Am Arsch der Welt lässt es sich gut leben
Arielle Kohlschmidt und Jan Hufenbach sind oft mit ihrer „Raumpionierstation“ unterwegs, um für das Landleben zu werben.
Die Raumpioniere aus dem Neißeland wollen mit ihrem „Zukunftskino“ den Beweis für diese These erbringen. Das begeistert sogar ein sächsisches Ministerium.
Region. Am Arsch der Welt zu leben – das klingt erst einmal nicht besonders verheißungsvoll. Am Arsch der Welt liegt auch Klein Jasedow, das man selbst für vorpommersche Verhältnisse als abgeschieden bezeichnen kann. Und doch gibt es Menschen, die gern am Arsch der Welt leben. Dazu zählt auch eine Gruppe von 16 Schweizern, die sich in Klein Jasedow verliebt und dort niedergelassen haben. Selbst ein Film erzählt davon: Er heißt – wenig überraschend – „Die Siedler am Arsch der Welt.“ Am 15. November wird der Streifen erstmals in der Oberlausitz zu sehen sein, genauer gesagt im Lebens-Gut Pommritz in der Gemeinde Hochkirch. Dies ist der Initiative von Arielle Kohlschmidt und Jan Hufenbach zu verdanken, die in Klein Priebus in der Gemeinde Krauschwitz das Projekt „Raumpioniere“ ins Leben gerufen haben. Unterstützt wird dieser besondere Filmabend unter dem Motto „Zukunftskino“ mit circa 5.000 Euro aus dem erstmals aufgelegten Kleinprojektefonds des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.
„Der Film ist für uns so wichtig, weil er quasi unsere eigene Geschichte erzählt“, erklärt Jan Hufenbach. Denn: Auch er kam einst aus dem Nabel der Welt an deren Arsch, um bei dem eingangs gezeichneten Bild zu bleiben. „Ich habe in der Unternehmensberatung gearbeitet, war in der ganzen Welt unterwegs, habe im Berliner Allianz-Tower gesessen und gutes Geld verdient“, berichtet er. Dann lernte er Arielle Kohlschmidt kennen, ebenfalls eine Berlinerin, die kurz zuvor ein Haus in Klein Priebus gekauft hatte. Es hätte genauso gut auch Steinbach, Ungunst oder Neusorge sein können. „Wir fanden zusammen, beruflich wie auch privat“, ist der Beginn der Geschichte im Jahre 2009 schnell erzählt. Beide gründeten die Agentur Blendwerck, realisierten Projekte in den Bereichen Marketing und Kommunikation und merkten, dass das auch „am Arsch der Welt“ – sorry, das war jetzt das letzte Mal – problemlos möglich ist.
Außer der Ähnlichkeit des Werdegangs gibt es aber noch eine weitere Verbindung zwischen den Schweizern von Klein Jasedow und den Berlinern von der Neiße. Diese besteht in der Person von Johannes Heimrath, der das Siedlungsprojekt in Vorpommern mitinitiierte.
Dieser ist eng mit dem Bürgermeister der Gemeinde Nebelschütz, Thomas Zschornak, befreundet und berät ihn bereits seit vielen Jahren in Sachen Dorfentwicklung. Und das nicht ganz ohne Erfolg: Die Preise, die die Gemeinde vor den Toren von Kamenz für ihre oft unorthodoxen Ideen eingesammelt hat, füllen bereits das gesamte Dienstzimmer des Bürgermeisters aus. Und wer nach Nebelschütz ziehen will, muss sich in eine Warteliste eintragen – so zumindest wird es kolportiert. Johannes Heimrath und Thomas Zschornak werden auch am 15. November in Pommritz zu Gast sein, wenn die Raumpioniere zum „Zukunftskino“ einladen. „Wir haben uns für diesen kleinen Ort entschieden, weil er gut mit dem Zug zu erreichen ist und weil das dortige Lebens-Gut auf einer ähnlichen Vision beruht“, erklärt Arielle Kohlschmidt. Neben den genannten Personen wollen auch der Zittauer Soziologieprofessor Raj Kollmorgen und die Publizistin Lara Mallien, die ebenfalls zu den Protagonisten von Klein Jasedow zählt, mit den Besuchern ins Gespräch kommen. Arielle Kohlschmidt wünscht sich, dass möglichst viele Verantwortungsträger aus Oberlausitzer Kommunen dazu gehören mögen, denn: „Es soll darum gehen, wie sich die Städte und Gemeinden im extrem ländlichen Raum besser für die Zukunft rüsten können.“ Die ja – glaubt man Wirtschaftswissenschaftlern wie dem Halleschen Professor Reint Groop – nur noch in der Abwanderung bestehen kann. Arielle Kohlschmidt und Jan Hufenbach wollen mithilfe ihres inzwischen ausgedehnten Netzwerks genau das Gegenteil erreichen, nämlich Zuwanderung.