Elternprotest: „Stadt darf bei Bildung nicht den Rotstift ansetzen“

Bautzen. Eltern von Kindern im Grundschulalter laufen derzeit Sturm – und zwar gegen Pläne der Stadtverwaltung, im Bereich Bildung den Rotstift ansetzen zu wollen. Konkret geht es um die stolze Summe von 150.000 Euro. „Die notwendigen Einsparungen nach der Plananmeldung für 2019 müssen primär dort erfolgen, wo es keine rechtliche Zahlungsverpflichtung für den Schulträger gibt“, begründete Amtsleiter Thomas Groß gegenüber dem Oberlausitzer Kurier den vorgesehenen Einschnitt. Das beträfe unter anderem das bisher anteilig übernommene Bezuschussen von Schulfahrten und Exkursionen in Form von Eintrittsgeldern, Teilnahmegebühren und Unterrichtswegekosten sowie die Durchführung und Ausstattung von Veranstaltungen, wobei der Rathausmitarbeiter Dekorationen und Präsente als Beispiele anführte. „Darüber hinaus erfolgen Kürzungen insbesondere in den Sachkonten für die Bauunterhaltung und für den Erwerb beweglicher Gegenstände wie höhenverstellbare Tische oder auch Stühle und Miniküchen.“ Die Streichliste geht aber noch weiter. Selbst bei Lernmitteln will die Kommune Geld einsparen.
Das kommt für die Elternvertreter der Mättig-Grundschule gar nicht in Frage. Sie lehnen die geplanten Kürzungen ab. Und damit stehen sie nicht allein dar. Auch an anderen Unterrichtsstätten regt sich Widerstand. „Bildung ist die Basis für die Gestaltung Sachsens“, meinen der Vorsitzende des Elternrates der Mättig-Grundschule, Stefan Mücke, und seine Mitstreiter. „Die heutige junge Generation wird künftig den Freistaat voranbringen. Daher sehen wir in der Bildung kein Einsparpotenzial.“ Jens Zuschke, der für die Eltern der Fichtegrundschule das Wort ergriffen hat, stellt indes die Frage in den Raum: „Weshalb investieren wir in Jugendclubs, um jetzt an der Wurzel, bei unseren Kindern, zu sparen?“ Denn klar sei, so Stefan Mücke: „Die Grundschule geht auf den individuellen Entwicklungsstand eines jeden Kindes ein. Arbeitsmittel insbesondere Arbeitshefte, die zur Vertiefung des bislang erlangten Wissens begleiten beziehungsweise dieses ergänzen, würden so womöglich gänzlich fehlen.“ Beide befürchten vor dem Hintergrund der angedachten Einsparungen einen Wegfall traditioneller Angebote für die Erst- bis Viertklässler sowie „deutliche zusätzliche Kosten für die Eltern“.
Das Sächsische Schulgesetz regelt die Lernmittelfreiheit an Schulen in öffentlicher Trägerschaft in Paragraf 38. Darin heißt es: „In den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der Fachschulen hat der Schulträger den Schülern alle notwendigen Schulbücher leihweise zu überlassen, sofern sie nicht von den Eltern oder den Schülern selbst beschafft werden; ausnahmsweise werden sie zum Verbrauch überlassen, wenn Art und Zweckbestimmung des Schulbuches eine Leihe ausschließen.“ Weiterhin teilt das Staatsministerium für Kultus auf seiner Internetseite mit: „Kopien, Arbeitshefte und Druckwerke, die Schulbücher begleiten, ergänzen oder ersetzten, sind kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Andere Druckerzeugnisse sollen zunächst nach der bisherigen Verfahrensweise der jeweiligen Schule angeschafft werden. Die Lernmittelfreiheit erstreckt sich auch auf Taschenrechner, sofern diese über eine spezifische Funktionalität verfügen, die über das für den privaten Gebrauch übliche Maß hinausgeht und deren Verwendung nach den jeweiligen Lehrplänen und Prüfungsordnungen der einzelnen Schularten verbindlich vorgeschrieben ist. Für alle übrigen Dinge sind die Eltern selbst verantwortlich.“ Dies seien zum Beispiel Schulranzen, Sportbekleidung, Hefte, Blöcke, Papier, Stifte, Füller, Federmappe, Zirkel, Lineale, Dreiecke und sonstige Arbeitsmaterialien, wozu auch Materialien für den Kunstunterricht wie Farbstoffe und Zeichenpapier zählen. Alternativ können Lehrer Materialien besorgen und sich durch einen Pauschalbetrag von den Eltern erstatten lassen.
Etwas anders wird das im Rathaus gesehen. Thomas Groß: „Im Rahmen der Haushaltsklausur der Stadträte und der Verwaltung sind zwingend notwendige Plananpassungen besprochen worden, um den Haushaltsausgleich zu erreichen. Das betrifft die genannten 150.000 Euro. Insgesamt stehen im Produkt Grundschulen aber 950.300 Euro zur Verfügung. Das sind sogar 224.234 Euro mehr als im Haushaltsjahr 2018. Im gesamten Bereich Grundschulen gibt es Mehrausgaben. Über die veranschlagten Mittel werden auch die notwendigen Aufgaben finanziert werden können.“ Am Ende entscheidet der Stadtrat über den Etat. Finanzbürgermeister Dr. Robert Böhmer schätzt, dass dies frühestens im März 2019 der Fall sein wird. Jedoch schränkte er in Bezug auf den möglichen Bau einer neuen Grundschule ein: „Sollte diese Maßnahme mit dem gegenwärtig angemeldeten Volumen im Plan verbleiben, ist eine Vorlage des Haushalts nicht absehbar.“ Eine Entscheidung zu dem Bauvorhaben soll in der Stadtratssitzung am 28. November ergehen. Unabhängig davon sei eine Bestätigung des von der Verwaltung vorzulegenden Stellenplans notwendig. Insgesamt gelte es, quer durch verschiedene Bereiche Mehraufwendungen von fast sechs Millionen Euro zu kompensieren.
In Sorge darum, dass die Haushaltssatzung nicht rechtzeitig in diesem Jahr beschlossen werden kann, habe er im Stadtrat und in der Finanzausschusssitzung darauf gedrängt, dass den Bürgervertretern das aktuelle Zahlenmaterial zum Satzungsentwurf zur Verfügung gestellt wird, schrieb CDU-Mandatsträger Dr. Dirk Lübke unserem Blatt. „Seit fünf Monaten haben wir keine konkreten Daten zum Planungsstand erhalten. Das kann offenkundig nicht angehen.“ An das Stadtoberhaupt gerichtet, stellte er die Forderung: „Bitte weisen Sie Ihre zuständigen Mitarbeiter dahingehend an, den nötigen Informationsfluss sicherzustellen.“ CDU-Fraktionschef Karsten Vogt fügte in Hinblick auf die Bautzener Bildungseinrichtungen hinzu: „Eine Kürzung im Bereich Schulen kann nur in einer absoluten Notsituation der Weg sein, um den Haushalt auszugleichen, die wir als Christdemokraten jedoch nicht sehen.“ Die der Redaktion vorliegenden Informationen untermauern dies. Demnach hatte Bautzen mit Stand 2017 mehr als 52 Millionen Euro in der Rücklage. Allerdings seien große Teile davon reserviert. So stand beispielsweise ein Millionenbetrag zur Verfügung, um das Risiko für Rechtsstreitigkeiten abzudecken. Für eine mögliche Klage der Eltern wäre die Kommune demnach gut gerüstet, könnten böse Zungen nun sagen.
Doch noch ist niemand darauf bedacht, eine gerichtliche Lösung herbeizuführen. Stefan Mücke: „Wir haben uns mit einem Brief an den Oberbürgermeister und die Stadträte gewandt. Von der Verwaltung kamen bislang jedoch keine positiven Signale.“ Hingegen hätten einige Bürgervertreter bereits Unterstützung für das Anliegen der Eltern zugesagt. Die möchten nun alle an einen Tisch bringen, um das Problem anzupacken, „damit die angedrohte Kürzung nicht Realität wird.“