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Ist seine Abwahl gerechtfertigt?

Ist seine Abwahl gerechtfertigt?

Genießt noch immer in großen Teilen der Bevölkerung Rückhalt: der wegen seiner Gespräche mit einem Ex-NPD-Funktionär vielgescholtene Vize-Landrat Udo Witschas. Foto: LRA BZ

Am Bautzener Vize-Landrat Udo Witschas scheiden sich weiterhin die Geister. Bezüglich der Geschehnisse nach den jüngsten Auseinandersetzungen auf dem Kornmarkt, Ende Juli, hat die Diskussion um seine Person noch einmal an Schärfe zugelegt. Doch sind die von SPD, Linken und Grünen geäußerten Rücktrittsforderungen tatsächlich angebracht? Viele meinen: Nein.

Bautzen. Der Oberlausitzer Kurier hat es schwarz auf weiß: Einer Online-Umfrage zufolge unterstützen 77,6 Prozent aller Umfrageteilnehmer das Vorgehen von Vize-Landrat Udo Witschas. Hingegen meinten lediglich 21,5 Prozent, er solle seinen Stuhl räumen, damit in der Stadt wieder eine vertrauensvolle Arbeit mit Flüchtlingshelfern möglich ist. In der Zeit vom 24. bis zum 30. August hatten 2.610 Personen auf der Internetseite www.ALLES-LAUSITZ.de ihre Stimme abgegeben. Das deckt sich mit Aussagen des Landratsamtes. Sprecherin Sabine Rötschke teilte auf Anfrage mit: „Wir erhalten nach wie vor zahlreiche Schreiben zu dem Thema. Die Reaktionen aus den sozialen Medien sind uns ebenfalls bekannt. Letztere geben allerdings kein umfassendes Bild. Die im Landratsamt eingehenden Meinungsäußerungen sind unterschiedlicher Richtung. Dabei wird meist der von Udo Witschas in der Unterhaltung mit Marco Wruck angeschlagene Ton kritisch gesehen. Die deutliche Mehrheit der Schreiben enthält jedoch Lob für dessen Arbeit und unterstützende Äußerungen.“

Befürworter von Witschas Politik rechnen es dem Vize-Landrat hoch an, dass er im Gespräch mit radikalen Kräften versuchte, eine Deeskalation der Lage zu erreichen. Nach den jüngsten Auseinandersetzungen auf dem Kornmarkt, bei denen im Alkoholrausch erneut Einheimische und junge Flüchtlinge aneinandergeraten waren, hatten Unterstützer von NPD-Mann Wruck zum Teil gewalttätige Aktionen angekündigt. „Auf dessen Facebook-Seite war unter anderem zu lesen ‚Knüppel raus und drauf’“, teilte der erste Beigeordnete auf Anfrage mit. „An diesen Tagen sorgten zudem so genannte Social Bots der rechten Szene, dahinter verbergen sich automatische Massenverteiler bei Twitter, für eine massive Verbreitung der Nachrichten. Vor diesem Hintergrund hielt ich eine Art der Gefährderansprache für sinnvoll. Diese Auffassung wurde mir von der Polizei zudem schriftlich bestätigt.“

Doch damit zog er sich auch großen Unmut zu. Denn, bei Worten ist es nicht geblieben. „Ich kann Ihnen bestätigen, dass vor Kurzem mein Dienstwagen von Unbekannten beschädigt worden ist“, sagte Udo Witschas dem OLK. „Sie haben den Schriftzug ‚Nazi’ in eine der Türen gekratzt. Mittlerweile ermittelt die Polizei in dieser Angelegenheit. Wer hinter der Attacke steckt, weiß ich nicht. Ich kann nur soviel sagen, dass ich mich nicht an irgendwelchen Spekulationen beteiligen werde. Ich vertraue hier ganz und gar der Arbeit der Ermittler.“
Inzwischen sei bereits über einen möglichen Polizeischutz für den Stellvertreter von Landrat Michael Harig nachgedacht worden.

