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Ist Schulunterricht in Herbergen möglich?

Ist Schulunterricht in Herbergen möglich?

Eigentlich ist Ralf Eichler vom Waldschulheim Stannewisch ursprünglich ein echter Förster. Über die Jahre hat er jedoch umweltpädagogisch im Schulungsraum der Finnhütte sowie im Wald und am Wildgehege ein echtes Händchen für den Unterricht entwickelt.

Das Deutsche Jugendherbergswerk hat vorgeschlagen, in der Pandemie seine über 450 Jugendherbergshäuser mit ihrer Infrastruktur und Ausstattung für Schulunterricht im geschützten Umfeld zur Verfügung zu stellen. Ist das eine Option für die DJH-Jugendherberge in Görlitz sowie das Waldschulheim Stannewisch, das vom Staatsbetrieb Sachsenforst und nicht vom DJH getragen wird?

Stannewisch/Görlitz. Ralf Eichler hat eine Ausstrahlung, die die Kinder lieben. Als Förster hatte er zunächst keine pädagogische Ausbildung – doch die Nähe zur Natur, das eigene Ausprobierendürfen dort und die warmherzige Art des Waldschulheimleiters aus Geheege bei Rothenburg lassen die Zeit in Stannewisch für viele unvergesslich werden. Man spürt, dass das coronabedinge Ausbleiben von vielen Begegnungen mit den Kindern auch bei Eichler selbst eine Lücke gerissen hat. „Ich habe zuletzt viel Zeit gehabt, manche liegengebliebene Papierdinge zu erledigen, Anträge zu schreiben, Projekte aufzusetzen oder mich um einen neuen Zaun im Wildgehege zu kümmern, aber der Besuch der wissbegierigen Kleinen fehlt mir“, sagt er.

Letztlich gehört der Besuch im Waldschulheim Stannewisch zu den Höhepunkten im Schuljahresverlauf vor allem vieler Grundschüler der Region – ein Großteil von ihnen hat hier erstmals im Rahmen einer Klassenreise Nächte außerhalb der eigenen vier Wände verlebt. Da sind auch naturpädagogische Stunden in der Finnhütte an den Tischen mit Blick auf so manche Geweihe mal eine ganz andere Form des Unterrichts.
Und so war Ralf Eichler auch ganz hellhörig, als er vom Angebot des DJH hörte. Was für die DJH-Jugendherbegen im Raum steht, könnte doch auch etwas für Stannewisch sein...

Cyrill Scholze, Leiter des Staatsforstbetriebs – Forstbezirk Oberlausitz zeigte sich offen: „Sachsenforst steht diesen Ansinnen grundsätzlich offen gegenüber. Allerdings wären die Raumkapazitäten der waldpädagogischen Einrichtungen im Freistaat Sachsen für diese Zwecke insgesamt sehr begrenzt. 

Details – z.B. der Umfang, Zeitraum einer schulischen Nutzung sowie weitere organisatorische Aspekte wie etwa Hygienekonzepte – wären bei entsprechenden Anfragen zwischen den jeweils zuständigen Behörden noch abzustimmen“, ließ er den Niederschlesischen Kurier wissen. Allerdings sei die Idee noch so frisch, dass es bislang von schulischer Seite, also dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus bzw. dem Landesamt für Schule und Bildung oder Schulen, noch keine Anfragen in Bezug auf die Nutzung bzw. Mitbenutzung von waldpädagogischen Einrichtungen wie dem Waldschulheim Stannewisch für schulische Zwecke gebe.

