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Bautzen diskutiert über möglichen Wiederaufbau des Reichentores

Bautzen diskutiert über möglichen Wiederaufbau des Reichentores

Mike Hauschild mit einer historischen Aufnahme vom Reichentor: Wie viele Bautzener spricht auch er sich für dessen Wiederaufbau aus. Foto: RK

Bautzen. Seit einem Vorstoß der FDP diskutiert die Spreestadt die Frage, ob sie ihr Reichentor zurückerhalten soll. Schon monatelang beschäftigt sich die Fraktion intensiv mit diesem Gedanken. „Die Stadtverwaltung bestätigte unser Ansinnen, den Kornmarkt grundsätzlich zu überdenken und umzugestalten, als richtig“, meint Mike Hauschild, der auch weiterhin die Interessen der Liberalen im Stadtrat vertreten wird. „Das Reichentor betrachten wir dabei als perfekten Abschluss des Ganzen.“ Ein bereits im März eingereichter Antrag sieht ausdrücklich vor, dass ein privater Investor die Errichtung eines solchen Gebäudes verwirklicht. „Allerdings kann sich Baubürgermeisterin Juliane Naumann nicht recht vorstellen, wie es aussehen soll, damit es sich in die Gesamterscheinung der Stadtansicht einfügt“, meint der Freidemokrat. Der Kornmarkt in seiner aktuellen Gestaltung sei zwar sehr funktional, aber auch sehr nüchtern und kein sympathischer Platz am Rande des historischen Zentrums. Die baulichen Probleme wie Undichtigkeiten in die darunterliegende Tiefgarage oder die ständig zu reparierende Steinplattenoberfläche seien zudem hinlänglich bekannt. Mike Hauschild: „Die weißen Platten sind bei Sonnenschein nur mit Sonnenbrille zu ertragen.“ 

Um vor diesem Hintergrund die Attraktivität des Platzes zu steigern und den Bürgern ein neues Wohlfühlareal zu geben, ist es nach Ansicht der Liberalen notwendig, die Gestaltung des Areals und der angrenzenden Gebäude unvoreingenommen und mutig zu betrachten. Ziel sei es, nicht nur einen historischen Zustand wieder herzustellen. Es biete sich vielmehr die Chance, die Moderne mit traditionellen Strukturen zu kombinieren. „Ein entsprechender Beschluss soll die Grundlagen schaffen, um über Visionen und Gestaltungsmöglichkeiten mit der Bürgerschaft zu diskutieren“, betont Mike Hauschild. Im Reichentor kann er sich unter anderem die Etablierung eines Cafés vorstellen, das in luftiger Höhe über eine Terrasse verfügt.

Indes stehen andere Stadtratsfraktionen dem Vorstoß recht kritisch gegenüber. „Der Wiederaufbau des Reichentores ist nicht mehr als eine Wahlkampfidee der FDP“, meint beispielsweise Claus Gruhl von den Bündnisgrünen. „Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Alternativen für den Kornmarkt sind meines Wissens nicht in Planung und angesichts zahlreicher anderer offener Projekte in der Stadt momentan auch nicht angebracht.“ Dirk Lübke zufolge, der bei der Kommunalwahl erneut ein CDU-Mandat erlangte, machen sich viele Stadträte und auch die Verwaltung selbst Gedanken über eine Aufwertung und Neugestaltung des Kornmarktes. Ein Reichentor bezeichnet er ebenso als „Wahlkampf-Gag“ der Freidemokraten. Parteifreund Karsten Vogt sieht das Ganze so: „Bautzen muss momentan nicht über die Umgestaltung des Kornmarktes nachdenken, sondern über die Umsetzung der beiden vorliegenden Marketing-Studien bezüglich der Stadt. Der Kornmarkt in seiner jetzigen Bauweise erfüllt jene Ansprüche, die an den Platz erhoben werden. Beim Marketing trifft dies nicht zu. Die im Mai-Stadtrat vorgestellte Marketing-Studie der ift-GmbH aus Potsdam hat der Stadtverwaltung und dem Stadtrat dringend empfohlen, unter anderem eine zweijährige Image-Kampagne für Bautzen starten. Allein dafür müssen wir 400.000 Euro einkalkulieren. Das wäre gut investiertes Geld. Während andere vergleichbare Städte bei Ankünften und Übernachtungen in den vergangenen sechs Jahren zum Teil erhebliche Steigerungen verbuchen und damit ihre Einnahmen steigern konnten, stagniert die Entwicklung in Bautzen in diesem Punkt. Hier leiden wir durchaus noch immer an den Imageschäden, die die Kommune erleiden musste. Diese sind jedoch nicht auf die architektonische Gestaltung des Kornmarktes zurückzuführen. Für die Entwicklung von Bautzen ist das Stadtmarketing dringlichst neu zu gestalten. Diese Priorität besitzt die Umgestaltung des Kornmarktes nicht.“