Der zeigt sich inzwischen besorgt und verurteilt diese Form der Auseinandersetzung deutlich – und zwar unabhängig davon, ob dass das Dienstfahrzeug oder die Autoreifen von Wahlkampfhelfern betrifft, die vor wenigen Tagen in Bautzen in Mitleidenschaft gezogen wurden. „Ich bedauere zudem, dass in der aktuellen Diskussion die gesamte Kreisentwicklung auf einen Umstand reduziert wird und daher die positiven Seiten des Landkreises aus dem Blick geraten“, meinte er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Hintergrund: Schilderungen von Udo Witschas und Erkenntnissen der Polizei zufolge kam es in der Nacht vom 27. zum 28. Juli rund um den Bautzener Kornmarkt zu erneuten Krawallen. „Erneut waren Asylbewerber beteiligt, darunter ‚King Abode’, der mir von der Polizei in einer schriftlichen Mitteilung als ‚Mehrfach-beziehungsweise Intensivtäter’ beschrieben wurde“, erläuterte der Beigeordnete. „Die Einschätzung beruht auf der Zahl der gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren. Am Nachmittag des 28. Juli veröffentlichte die Polizei zudem einen Bericht über den Einsatz, in dem auch die Beteiligung von Rechtsextremen eingeräumt wurde. Bereits am Vormittag war ein Augenzeugenvideo in den sozialen Medien aufgetaucht und massenhaft verbreitet worden. Der Referent des Oberbürgermeisters sendete dem Landratsamt ebenfalls am Vormittag seinen Augenzeugenbericht, in dem klar die Asylbewerber als Verursacher beschrieben wurden. Es folgten Berichterstattungen, die vordergründig jedoch eine Gewalt der Polizei gegen die Asylbewerber sowie rassistische Äußerungen der Polizei zum Gegenstand hatten. Ich habe in Abstimmung mit der Polizei, die die Gefahr einer erneuten Hetzjagd bestätigte, und um die Situation vor Ort zu entschärfen, eine Verlegung des Asylbewerbers angeordnet und dies auch in einem Zeitungsinterview am 4. August kommuniziert. Am späten Freitagabend eskalierte die Situation erneut. Der Asylbewerber war zurück nach Bautzen gebracht worden und drohte vom Dach seiner ehemaligen Unterkunft zu springen. Ein SEK-Kommando konnte die Situation klären. Marco Wruck von der NPD indes versuchte, die Krawalle und den Vorfall im Greenpark auf seiner Facebook-Seite für sich zu nutzen. Die Frage, die sich mir nun stellte, war: Drohte seitens des bekannten NPD-Mannes eine Gefahr beziehungsweise hatte er eine Relevanz auf rechtsextreme Gruppen? Zu diesem Zeitpunkt bin ich klar davon ausgegangen, dass er Einfluss auf die Szene ausübt. Seine Facebook-Seite zählt 30.000 Anhänger.“

Unterdessen hat Harigs Stellvertreter von sich aus einen ersten Schritt unternommen, um einige Klarheit in die Diskussion um seine Person zu bringen. Udo Witschas zeigte sich selbst bei der Rechtsaufsicht der Landesdirektion an. Landratsamtssprecherin Sabine Rötschke: „Herr Witschas erwartet vom Ausgang des Verfahrens eine Klarstellung darüber, dass seinerseits keine Dienstpflichtverletzungen vorliegen.“

In der Stadt selbst zeichnete sich zuletzt eine leichte Entspannung ab, nachdem das Rathaus gegenüber dem 21-jährigen Libyer ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot aussprach. Dies gilt auch für die Theatervorstellungen Mitte September, an denen er, wie zunächst vom Steinhaus beantragt, nicht teilnehmen wird. Das bestätigten inzwischen sowohl Intendant Lutz Hillmann als auch die Stadtverwaltung auf Nachfrage.
Der Nordafrikaner hatte Anfang Mai bei der Uraufführung des Stückes „Romeo und Julia auf Platte“ als Tänzer mitgewirkt.

„Personen, gegen die ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, dürfen die Stadt nur bei berechtigtem Interesse besuchen“, verlautete aus dem Rathaus. „So gibt es das Sächsische Polizeigesetz vor. Berechtigtes Interesse kann beispielsweise dann vorliegen, wenn die Person einen bereits beauftragten Anwalt besuchen möchte. Auch die Wahrnehmung eines Termins bei dem behandelnden Arzt kann als berechtigtes Interesse gelten. In diesen Fällen muss der Besuch der Stadt im Voraus beim Ordnungsamt angemeldet werden.“ Und weiter: „Derzeit macht es die Einschätzung der öffentlichen Sicherheit nicht erforderlich, weitere Aufenthaltsverbote zu verhängen.“

Redaktion / 04.09.2017

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