Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Die Rinderzüchterin als Modell im Viehstall

Die Rinderzüchterin  als Modell im Viehstall

Lieselotte Weihrauch stand vor 42 Jahren im Landwirtschaftsbetrieb Modell für das Bild von Karl Wolfgang Weber „In der Jungrinderanlage Bertsdorf.“ Foto: Steffen Linke

Alternativer Text Infobild

Karl Wolfgang Weber fertigte vor Ort detaillierte Pastellstudien an, um auch die räumliche Situation in der Jungrinderanlage zu erfassen. â‹ŒFoto: Steffen Linke

Der Zittauer Maler Karl Wolfgang Weber präsentiert derzeit in der Sonderausstellung „Landschaft und Landwirtschaft“ im Dorfmuseum Eckartsberg circa 25 Bilder – vorrangig Landschaften aus der Heimat und figürliche Darstellungen aus der Landwirtschaft. Das 1,58 Meter breite und 95 Zentimeter hohe Kunstwerk Öl auf Hartfaserplatte „In der Jungrinderanlage Bertsdorf“ entstand dabei im Jahr 1978. Die Rinderzüchterin Lieselotte Weihrauch aus Eichgraben stand zu jener Zeit dafür Modell. 

Eckartsberg/Eichgraben/Zittau. Auf dem Bild kontrolliert die damals 30-Jährige die gelben Ohrmarken der Rinder in den Boxen. Sie trägt bei ihrer alltäglichen Arbeit eine Latzhose, eine Arbeitsbluse und Stiefel. Für den damals 28 Jahre jungen Karl Wolfgang Weber, Absolvent der Leipziger Kunsthochschule, handelte es sich dabei um ein Auftragswerk des Chefs der Jungrinderanlage in Bertsdorf, Dr. Wolfgang Glös. „Das war eine anspruchsvolle Arbeit mit einer figürlichen Darstellung, um den menschlichen Arbeitsprozess in der Landwirtschaft darzustellen. Das Bild sollte nicht plakativ oder gestellt, sondern wie aus dem Leben gegriffen wirken“, sagt der heute 69-jährige Künstler. 

Lieselotte Weihrauch war für diesen Stall zuständig und hat sich deshalb gleich als Modell zur Verfügung gestellt. „Das war für mich eine einmalige Erfahrung in meinem Leben, die mir sehr viel Spaß gemacht hat“, erinnert sie sich. Karl Wolfgang Weber fertigte vor Ort detaillierte Pastellstudien an, um auch die räumliche Situation im landwirtschaftlichen Betrieb zu erfassen. Der Geruch sei schon gewöhnungsbedürftig gewesen. „Natürlich haben wir damals auch Gespräche geführt, um den richtigen Ausschnitt in der Jungrinderanlage mit typischen Aussagen zu zeichnen“, berichtet er. Um sie auf das große Originalformat zu bringen, lud der Maler die Rinderzüchterin zweimal circa ein, zwei Stunden in sein Atelier ein, um Modell zu stehen – in der gleichen Position wie auf Arbeit. Karl Wolfgang Weber vermag nicht zu sagen, wie viel Zeit dieses Bild exakt in Anspruch genommen hat. Bei solch einem „Prozess“ muss unter anderem die Farbe trocknen und das Kunstwerk mit einem gewissen zeitlichen Abstand auch der eigenen Kritik standhalten. 

Lieselotte Weihrauch hat sich von 1976 bis zur politischen Wende in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb um die Rundumversorgung einer Vielzahl von Rindern gekümmert. Die Arbeit hat ihr Spaß gemacht. „Ich kam ja aus diesem Metier“, erzählt sie. Das Kunstwerk mit ihr schmückte den Speiseraum der Jungrinderanlage in Bertsdorf. 
Über Kontakte zur Agrargenossenschaft Bertsdorf-Olbersdorf e.G. trafen sich Karl Wolfgang Weber und Lieselotte Weihrauch nach sage und schreibe 42 Jahren, nachdem die Rinderzüchterin für das Bild „In der Jungrinderanlage Bertsdorf“ Modell gestanden hatte, wieder. „Wie doch die Zeit vergangenen ist“, sagten die beiden bei ihrem Wiedersehen. 

Das Kunstwerk befindet sich auch nach so vielen Jahren in einem unverändert guten Zustand und stellt ein Stück heimischer Landwirtschaftsgeschichte dar. Neben diesem Bild präsentiert Karl Wolfgang Weber in der Sonderausstellung „Landschaft und Landwirtschaft“ im Dorfmuseum Eckartsberg unter anderem auch die Leihgaben aus seinem Schaffen „Der Melker“ und „Die Gärtnerin im Gewächshaus“. „Gern hätte ich dort auch noch das Bild ,Die Schafherde in Bertsdorf’ ausgestellt“, betont er. Trotz aufwendiger Recherchen seinerseits bleibt dieses Kunstwerk bis heute verschollen. 

Übrigens: Lieselotte Weihrauch hat sich das Bild mit ihr schon zur Eröffnung der Sonderausstellung im Dorfmuseum Eckartsberg angesehen. Die Öffnungszeiten der Exposition – am Sonntag 27. September, am Sonntag, 4. Oktober, und am Sonntag, 25. Oktober, jeweils von 14.00 bis 17.00 Uhr. 

Steffen Linke / 28.09.2020

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel