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Hundsärsch’l unterm Tannenbaum

Hundsärsch’l unterm Tannenbaum

Hobbygärtner Silvio Ziesch aus Elstra ist durch seine Uroma auf die Mispel gekommen. Foto: privat

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In Sachsen (hier oft Hespel genannt) war die Mispel früher häufig im Elbhügelland auf den Weinhängen, besonders im Spaargebirge bei Meißen, anzutreffen. Foto: privat

Wann ist die beste Zeit, Obst zu ernten? Richtig: Kurz vor Weihnachten! So jedenfalls macht es Silvio Ziesch aus Elstra.

Elstra. In seinem Garten wächst ein Baum, dessen Früchte am besten erst einmal ordentlichen Frost bekommen sollten, bevor man sie abnimmt: Die Deutsche Mispel – auch als Echte Mispel oder lateinisch Mespilus Germanica bezeichnet – ist eine echte Winterfreude. „Ich habe sie Ende November geerntet und lagere sie bis nach Weihnachten, ohne es zu versäumen, einige Früchte roh zu genießen. Bei Vollreife verletzt man die Früchte am Baum sehr leicht und sie verderben dann schnell“, berichtet Silvio Ziesch. Im Normalfall werden die Mispeln jedoch zu Gelee, Konfitüre, Saft, Mus, Wein, Likör, Brand oder Kuchen weiterverarbeitet. Laut dem Elstraer Hobbygärtner schmecken die genussreifen Mispeln angenehm aromatisch-süßsäuerlich.

Silvio Ziesch verdankt die Begeisterung für dieses nur noch selten angebaute Obst seiner 1908 geborenen Uroma: „Als Jugendlicher war ich oft bei ihr zu Besuch. Sie erzählte mir, dass früher, als sie noch sehr jung war, zu Weihnachten immer Mispeln unter dem Tannenbaum lagen, wo heute doch eher Äpfel oder Apfelsinen dominieren.“ Einen eigenen Baum besaß die Oma selbst nicht mehr. Im Laufe der Zeit verschwanden die früher noch recht häufigen Mispelbäume, an denen die Früchte noch hingen, wenn das Laub schon längst abgefallen war, aus den Gärten. Heute sieht man sie kaum noch – Silvio Ziesch weiß außer ihm selbst nur noch von zwei weiteren Hobbygärtnern, die Mispeln anbauen und ernten: „Meine Uroma erzählte mir, dass es mit Äpfeln, Birnen und weiteren bekannten Obstarten sowie dem immer mehr aufkommenden Handel mit exotischen Früchten aus fernen Ländern vermeintlich edleres Obst gab, das die Menschen der echten deutschen Mispel vorzogen.“ Schon der volkstümliche Name „Hundsärsch’l“ verweist auf das nicht sonderlich attraktive Aussehen. Und genießbar wird die Mispel erst in einem Reifezustand, den manche als „fast faulig“ bezeichnen würden.
Als Silvio Ziesch begann, sich verstärkt mit Obst- und Gartenbau zu beschäftigen, fielen ihm auch die Erzählungen seiner Uroma wieder ein. „Nun habe ich selbst schon seit einigen Jahren einen kleinen Mispelbaum in meinem Garten stehen, desen Früchte ich meist Ende November ernte, wenn sie schon etwas Frost bekommen haben, denn den brauchen sie unbedingt. Dann lasse ich sie noch etwas in Stiegen nachreifen, um sie dann roh, jedoch auch zu Mispelkuchen und Gelee verarbeitet, zu genießen. Außerdem steht immer eine Schüssel deutscher Mispeln unter’m Weihnachtsbaum, genau so, wie es ganz früher einmal war und ich denke an meine Oma und die schöne Zeit mit den vielen Gesprächen und Weisheiten, die sie mir mit auf den Weg gab und die ich keinesfalls missen möchte. Sie wurde 101 Jahre alt!“ 

Silvio Ziesch möchte gern dazu beitragen, dass Mespilus Germanica als Teil der einheimischen Obstbautradition wieder ins Bewusstsein der Menschen zurückkehrt. „Durch die Abnahme des Anbaus und den dadurch verringerten Samennachschub sind auch die verwilderten Vorkommen zurückgegangen, und zwar so stark, dass die Art als stark gefährdet gelten muss“, schätzt er ein. Selbst Naturschützer hätten die Deutsche Mispel kaum auf dem Schirm: „Dabei hat sie es aufgrund ihrer langen Anbautradition in Deutschland verdient, als Kulturpflanze weiterhin berücksichtigt zu werden und als Wildpflanze eine größere Schutzwürdigkeit beigemessen zu bekommen.“ Mit der Mispel, davon ist Silvio Ziesch überzeugt, würde ein wichtiger Teil der heimischen Obstbautradition nahezu unbemerkt verloren gehen. Der Elstraer Hobbygärtner möchte sich gern mit anderen Mispel-Anbauern austauschen oder auch seine Erfahrungen an Interessenten weitergeben. Die Kontaktaufnahme kann gern über seine E-Mail-Adresse silvio-ziesch@gmx.de erfolgen.

Info: Die Deutsche Mispel war im Mittelalter die wichtigste Obstart im heutigen Deutschland, was unter anderem aus der Landgüterverordnung Karls des Großen von 795 hervorgeht. Ursprünglich stammt die Mispel aus Südosteuropa und aus dem Schwarzmeer- und Kaukasusgebiet), die Römer brachten sie vor ca. 2000 Jahren nach West- und Mitteleuropa. In Sachsen (hier oft Hespel genannt) war die Mispel früher häufig im Elbhügelland auf den Weinhängen, besonders im Spaargebirge bei Meißen, anzutreffen. Sie hat nichts mit der Mistel, einer auf Bäumen siedelnden Schmarotzerpflanze, zu tun.

Uwe Menschner / 21.12.2019

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