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Alte Görlitzer Inschriften (neu) entdeckt

Alte Görlitzer Inschriften (neu) entdeckt

Sabine Zinsmeyer von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften bei der Arbeit. Foto: Görlitzer Sammlungen

Mit den ersten Sonnenstrahlen streifen sie wieder umher – die Forscher der sächsischen Inschriftenarbeitsstelle – bewaffnet mit Zollstock, Taschenlampe und Notizblock.

Görlitz. Seit Beginn 2017 drehen sie auf der Suche nach Inschriften in Görlitz buchstäblich jeden Stein um. Zu Tage kommen dabei Schätze, die zwar nicht aus Gold, aber dafür von großem historischen Interesse sind. „Die Inschriften der Stadt Görlitz“ sind ein Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, angesiedelt an deren Arbeitsstelle in Dresden. Es gehört zum Gesamtunternehmen „Die Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“, dem sechs Wissenschaftsakademien in Deutschland und die Österreichische Akademie der Wissenschaften angehören und das in Deutschland, Österreich sowie dem deutschsprachigen Südtirol in Italien bereits seit mehr als vierzig Jahren deutschsprachige und lateinische Inschriften sammelt und ediert. Zeitlich erstreckt sich die Inschriftenerfassung vom Mittelalter bis zum Jahr 1650.

Bis 2021 soll das Buch der Görlitzer Inschriften vorliegen – eine wissenschaftliche Publikation, die nicht nur die Inschriften abdruckt, sondern diese auch kommentiert, einordnet und illustriert. Zwei Jahre später wird der Inhalt des Bandes über die Internetplattform „Deutsche Inschriften Online“ (www.inschriften.net) kostenfrei zugängig – Stadtgeschichte per Mausklick erfahrbar gemacht!

Was aber genau sind ‚Inschriften‘ und wie kann man sich die Arbeit mit ihnen vorstellen?

Inschriften sind Texte oder Ziffern, die außerhalb einer Schreibstube oder Kanzlei entstanden. Die Urheber sind in der Regel Künstler oder Handwerker. Materialien und Herstellungstechniken können dabei sehr verschieden sein: So gibt es Inschriften auf Grabdenkmälern, Häusern und Gemälden, genauso wie auf Waffen, Schüsseln oder Schmuck. Sie zeigen den Besitzer an, geben Auskunft über politische Umstände, nennen das Entstehungsjahr und vieles mehr. Jede Inschrift ist ein einzigartiges historisches Zeugnis. Und genau deshalb ist es so wichtig, die Inschriften nicht nur in ihrer Materialität, sondern auch nach ihrem Inhalt dauerhaft zu bewahren.
Bei der Suche nach Inschriften beginnen die Epigrafiker (oder Inschriftenforscher) mit der Sichtung der Literatur. Recherchen in Bibliotheken und Archiven schließen sich an. Eine auf diese Weise erstellte Liste dient vor Ort als Hilfsmittel. Nicht selten wird dann festgestellt, dass die Objekte ihren Standort gewechselt haben oder gar verloren sind. Dann bleiben schriftlich überlieferte Nachrichten, manchmal auch Bilder die einzigen Informationen über sie. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: Gerade in Görlitz, wo seit der Wende viele Gebäude saniert und restauriert wurden, tauchten unter modernem Putz oder Tapeten oft völlig unverhofft noch unbekannte Wandaufschriften auf. Dann gleicht die Arbeit einer wahren Schatzsuche! Ist das gesuchte Objekt gefunden, werden Inschrift und Inschriftenträger gemessen und fotografiert, der Text transkribiert (d. h. punktgenau abgeschrieben) und Notizen über den Erhaltungszustand gemacht. Im Büro erfolgt dann die Entschlüsselung: Abkürzungen werden aufgelöst, Übersetzungen angefertigt und historische Bezüge aufgespürt.

Welche Inschriften gibt es in Görlitz?

Görlitz hat einen großen Inschriftenbestand: 550 Inschriften sind nun bekannt und davon etwa 250 erhalten. Allein an der Nikolaikirche und auf ihrem Friedhof haben sich 80 Grabplatten und Epitaphe aus der Zeit vor 1650 erhalten. Das ist ungewöhnlich, sind diese Denkmale doch Regen und Wind schutzlos ausgesetzt. Wertvolle ‚mobile‘ Inschriften bewahrt das Kulturhistorische Museum Görlitz auf. Dazu zählen Schätze des Rates wie das Portrait Kaiser Sigismunds (um 1450), das im Kaisertrutz zu bestaunen ist, oder der Druckstock der ältesten Görlitzer Stadtansicht von Joseph Metzker und Georg Scharfenberg (1565). Besonders sind aber auch die Inschriften in und an Wohnhäusern: Beschriftungen auf Wandgemälden (Untermarkt 5) und in Treppenhäusern (Obermarkt 28) sowie zahlreiche eingehauene oder gemalte Jahreszahlen (Nikolaigraben 5, Brüderstraße 16 etc.). Die höchstgelegene Inschrift der Stadt befindet sich am Rathausturm und die östlichste der Bundesrepublik Deutschland ist am Wehr bei der Mühle eingemauert. Da oftmals nicht bekannt ist, wo Inschriften in den Innenräumen erhalten sind, sind die Forscher auf jede Unterstützung angewiesen. Mieter oder Besitzer einer Wohnung in der Altstadt werden daher gebeten, in Innenräumen gefundene Jahreszahlen, Sprüche oder einzelne Buchstaben den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur – Kulturhistorisches Museum – Neißstraße 29, Tel.: 03581/67-1691 mitzuteilen.

Führung am 26. Juli

Am 26. Juli, 17:00 Uhr, kann man Sabine Zinsmeyer nun auf einem Inschriftenspaziergang „Auf den Spuren Hans Frenzels“ durch Görlitz begleiten. Hans Frenzel (1463-1526) war anfangs war ein armer Mann und lebte auf Kredit. Doch er investierte das geliehene Geld in den Handel mit Tuchen und Leder, war aber auch Bierbrauer erfolgreich. So gelang es ihm, ein großes Vermögen aufzubauen, was ihm den Beinamen „der Reiche“ einbrachte. Als Bauherr und Stifter hat Hans Frenzel steinerne Zeugnisse geschaffen, in denen er sich verewigt hat. Treffpunkt ist das Barockhaus Neißstraße 30. Die Teilnahme kostet 5 Euro.

Redaktion / 24.07.2018

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