Der Chef des Bautzener Tourismusvereins, Dietmar Stange, warnt indes davor, den Realitätssinn zu verlieren: „Als alter Bautzener würde ich mich freuen, wenn unserer Altstadt ein historisches Bauwerk zurück-gegeben würde. Jedoch warten in der Zwischenzeit zu viele Projekte auf eine Entscheidung und Realisierung. Im Fall des Kornmarktes könnten schon mit relativ überschaubaren Mitteln Gestaltung und Nutzung verbessert werden.“ Die zunehmende Belebung des Platzes in den vergangenen Jahren verfolge der Tourismusverein genau. Er habe dazu selbst Vorschläge eingebracht. Immerhin sei der Kornmarkt ein wichtiger Ort in Bautzen, den es zu entwickeln gilt. Dann werde das nicht gerade positiv besetzte Wort „Platte“ auch bald aus dem Sprachgebrauch verschwinden.

Parteiübergreifend besteht indes Einigkeit darüber, von einer Videoüberwachung des Areals Abstand zu nehmen. Über eine solche war nach den Ausschreitungen im Herbst 2016 und mehreren Polizeieinsätzen hin und wieder diskutiert worden. „Nach unserer Wahrnehmung hat sich das Geschehen mit der anhaltenden Polizeipräsenz an andere Orte verlagert“, meint Mike Hauschild. Rathaussprecherin Laura Ziegler fügt hinzu: „Die Maßnahmen, die als Antwort auf die Spannungen eingeleitet wurden, haben die beabsichtigte Wirkung erzielt. Dazu gehören beispielsweise die zeitweise verstärkte Präsenz der Polizei auf dem Kornmarkt oder die Arbeit der Streetworker. Dass es regelmäßige Zusammenkünfte von Akteuren wie Polizei, Stadtverwaltung und Streetworkern gibt, erwies sich ebenso als ein richtiger Schritt. Infolgedessen hat sich die Situation positiv entwickelt.“ Trotz des novellierten Polizeigesetzes gäbe es bezogen auf ein Alkoholverbot und eine Videoüberwachung des Platzes aktuell keine Überlegungen. 

Zurück zum Reichentor: Was dieses anbelangt, will der FDP-Mann noch längst nicht alle Hoffnung völlig begraben. Wer in Bautzen etwas voranbringen will, müsse sich einer Sache bewusst sein: „Hier wird jede neue Idee zunächst belächelt, dann kritisch hinterfragt und wenn es zu spät scheint, bewegt sich eventuell doch etwas. Momentan befinden wir uns in Phase eins und zwei.“ In gut einem halben Jahr, so sagt er, möchte er gern einen weiteren Anlauf im Stadtrat starten. Die Verwaltung hingegen geht davon aus, dass nach dem Stadtratsbeschluss im April die Angelegenheit nicht weiter verfolgt wird. Damals wurde ein entsprechender FDP-Antrag mit 21 Nein-Stimmen abgelehnt. Es gab jedoch auch vier Ja-Stimmen und zwei Stimmenthaltungen. „Die Stadtverwaltung arbeitet ständig daran, die Attraktivität des Kornmarktes weiter zu steigern“, betont Laura Ziegler. „Eine Aufwertung des Platzes ist jedoch nur im Bestand möglich. In den vergangenen zwei Jahren hat die Stadtverwaltung unterschiedliche Initiativen ergriffen, um die Aufenthaltsqualität in diesem Rahmen zu verbessern. Als Beispiel ist die veränderte Bepflanzung zu nennen. Damit der Ort zum Verweilen einlädt, wurden außerdem Spielmöglichkeiten geschaffen. Nachdem 2017 zwei Schachfelder aufgebracht wurden, kam im letzten Jahr ein Kletterglobus für Kinder ab fünf Jahren hinzu. Weitere Maßnahmen sind geplant, beispielsweise im Pflanzbereich. Auch die Ausstattung mit Sitzgelegenheiten soll weiter verbessert werden.“

