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Ein Extra-Sommertheater für Seh- und Hörgeschädigte

Ein Extra-Sommertheater für Seh- und Hörgeschädigte

Die blinden- und sehschwachen Menschen ertasten das Bühnenbild und die Fahrzeuge der Olsenbande.

Bautzen. Der 21. Bautzener Theatersommer neigt sich dem Ende entgegen. Am Sonntag lassen es Egon, Benny und Kjeld zum letzten Mal krachen. 36.963 Besucher werden „Die Olsenbande und der große Hintermann“ dann mit viel Spaß gesehen haben. Doch nicht alle konnten sehen und hören.

Das Deutsch-Sorbische Volkstheater hat extra für seh- und hörgeschädigte Menschen zwei Einführungen veranstaltet, bei denen das Stück bis ins kleinste Detail erklärt wurde und besonders die Blinden und Sehschwachen auch auf Tuchfühlung gehen und sich die Bühne selbst ertasten konnten.

Traditionell findet zum Theatersommer eine Stückeinführung für den Blinden- und Sehschwachen-Verband statt. Dramaturgin Eveline Günther erklärt nicht nur Hintergründe und Wissenswertes zum Stück, sondern auch Besonderheiten des Bühnenbilds und der Kostüme. Organisiert wird alles vom Blinden- und Sehschwachen-Verband und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater. Christian Noack, selbst sehbehindert, ist seit vielen Jahren im Vorstand des Vereins und die gute Seele. Durch seine Begeisterung für das Theater kam er auf die Idee, für seine Vereinsfreunde Theaterausflüge zu organisieren. „Irgendwann saß ich einmal mit meiner Tochter in der ersten Reihe und wir sahen, besser sie sah sich ein Stück an.

Doch durch die gute Beschreibung meiner Tochter konnte ich das Stück ohne Lücken verfolgen. Da kam mir die Idee für eine Stückeinführung für meine Leidensgefährten“, erzählt Christian Noack. Gemeinsam mit der Leiterin des Besucherservices, Brigitte Zimmermann, und der Chef-Dramaturgin des Theaters, Eveline Günther, haben wir sie dann in die Tat umgesetzt. Seit der Spielzeit 2008 gibt es nun diese Einführungen zu besonderen Aufführungen im Haupthaus und im Burgtheater, auch für sehende Theaterbesucher, und ab 2010 für Gehörlose und Hörbehinderte.

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Hörgeschädigte und gehörlose Menschen klatschen, indem sie mit den Händen winken. | Foto: Simmy Marwitz

Für Inhalt und Wissenswertes ist Eveline Günther verantwortlich. Mit viel Einfühlungsvermögen beschreibt sie nun die Geschichte der Olsenbande, die Figuren, die Bühnenbilder und die Kostüme. Danach erzählt sie detailgetreu die Inszenierung. Witzig verpackt verrät sie kleine Feinheiten, zum Beispiel, wie Egon an seiner Zigarre nuckelt, den hüpfenden Gang des schlaksigen Benny, wie zittrig Dynamit-Harry eine Bombe baut oder die pantomimischen Bewegungen des grell bekleideten Sportlehrers, die das Publikum zum Grölen bringen.

Da dieses Jahr im Stück auch Fahrzeuge aller Art beteiligt sind, ist es auch selbstverständlich, dass die Blinden- und Sehbehinderten die Chance bekommen, diese zu ertasten. „Es ist schon erstaunlich, wie groß oder lang die Autos sind, die sich quietschend so manche Verfolgungsjagd im engen Innenhof der Ortenburg liefern. Da erfährt man erst die Relationen. Für uns ist die Einführung sehr wichtig, damit auch wir dem Stück folgen können“, sagt Christian Noack.

Am Ende der Einführung beantwortete Eveline Günther geduldig alle Fragen und wurde dafür mit echt Dänischen Butterkeksen vom Blinden- und Sehschwachen- Verband belohnt. Die Dankbarkeit aller Anwesenden war deutlich zu spüren, denn auch wenn die Chefdramaturgin nicht alles verraten hat, konnten sie sich ihr eigenes Bild vom Stück machen. Die Vorstellung für hörgeschädigte und gehörlose Menschen läuft etwas anders ab. Auch da bekommen die Besucher eine extra Einführung. „Wir haben zwei Gebärdendolmetscherinnen, zuerst für meine Einführung, und dann für die Vorstellung. Dabei sitzen die Hörgeschädigten relativ geschlossen in einem Block, und die Dolmetscherinnen übersetzen ihnen zugewandt abwechselnd die Dialoge in Gebärdensprache.

Sie bereiten sich immer gründlich darauf vor, bekommen zum Beispiel von uns das Textbuch sehr zeitig und sehen sich auch im Vorfeld schon die Inszenierung an. Das Ganze ist immer recht spektakulär, denn die anderen Zuschauer erleben das ja auch mit“, erklärt Eveline Günther. Im Schnitt zweimal jährlich bietet das Deutsch-Sorbische Volkstheater in seinen festen Häusern auch Stücke mit Audiodeskription an, bei denen die Dramaturgin den Blinden und Sehbehinderten die Bildbeschreibung über Kopfhörer liefert.Christian Noack weiß, wie begeistert die Menschen mit Seh- und Hörschwächen diese spezielle Dienstleistung des Bautzener Theaters annehmen, weil auch ihnen damit der Spaß am Theatersommer ermöglicht wird. Aus gesundheitlichen Gründen zieht sich der 61-Jährige nun aus dem Vorstand des Blinden- und Sehschwachen-Verbandes zurück, wird aber dem Bautzener Theater die Treue halten.

Cornelia Fulk / 15.07.2016

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