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Die Pandemie ist eine Charakterfrage

Die Pandemie ist eine Charakterfrage

Auch in Görlitz kommt es zunehmend zu Protesten gegen den Umgang mit der Pandemie. Am 18. Mai zogen etwa 150 Görlitzer durch die Innenstadt. Foto: Matthias Wehnert

Görlitz/Mainz. Der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat davor gewarnt, dass Rechtsextreme Proteste gegen die Corona-Einschränkungen instrumentalisieren könnten. Das mag sein, wenngleich die Warnung vor allem von den Journalisten gerne aufgegriffen wird, die bislang bei allen möglichen Anlässen freudig kommentierten, dass hier- oder dafür „ein breites gesellschaftliches Bündnis“ auszumachen sei, auch wenn Gewerkschaften, Politik und Kirchen gegen Anarcho- oder Antifasymbole in ihrem Protestumfeld keine Einwendungen erhoben. Die Warnung jetzt geht jedenfalls trotz vermeintlicher Unabhängigkeit der Judikative Hand in Hand mit Regierungsverlautbarungen, die mit immer höherer Schlagzahl in der Coronakrise vor Verschwörungstheoretikern warnen.

Bei Marietta Slomka im Heute Journal landen dann Impfgegner oder Menschen, die fragen, welche Rolle die WHO in Abhängigkeit großer Pharmakonzerne spielt auf einmal in einem Atemzug in einer Aufzählung mit solchen Zeitgenossen, die Corona als Produkt außerirdischer Besucher deuten. Noch vor 10 Jahren landeten solche Sätze journalistisch legitim in Kommentaren, heute sind sie Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung! Fertig ist die Suggestion, dass es eine gute, eine verantwortungsvolle Seite und eine „krude“ Seite der Irregeführten gäbe. Wo also wird subtil gehetzt?

Ich selbst kann mich mit den derzeitigen Protesten gegen die Coronapolitik nicht anfreunden. Wenn schon Experten sich nicht über Gefahren einig sind, wie soll ich mir ohne Fachkenntnisse ein ausgewogenes Urteil bilden? Wenn man aber beobachten kann, dass jeder echte Verschwörungstheoretiker das schönste Geschenk ist, um ein bestimmtes Handeln als alternativlos darzustellen, dann muss man sich nicht wundern, wenn sich nun wieder ein neues Klientel auftut, mit dem man nicht wirklich diskutieren will, sondern dem man erneut einen fertigen Stempel aufdrückt. Corona offenbart also vor allem den Charakter derer, die das Virus so deuten, um im bewährten Schema lästige Erklärungsnöte einfach abzustreifen.

Till Scholtz-Knobloch / 25.05.2020

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Kommentare zum Artikel "Die Pandemie ist eine Charakterfrage"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Mili schrieb am

    Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf und ist gut recherchiert.

    Besonders beschämend finde ich hingegen die Artikel der Sächsischen (SPD eigenen) Zeitung deren Chefredakteur mit Abstand beobachtet u. daher genau weiß, wer bei den Demos zugegen ist und was gesagt wurde, aber anschließend völlig Unzutreffendes berichtet.

    Kommentar der Redaktion:

    Die Sächsische Zeitung gehört zu 60 Prozent zum Medienkonzern Gruner + Jahr und zu 40 Prozent der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft, einem Medienbeteiligungsunternehmen der SPD. Quelle: Wikipedia

  2. Erhard Jakob schrieb am

    Die Presse ist nicht zuletzt eine *Gewalt* bei der Meinungsbildung und der Erzeugung der Stimmung in der Bevölkerung. Insbesondere, wenn sich die Vierte Gewalt auf eine Seite stellt, erzeugt sie Wut und Hass auf der anderen Seite.

    Wenn Verschwörungs-Theoretiker Corona klein und die Praktiker Corona groß reden, dann sollte die unparteiische Presse neutral bleiben und über beide berichten.

    Wenn die Medien eine Seite totschweigt und dafür die andere Seite doppelt so laut schreien lässt, wird in der Bevölkerung die Wut auf die Presse
    und den Staat doppelt so groß!

  3. micha schrieb am

    Sehr gut beobachtet!

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