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Ein Intensivtäter und die Folgen

Ein Intensivtäter und die Folgen

Die völkisch orientierte „Identitäre Bewegung“ hielt während des Bautzener Frühlings auf dem Parkdeck des Kornmarktcenters eine Flugblattaktion ab. In der Ladenpassage sorgte zuvor ein Asylbewerber für Schlagzeilen. Foto: Facebook/privat

Bautzen feiert gerade seinen Frühling zum 1016. Mal, da entrollt eine Personengruppe am Dach des Kornmarktcenters ein 24 Meter langes Banner und zündet Rauchbomben. Die Polizei macht zunächst keine Angaben zu einem möglichen Motiv. Schnell kommt jedoch der Verdacht auf, dass der Vorfall mit Geschehnissen in Verbindung stehen könnte, die sich kurz vor Pfingsten in der Ladenpassage ereigneten.

Bautzen. Kaum war das Spruchband enthüllt und der Rauch verzogen, betraten Beamte des ortsansässigen Polizeireviers die Bühne des Geschehens. Der Wachdienst der Ladenpassage hatte Alarm geschlagen. Kurz darauf geriet unter anderem ein 20-Jähriger ins Visier der Ermittler. Er gilt als einer der mutmaßlichen Drahtzieher dieser nicht angemeldeten Versammlung, hieß es tags darauf aus Polizeikreisen. Demnach soll er gemeinsam mit seinen Mitstreitern den überdimensionalen Banner am Samstagnachmittag gegen 16.15 Uhr am obersten Stockwerk – dem Parkdeck – ausgebreitet haben. Der Rauch der Knallkörper zog schließlich in die Lüftungsanlage des Centers. Menschen sind Polizeiangaben zufolge dadurch nicht zu Schaden gekommen. Die Kripo hat sich der Angelegenheit inzwischen angenommen. Auch am Mittwoch danach dauerten die Ermittlungen zum Verdacht des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz an. Wie inzwischen aus im Internet kursierenden Fotos hervorgeht, steckt die „Identitäre Bewegung“ hinter der Aktion. Als diese bezeichnen sich einem Wikipedia-Eintrag zufolge mehrere völkisch orientierte Gruppierungen, die ethnopluralistisch-kulturrassistische Konzepte vertreten. Grund genug für Sachsens Verfassungsschützer, die Identitären seit einiger Zeit zu beobachten.

Für die Polizei stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der Vorfall auf dem Parkdeck möglicherweise mit einem anderen im Kontext steht, der sich am Donnerstag vor Pfingsten im Kornmarktcenter ereignete. Konkrete Informationen gibt es bislang nicht. Sowohl das Centermanagement als auch die Ermittler hielten sich in der Angelegenheit zunächst bedeckt. Polizeisprecher Thomas Knaup wies lediglich darauf hin, dass das Ergebnis der Untersuchungen abzuwarten sei. „Alles andere wäre Spekulation.“

Am 17. Mai kam es in der Ladenpassage am Kornmarkt zu einer Auseinandersetzung zwischen dem privaten Sicherheitsdienst und einem 22 Jahre alten, stadtbekannten Libyer. Der junge Mann soll zuvor in dem Einkaufszentrum Kunden und Passanten belästigt haben. In welcher Art und Weise er das tat, dazu wurde ebenfalls nichts bekannt. Fest steht jedoch, dass er daraufhin mit Security-Mitarbeitern in Streit geriet. Wie aus der Medieninformation der Polizeidirektion Görlitz vom 18. Mai 2018 hervorgeht, hätten die Bediensteten den Mann zunächst ermahnt. „Daraus entwickelte sich ein Handgemenge, infolgedessen die beiden Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes den Asylsuchenden zu Boden brachten, dort fixierten und anschließend die Polizei informierten. Die Beamten erhoben die Daten aller beteiligten Personen, leiteten ein Ermittlungsverfahren zum Verdacht der Körperverletzung ein, belehrten den Libyer und erteilten ihm einen Platzverweis. Für das Einkaufszentrum erteilte ihm der Sicherheitsdienst Hausverbot.“ Warum, dazu sagte der Manager der Ladenpassage Christian Polkow lediglich: „Generell geben wir dazu keine Auskunft. Weiterhin kann ich Ihnen mitteilen, dass das in sozialen Netzwerken verbreitete Video nur einen kurzen Ausschnitt des gesamten Vorfalls zeigt. Unser Wachmann hat basierend auf den Ereignissen Anzeige bei der Polizei erstattet.“

Der Kurzfilm kursierte bereits wenige Augenblicke nach der Auseinandersetzung in dem Einkaufszentrum im Internet. „Er ist der Polizei bekannt und Bestandteil der Ermittlungen“, meinte Sprecher Thomas Knaup. „Wenn Zeugen über weitere Informationen verfügen, werden diese gebeten, sich bei der Polizei zu melden.“ Sachdienliche Hinweise nehme das Revier in Bautzen unter der Rufnummer (03591) 367-0 sowie jede andere Polizeidienststelle entgegen.

Unterdessen stapeln sich im Amtsgericht Bautzen die Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Görlitz, die im Zusammenhang mit dem Libyer stehen. „Gegen ihn sind mehrere Strafverfahren anhängig“, ließ Direktor Markus Kadenbach auf Anfrage wissen. Zuletzt sei am 18. Januar 2018 eine Anklageschrift eingegangen. Das Hauptverfahren werde jedoch nur eröffnet, wenn nach den Ergebnissen der staatsanwaltlichen Ermittlungen der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. „In Bezug auf die von Ihnen bezeichnete Person ist noch nicht in allen anhängigen Strafverfahren über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden worden“, führte Markus Kadenbach weiter aus. „Das Gericht beabsichtigt, nach der letzten insoweit zu treffenden Entscheidung die bislang getrennt zu behandelnden einzelnen Strafsachen aus Gründen der Prozessökonomie zu verbinden. Aufgrund eines solchen Verbindungsbeschlusses werden sämtliche gegen jene Person erhobenen Tatvorwürfe zum Gegenstand einer einheitlichen Hauptverhandlung.“ Laut Staatsanwaltschaft befasst sich mittlerweile auch das Amtsgericht Zittau mit dem Nordafrikaner. Unabhängig davon laufe dessen Asylverfahren noch, wie Landratsamtssprecher Peter Stange erklärte. Auch hierüber befindet ein Gericht. „Eine mögliche Abschiebung ist somit momentan kein Thema.“

Der 22-Jährige hatte im vergangenen Jahr die Stadt Bautzen zwischenzeitlich verlassen müssen, nachdem das Rathaus ihm gegenüber ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot aussprach. Grund dafür war unter anderem seine Beteiligung an den Auseinandersetzungen zwischen Asylsuchenden und Einheimischen auf dem Kornmarkt in den zurückliegenden zwei Jahren und ein Vorfall im Greenpark, bei dem er zunächst damit drohte, sich das Leben zu nehmen. Kurz darauf war er damaligen Angaben zufolge mit einem Messer auf Beamte eines Sondereinsatzkommandos losgestürmt, nachdem die angeforderte Verhandlungsgruppe des Landeskriminalamtes ihn dazu brachte, das Dach der an der Flinzstraße gelegenen Asylunterkunft zu verlassen.

„Unsere Aufgabe ist es, uns entschieden gegen jeden zur Wehr zu setzen, der mit seinem Handeln das friedliche Miteinander in unserer Stadt gefährdet“, stellte Oberbürgermeister Alexander Ahrens im August 2017 in einer Pressemitteilung klar. „Bei aller Konsequenz, die wir mit diesem Vorgehen an den Tag legen, bleibt anzumerken, dass der junge Mann offensichtlich unter massivem psychischen Druck stand und in der Vergangenheit auch wiederholt Provokationen ausgesetzt war. Dennoch können wir sein Verhalten nicht tolerieren.“

Sah sich der junge Libyer auch diesmal wieder gereizt? Fakt ist: An ihm scheiden sich mittlerweile die Geister. So geriet Vize-Landrat Udo Witschas deshalb bereits in die Schusslinie seiner Kritiker. Er soll sich unrechtmäßig im Internet mit dem einstigen NPD-Kreischef Marco Wruck zu dem Libyer ausgetauscht haben. Der Erste Beigeordnete hingegen gab zu bedenken, auf diese Weise zur Deeskalation der Lage in Bautzen beigetragen zu haben. Noch immer läuft gegen ihn bei der Landesdirektion ein Disziplinarverfahren. Es steht der Verdacht im Raum, dass der Behördenmitarbeiter Dienstgeheimnisse weitergab. Die Staatsanwaltschaft Görlitz hat ihre Ermittlungen dazu vor Kurzem eingestellt.

Wie die Stadt nach dem jüngsten Vorfall mit dem Asylbewerber umgehen wird, ist noch nicht ganz klar. Stadtsprecher André Wucht: „Der Vorfall ist uns bekannt. Wir haben zunächst Kontakt zu seiner Betreuerin aufgenommen.“

Redaktion / 02.06.2018

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