Renate Peter. Fotos: RK

Nach der Sanierung des Bautzener Reichenturmes haben zu Ostern erstmals seit Monaten Besucher die Aussichtsplattform erklimmen dürfen. Türmerin Renate Peter wartete bereits sehnsüchtig auf Neugierige.

Bautzen. Gründonnerstag. Es läutet hoch droben in der Türmerstube. Die Hausherrin greift in der Anwesenheit von Pressefotografen zu ihrem Glöckchen und schmunzelt. Ihre Gäste können kommen und es nach monatelanger Unterbrechung im Kassenschränkchen klingeln lassen. Ab sofort ist Bautzens „Schiefer“ wieder salonfähig. Schief deshalb, weil sich der Turm aufgrund seines tonnenschweren Gewichtes bis zur seiner Fundamentbefestigung in den 50er Jahren rund 1,40 Meter nach Nordwesten neigte.


„Bis zum 31. Oktober werde ich, ohne auch nur einen Ruhetag einzulegen, jeweils zwischen 10.00 und 17.00 Uhr die Turmtür offen halten“, erzählt die Bautzenerin. Sie ist inzwischen Mitte 60 und nicht immer fällt es ihr leicht, die schmalen Stufen empor- und hinabzusteigen. Die Kniegelenke haben einiges zu leisten in einem wie dem im 15. Jahrhundert errichteten Reichenturm. Im Herbst und Winter legt sie eine längere Pause ein. Dann wird es bei bis zu minus acht Grad Celsius doch recht frisch in der Türmerstube, spricht die Einzelunternehmerin aus Erfahrung.


In den vergangenen Monaten konnte sie sich ganz und gar auf ihr zweites Standbein konzentrieren – Führungen durch Bautzens Altstadt. Denn da gingen Handwerker die 135 Stufen rauf und runter. Sie erneuerten unter anderem Teile der Turmhaube und diverse Fenster. Seitdem zieht es in der Stube unter der Aussichtsplattform nicht mehr so doll, stellt die Türmerin recht schnell fest. Eine neue Küche und fließend Wasser sind weitere Errungenschaften. Wenige Meter über Renate Peter wurden die Geländer in Schuss gebracht. Ihr zu Füßen wiederum bekamen der Turmschaft und angrenzende Gebäude einen neuen Anstrich. Rund 380.000 Euro kostete die komplette Sanierungsmaßnahme. Zum Start in die neue Saison gab es von Baubürgermeisterin Juliane Naumann in 28 Metern Höhe einen symbolischen Goldenen Schlüssel. Schwer vorstellbar, dass hoch droben im Reichenturm einmal eine vierköpfige Familie gelebt haben soll. Doch Renate Peter kann sich noch gut an Erzählungen aus der Nachkriegszeit erinnern. Auf engem Raum wurden zwei Doppelstockbetten in eines der Zimmer gestellt. Der Blick über die Dächer der Spreestadt und auf das Umland waren sicherlich die beste Entschädigung für alle Strapazen.

So auch nach wie vor für die Türmerin. Den möchte sie auch weiterhin gern mit Schaulustigen aus nah und fern teilen. Allerdings fehlt ihr noch eine Kleinigkeit im Umfeld. Görlitz habe Bautzen mit dem Orgelspiel in der Peterskirche etwas voraus. „Wenn es zu Füßen des Reichenturmes ebenfalls eine mehrtägliche Attraktion gäbe, so denke ich, würden auch mehr Menschen zu uns in die Stadt finden“, meint eine Frau, die Erfahrung im Umgang mit Touristen hat und die weiß, was sie wollen. Das in der Vergangenheit ab und an praktizierte abendliche Dinner auf der Aussichtsplattform komme dabei jedoch nicht in Frage. Das sehe der Pachtvertrag auch nicht vor, erklärt Renate Peter. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sei solch ein Unterfangen nicht tragbar. Doch vielleicht kommt der Türmerin doch noch eine durchschlagende Idee, um im Herzen von Bautzen einen Erfolgsschlager zu platzieren. Den Wow-Effekt hat sie ja schon zu bieten – 135 Stufen über dem Kornmarkt.
 

Roland Kaiser / 24.04.2017

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