Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Er will Puppentheater in neue Zeiten führen

Er will Puppentheater in neue Zeiten führen

Zurück aus Koblenz inspiziert der neue Leiter des Puppentheaters, Stephan Siegfried, den Fundus. Dabei stößt er auf so manche Kostbarkeit aus dem eigenen Haus, wie diesen schwarzen Schwan. Foto: RK

Mit seinen 30 Jahren hat er bereits so einiges erreicht. Nach dem Studium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch baute er in Koblenz eine Puppenbühne auf. Jetzt übernahm der gebürtige Mecklenburger am Spreeufer den Staffelstab von seiner Vorgängerin Therese Thomaschke. Fortan gibt Stephan Siegfried auf der Bautzener Ortenburg die Richtung vor.

Bautzen. Das Puppentheater mit seinen etwa 400 Vorstellungen im Jahr soll zeitgenössischer werden. Mit diesem selbsterklärten Ziel will Stephan Siegfried als künftiger Leiter der Einrichtung und Chef von sechs Frauen und Männern in den nächsten Tagen so richtig durchstarten. Momentan läuft er sich erst noch warm und lotet gemeinsam mit Gastregisseuren Möglichkeiten für die kommende Spielzeit aus. Zudem lässt sich der Blondschopf von dem inspirieren, was er an seiner Wirkungsstätte vorfindet. „Es fällt nicht schwer, an diesem Ort kreativ zu sein – und damit meine ich die gesamte Burg“, sagt der lebensbejahende Künstler, der bereits in früheren Jahren im Bautzener Puppentheater engagiert war.

Alternativer Text Infobild

Stephan Siegfried an einem seiner Lieblingsorte: Durch ein Fenster schaut er ins Burgverlies, in dem einst schon Räuberhauptmann Karasek einsaß. Foto: RK

Vom Balkon seines Büros aus blickt er direkt hinüber auf das andere Ufer des Flusses – den Protschenberg. Vor Augen führt er sich dabei die Fußgängerbrücke, deren beabsichtigter Bau in der Kommune eine kontroverse Diskussion auslöste. Der Wahl-Bautzener kann der Spreequerung, wie auch immer sie einmal aussehen mag, durchaus etwas Gutes abringen. Und vielleicht entsteht aus dem Für und Wider auch ein Erwachsenenstück für die Puppenbühne. Solche erfahren eine immer stärkere Bedeutung heutzutage, weiß Stephan Siegfried. Bereits mehrere Werke hat er in Szene gesetzt. Dazu zählt unter anderem die Geschichte um Kater Zorbas. Dem Titelhelden des Schriftstellers Luis Sepúlveda hauchte er zuletzt Leben ein. „Der Vierbeiner bringt einer Möwe das Fliegen bei – durchaus eine ungewöhnliche Geschichte. Bemerkenswert dabei ist, dass Zorbas sein Gegenüber so annimmt, wie es ist und versucht nicht, dieses zu einem anderen Wesen zu machen“, beschreibt der Norddeutsche kurz und knapp, worum es sich in dem Stück dreht und zieht die Vorlage aus seinem Bücherschrank. Dann lässt er den Kater über den Schreibtisch tanzen, um gleich darauf festzustellen: „Puppen tanzen nicht. Das ist eine Floskel, gegen die wir ankämpfen.“

