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Eine Krebspatientin als Mutmacherin

Eine Krebspatientin  als Mutmacherin

Die Krebspatientin Birgit Waldstein strahlt Lebensfreude aus, vermittelt Zuversicht, Mut und Selbstvertrauen. Foto: privat

Birgit Waldstein ist als Brustkrebspatientin eine Mutmacherin für andere Betroffene. Ihr Leben hat sich durch die Krankheit gewandelt. Ihrem Krebs hat sie aus einem bestimmten Grund sogar einen Namen gegeben – Fritz.

Ebersbach-Neugersdorf. Birgit Waldstein, 1968 in Görlitz geboren, eine hübsche Frau mit attraktivem Raspelhaarschnitt, hochmodern und chic gekleidet, ist aufgewachsen in Görlitz und Niedercunnersdorf, wo ihre Eltern in den 70er Jahren das Haus der Großeltern übernahmen.

Als stellvertretende Pflegedirektorin im Sächsischen Krankenhaus Großschweidnitz im Bereich Forensik gibt sie suchterkrankten Tätern, also Menschen, die durch Drogen aller Art ungewollt in strafrechtliche Kontexte gerieten, im Maßregelvollzug „handwerkliche Tipps, wie sie das Leben ‚draußen‘ gestalten können“, wie sie sagt, also knallharten Männern, die einmal mitten im Leben standen, Rat und Unterstützung, Führung und Lenkung. Gemeinsam mit ihren Teams – darunter sind auch viele Frauen – steht sie beruflich ihren Mann.

Als im September 2018 bei einer Routineuntersuchung durch ihre Frauenärztin ein Knoten in der Brust festgestellt wurde, folgte – noch in der Praxis – die Ultraschalluntersuchung, dann zunächst in Görlitz der Mammographie-Termin und anschließend in Ebersbach die Stanzbiopsie.

Bei einer Stanzbiopsie wird Gewebe mit einer feinen Nadel entnommen, um es anschließend histologisch zu untersuchen. Nach der Biopsie bekam sie den Befund übermittelt – Diagnose Brustkrebs.

Noch heute erinnert sie sich daran, wie einfühlsam dies durch den Leiter des Brustzentrums Ostsachsen (BZOS), Chefarzt Jacek Glajzer, vorgenommen wurde – und wie sensibel sich auch Oberarzt Thomas Graf und die Breast-Care-Nurse Anett Henke Zeit für sie genommen hatten.

Bereits hier wurde der weitere Verlauf der Erkrankung und der darauf abgestimmten Behandlung skizziert. Denn jeder Tumor ist anders und jeder Krankheitsverlauf individuell. Dass der Schock durch eine positive Prognose gemildert wurde, gab ihr Kraft und viel Rückhalt. „Ich wusste jetzt: Da ist etwas in mir, das ist dort zwar, aber es gehört nicht zu mir, es muss weg.“

Birgit Waldstein lacht, als sie sagt: „Ich weiß nicht, ob das half, aber ich habe meinem Tumor einen Namen gegeben – Fritz. Ich wollte ihn benennen, identifizieren und damit bereinigen können.“ Und wie erleben Ärzte und Schwestern allgemein Krebspatienten? „Im ersten Moment, wenn die Diagnose eröffnet wird, sind die Patienten immer schockiert“, antwortet Oberarzt Thomas Graf – und seine Kollegin, Schwester Anett Henke, nickt zustimmend. „Wir erleben sie aber niemals so verzweifelt, dass sie sich komplett aufgeben“, fügt Anett Henke hinzu. „Sie bekommen von uns Waffen an die Hand und kämpfen auf ihre eigene Weise. Wie Frauen eben sind. Man kann das gut mit einer Geburt vergleichen. Dabei kämpfen sich die Frauen auch durch und wachsen über sich hinaus“, sagt Chefarzt Jacek Glajzer schmunzelnd. Die onkologische Fachschwester Silke Klose ergänzt: „Jede Frau geht ganz unterschiedlich damit um. Es fließen auch mal Tränen, aber man rappelt sich immer wieder auf.“