Hintergrund: Laut einem Wikipedia-Eintrag bestand das Reichentor zu seiner Zeit aus vier hintereinander liegenden, gotischen Torbögen und dem Mauerrondell. Es wurde 1837 weitgehend abgerissen. Nur der innere Bogen blieb als Rundbogen erhalten. 1968 wurde die Fernverkehrsstraße F 6 wegen des Baus eines Hochhauses am Kornmarkt für einige Jahre auf die Reichenstraße verlegt, sodass auch der letzte Bogen dem Verkehr weichen musste. Seitdem hegt der eine oder andere Bautzener den Wunsch nach einem Wiederaufbau, was sich aufgrund einer nachträglich errichteten Tiefgarage jedoch als kein leichtes Unterfangen herausstellen dürfte.

Roland Kaiser / 16.06.2019

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Kommentare zum Artikel "Bautzen diskutiert über möglichen Wiederaufbau des Reichentores"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Erhard Jakob schrieb am

    Ganz sicher haben wir viele Sorgen. Aber darum geht es doch gar nicht. Hier geht es um die Neu-Gestaltung des Korn-Marktes. Wenn dieser neu gestaltet wird, wäre das schon eine gute Sache.

    Wie er neu gestaltet werden sollte, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ob sich hier ein >Reichen-Tor< als ein prima Blickfang einfügen lässt oder nicht, ist sich Geschmacksache. Es kommt auf den jeweiligen Vorschlag an.

    Zur Zeit würde ich mich weder >für noch gegen< eines solches >Stadt-Tores< stark machen.

  2. Stadtgeflüster schrieb am

    Die FDP müsste sich mal fragen, warum sie nur mit 2 Vertretern im Stadtrat saß und sitzt. Offenbar haben die Ideen und Vorschläge der FDP-Strategen bisher nicht den Nerv der Bautzener getroffen.

    Was bitte soll sich für die Stadt durch einen Wiederaufbau verbessern? Fühlt sich eine junge Familie tatsächlich wohler in der Stadt, wenn sie einmal in der Woche durch dieses Portal schreiten kann? Bleiben die jungen Menschen hier und flüchten nicht hin zu den Leuchtturmregionen, wenn es dieses Tor wieder gibt? Kommt auch nur ein Tourist länger nach Bautzen, weil hier ein Reichentor steht? Steigen die Einnahmen und Steuern für die Stadt, durch einen Wiederaufbau?

    Wo soll bitte der Vorteil des Wiederaufbaus liegen? Bisher habe ich keine greifenden Argumente dafür empfangen. Haben wir denn wirklich keine anderen Sorgen????

  3. Erhard Jakob schrieb am

    Einer >Neu-Gestaltung< des Korn-Marktes würde ich mir auch wünschen. Ob ein Reichen-Tor ein Teil der Neu-Gestaltung werden sollte, weiß ich nicht. Hierzu sollte eine allgemeine Befragung der Bautzener und ihrer Gäste Auskunft geben. Doch dazu müsste auf Plakaten ein Vorschlag (oder mehrere) unterbreitet werden. Gegenwärtig ist der Kornmarkt kein Volltreffer!

  4. Hardren schrieb am

    Hier wird wieder viel Blabla veranstaltet und am Ende wieder nichts passieren. Dafür werden lieber andere Projekte ausgeheckt, wie zum Beispiel die Hängebrücke über das Spreetal, welche dauerhaft mehr Kosten verursachen werden, als einen messbaren Nutzen für Bautzen zu bringen.

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