Landesverbände ziehen mit

Doch was steckte genau hinter der Idee des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH)? „Damit Schüler in Deutschland aufgrund massiver Unterrichtsausfälle nicht zu den Verlierern der Corona-Pandemie werden, sollen die Schulen im Land möglichst geöffnet bleiben. Dieses Ziel haben die politischen Entscheidungsträger auch im Zuge der aktuellen Beratungen rund um die Corona-Maßnahmen immer wieder betont. Ein Vorschlag, der aktuell seitens verschiedener Akteure der Bildungslandschaft im Raum steht, sieht eine Entzerrung der Unterrichtssituation durch Klassenteilung oder Beschulung in anderen Räumlichkeiten vor. So würden beispielsweise weniger Schüler an einem Ort zusammenkommen und Kontakte verringert werden“, heißt es einleitend in einer DJH-Pressemitteilung. Als mögliche Orte für solche temporären Nebenstandorte der Schulen bietet sich das DJH mit seinen rund 450 Häuser in Deutschland gleich an.
„Als einer der größten gemeinnützigen Verbände in Deutschland und erfahrener Partner der Schulen im Bereich der Klassenfahrten, ist es für uns in der jetzigen Situation selbstverständlich, unsere Hilfe anzubieten“, erklärt DJH-Hauptgeschäftsführer Julian Schmitz. Ein entsprechendes Unterstützungsangebot habe er dem Bundesbildungsministerium zukommen lassen – getragen von allen 14 DJH-Landesverbänden. Die Häuser des DJH würden nicht nur über über die passende Ausstattung verfügen, „weil die vorhandenen Gruppenräume schnell und einfach zu Klassenräumen umfunktioniert werden können“, sondern auch weil angesichts des geschulten Personals zum Beispiel auch die Verpflegung größerer Schülergruppen kein Problem darstellen würde. „Mit unserem DJH-Hygienekonzept, das wir in enger Zusammenarbeit mit Experten entwickelt haben, können wir zudem alle Anforderungen erfüllen“, so Schmitz. Außerdem würden die Jugendherbergen als geschützte und sichere Orte auch über die passenden Flächen für Pausenangebote verfügen – etwa durch verschiedene Spielgeräte und Aktivitätsmöglichkeiten an der frischen Luft.

Die Bundeswehr ist schon da

Schon im Frühjahr habe der 2,4 Millionen Mitglieder starke Verband seine Häuser für verschiedene Zwischennutzungen zur Verfügung gestellt, zum Beispiel als Obdachlosenunterkunft, Fieberambulanz oder Frauenhaus. „Zu diesem Angebot stehen wir natürlich auch weiterhin, etwa mit Blick auf die jetzt diskutierte Schaffung von Impfzentren“, betont Julian Schmitz, der „einen klaren Vorteil gegenüber anderen Räumlichkeiten und Stätten, in denen die für Schulunterricht notwendige Infrastruktur erst aufwendig geschaffen werden müsste“, erkennt.

Erfahrungen mit einer alternativen Nutzung gibt es ganz aktuell auch in der DJH-Europa-Jugendherberge Görlitz-Altstadt. Diese sei mit der Unterbringung von Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen der Pandemiebekämpfung im Krankenhaus und Gesundheitsamt unterstützend tätig sind, bereits in vollem Gang, erklärt deren Leiterin Martina Taubmann. Hier seinen die zuständigen Stellen der Stadt Görlitz und dem Klinikum direkt auf die Herberge zugekommen. „Uns fehlen über die Hälfte unserer Gäste in diesem Jahr. Schulklassen, Tagungen und Seminare von Vereinen, Musikproben von Chören und Orchestern, all das ist durch Corona stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Die Mitarbeiter sind seit Anfang des Jahres von Kurzarbeit betroffen. Die Gäste sind stark verunsichert, und dadurch sehr zurückhaltend bei Neubuchungen. Dadurch ist eine Planung kaum möglich“, sagt die Heimleiterin. So bleibt die Suche nach neuen Alternativen ein wichtiges Gebot. Auch Cyrill Scholze vom Sachsenforst beklagt „das coronabedingte Ruhen des Betriebes“. Dieses wirke sich temporär im Wesentlichem in der Nichtannahme des waldpädagogischen Bildungsangebotes einschließlich der Beherbergung aus. „Angesichts der zu erwartenden, zeitlich begrenzten Einschränkungen des waldpädagogischen Angebotes gibt es aktuell keine Überlegungen einer anderweitigen Nutzung der Liegenschaft“. Das muss ein Zubrot ja nicht unbedingt ausschließen, könnte man hierbei herauslesen. An der B 115 gelegen, sollte ein Schulbusverkehr aus Niesky oder Rietschen in Stannewisch das geringste Problem darstellen.

Till Scholtz-Knobloch / 28.11.2020

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