Ihre Familie hat die Erkrankung damals unterschiedlich auf- und wahrgenommen: „Mein Sohn, 29 Jahre alt und mitten im Leben stehend, sagte mir: ‚Das ist okay, daran wirst du nicht sterben, du schaffst das!‘ Das gab mir Kraft.“ Ihre Eltern weinten beide und sagten, „ich solle dies als Warnsignal sehen, dass ich mir zu viel Arbeit zugemutet habe.“ Sie liebt ihre Arbeit und die Menschen: „Ich sehe heute in der Tat viele Dinge anders. Dass ich Erfüllung in meiner Arbeit finde, den Kontakt zu den Menschen brauche, hat sich nicht geändert. Ich bin ja dadurch gewachsen und stark geworden. Aber jetzt, durch die Erkrankung, bin ich gelassener geworden, auch ein wenig egoistischer. Ich denke nun auch einmal mehr an mich, der man ein zweites Leben geschenkt hat, und trete eben auch einmal zugunsten meiner neu gewonnenen Gesundheit zurück.“ Noch im vergangenen Jahr folgten die Chemotherapien, bei denen sie selbstbewusst mit dem Haarverlust umging: Ihr Partner rasierte das Haupthaar in Gänze ab. Sie trug dies mit Stolz und machte anderen Frauen in den Kosmetikseminaren der DKMS Life, an denen sie teilgenommen hat, Mut, vermittelt Zuversicht und Selbstvertrauen. Nur als sie dann auch Wimpern und Augenbrauen verlor, sagte eine Krankenschwester: „Du hast dein Strahlen verloren.“ Davon ist heute nichts mehr zu spüren, im Gegenteil: Birgit Waldstein trägt das Positive in sich, sie sucht das Ästhetische und weiß es mehr denn je zu genießen.

Nach der Chemotherapie folgte im März 2019 die Operation und anschließend die knapp siebenwöchige Bestrahlung in Bautzen. In dieser Zeit freundete sich Birgit Waldstein auch mit anderen Patientinnen an. Sie unterstützen sich gegenseitig, geben sich viele gute Ratschläge und natürlich auch Trost.

Jetzt steht eine dreiwöchige Kur an, anschließend die Wiedereingliederung und abschließend die Aufnahme ihrer Tätigkeit als stellvertretende Pflegedienstleiterin. „Ansonsten ordne ich gerade mein Leben neu“, sagt sie mit einem strahlenden Lächeln: „Ich habe mich gerade von meinem Partner getrennt, ziehe aus meinem Haus in eine schöne Wohnung in der Stadt, gönne mir neue Freunde, bin offen für alles Schöne, Wahre und Gute.“ Schon früher hat sie viel Sport getrieben, besonders Ausdauer- und Fitnesstraining – und sie liest gern in den Biografien von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Abschließend möchte Birgit Waldstein noch einen Dank an die Menschen richten, die sie während ihrer Erkrankung auffingen und begleitet haben: „Allen voran möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Mein weiterer Dank gilt meiner Frauenärztin, Frau Dr. Claudia Reichel in Löbau und ihrem Team, die mich sofort unter ihre Fittiche genommen haben, Frau Dr. Monika Handrick in Görlitz, dem Brustzentrum in Ebersbach, insbesondere den Ärzten und Schwestern der Station 9, die sich rührend um mich gekümmert haben, dem Team der Strahlentherapie von Herrn Jörg Distler in Bautzen, dem Taxiunternehmen Müller aus Walddorf und natürlich allen Freunden und Bekannten, die mich in dieser Zeit unterstützten.“

Wenn sie sich etwas wünschen dürfte, wäre dies „Zufriedenheit und im Einklang mit mir selbst zu sein.“ Und was ist ihr persönliches Anliegen? „Frieden – und zwar der zwischen den Menschen. Verständnis, der respektvolle Umgang miteinander, nicht das Vorverurteilen oder unreflektierte Zurechtweisen, einfach nur Verständnis und Mitgefühl für den anderen“, antwortet Birgit Waldstein.

Diese starke, mutige, hübsche Frau voller Ausdruck, Geist, Stärke und Gefühl steht mitten im Leben.

Steffen Linke / 23.07.2019

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