So ließ Stephan Siegfried auch schon einmal eine Kameraaufnahme des Südwestrundfunks wiederholen, nachdem die Moderatorin diese Worte in den Mund nahm.
„Für viele ist Puppentheater nach wie vor das kleine Kasperle oder die Augsburger Puppenkiste“, meint der studierte Puppenspielkünstler. „Dies jedoch stellt nur einen kleinen Teil davon dar. In Halle beispielsweise werden fast ausschließlich Stücke für Erwachsene auf die Bühne gebracht.“ Dagegen überwiege in Bautzen noch immer Inszenierungen für Kinder – und das recht stark. Aber auch hier zu Lande lasse sich ein Trend hin zu mehr Bühnenwerken für das reifere Publikum ausmachen. „Dann verwandeln wir Schauspieler uns ebenfalls“, erklärt der Puppentheaterleiter. „Im Stück ‚Der Besuch der alten Dame’ ziehen wir uns sogar eine Maske über das Gesicht und drücken mit bestimmten Haltungen Emotionen aus. Das übrigens ist die Vorstufe zum Umgang mit Handspielpuppen, bei dem sämtliche Bewegungen aus dem Arm heraus erfolgen. Getoppt wird das Ganze beim Marionettenspiel. Dieses erfordert ein Vorausdenken des Künstlers, damit Bewegung und das Gesagte übereinstimmen.“ „Kito und die Tanzfidel“ ist so ein Beispiel dafür. Die künstlerische Umsetzung des altbekannten sorbischen Kinderbuches bescherte der Einrichtung am Sonntag vergangener Woche einen überraschenden Besucherandrang. Rund 100 Frauen, Männer und Kinder hatten sowohl dem Puppentheaterstück als auch der gleichzeitig eröffneten Ausstellung der Illustratorin Jutta Mirtschin einen Besuch abgestattet. Es war der gelungene Ausstand von Therese Thomaschke, die sich nunmehr in den Ruhestand verabschiedete.

Für Stephan Siegfried ist das hingegen eine gute Vorlage, auf die er gern aufbauen möchte. Zudem sollen frühere Erfolgsstücke wie „Kriminell grimmig“ auf die Bautzener Puppentheaterbühne zurückkehren. Momentan erfolgen die Proben für die Weihnachtsinszenierung. Dazu hat sich der Mecklenburger namhafte Verstärkung heranbeordert. Der Sprecher und Spieler des grünen Busches Briegel, der hin und wieder in der KIKA-Reihe „Bernd das Brot“ gemeinsam mit Schaf Chili über die Mattscheibe flitzte, sorgt für das Bühnenbild. Dabei handelt es sich um keinen Geringeren als den aus Dohna bei Dresden stammenden Jan Mixsa. Auch er hatte sein Handwerk einst auf der Berliner Hochschule Ernst Busch gelernt.

Bis sich der Vorhang für das Weihnachtsmärchen öffnet, wird unter anderem „Rotkäppchen“ noch einige Male die vor allem kleineren Besucher auf der Ortenburg begrüßen. „Für sie spiele ich unheimlich gern“, betont Stephan Siegfried. „Kinder lassen sich nicht hinters Licht führen. Sie sind von Grund auf ehrlich und sagen einem das auch, wenn beispielsweise dem Puppenspieler eine Panne unterläuft. Erwachsene hingegen gehen oftmals von vornherein davon aus, dass dies künstlerisch so gewollt war.“ Und so sorgt Kindesmund hin und wieder für unvergessliche Anekdoten, die der 30-Jährige allesamt auf seinem Laptop abgespeichert hat. Dort lassen sich auch die Antworten seines jungen Publikums auf die Frage finden, warum das Rotkäppchen diesen ungewöhnlichen Namen trägt. „Auf Platz drei schaffte es die Antwort: ‚Weil es rot ist’. Platz zwei war: ‚Weil es im Wald wohnt’. Auf den Spitzenrang hat es ein einziges Wort geschafft: ‚Feuerwehr’.“ Aber auch in anderen Stücken sorgen die Zuschauer im Kita- und Grundschulalter hin und wieder für ein Schmunzeln. „So erzählte ich den Kindern ‚Jetzt kommt die Apparatur’. Daraufhin meinte ein Mädchen völlig trocken ‚aha’.“ Vor diesem Hintergrund fasste Stephan Siegfried einen Entschluss: „Ich mache aus dem gesammelten Material einen Comedyabend. Und der Wolf wird die Anekdoten präsentieren.“ Wann das Ganze bühnenreif ist, stand zum Redaktionsschluss noch nicht fest.

Dass das Puppentheater bald zeitgenössischer und moderner daherkommt, findet nach Einschätzung des Leiters der Bühne nach ersten Tests beim Publikum bereits Anklang. Stephan Siegfried: „Auch in der Zukunft möchten wir tolle Geschichten erzählen, die berühren, die etwas bewirken. Wir sind uns dabei unserer Verantwortung bewusst, dass unsere Message, die wir vermitteln möchten, nicht wie ein Holzhammer rüberzukommen hat. Die Mannschaft ist jedoch Profi genug, um das zu schaffen.“              

Roland Kaiser / 22.10.2018

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel