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Mehr Homeoffice wegen Corona: Droht jetzt der Kollaps im Netz?

Mehr Homeoffice wegen Corona: Droht jetzt der Kollaps im Netz?

Viele Arbeitnehmer sollen angesichts der Corona-Krise zu Hause bleiben. In dem Zusammenhang gewinnt das lange Zeit verschmähte Homeoffice an Bedeutung. Videokonferenzen lassen sich auch von daheim aus bewerkstelligen. Foto: PR/Eventnet

Region. Telekommunikationsexperten beobachten dieser Tage einen stärkeren Datenverkehr im Netz. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In Zeiten der Corona-Krise werden immer mehr Beschäftigte von ihren Arbeitgebern zum Homeoffice verpflichtet. Das dürfte sich hierzulande in erster Linie auf die mitunter noch nicht den heutigen Standards entsprechenden Telekommunikationsnetze auswirken. Wie der Sprecher des Energieversorgers Enso, Stephan Hönigschmid, auf Anfrage unserer Zeitung bestätigte, gibt es momentan hohe Anforderungen an die TK-Netze. Eine gestiegene Internet-Nutzung sei zu erkennen. Bezogen auf die vom Unternehmen bereitgestellte Infrastruktur sagte er aber auch: „Da im Privatkundenbereich die höchste Internet-Nutzung eher in den Abendstunden zu verzeichnen ist, ist die erhöhte Nutzung durch Homeoffice tagsüber grundsätzlich sichergestellt.“ 

Der Sprecher der Deutschen Telekom, Georg von Wagner, räumte ebenfalls ein, dass aktuell ein Anstieg des Datenverkehrs zu verzeichnen ist. „Wir haben unsere Notfall- und Pandemiepläne aktiviert und sind auch bei einer Verschärfung der Situation gut vorbereitet. So sichern wir auch die wichtige Kommunikation und den Betrieb beispielsweise von Not- und Rettungsdiensten, Krankenhäusern, Katastrophenschutz und Behörden. Damit unterstützen wir die Versorgungslage der Bevölkerung.“ Zur Sicherung der Infrastruktur würden neben Telefon und Mobilfunk auch Internet sowie das TV-Angebot zählen. „Grundsätzlich hat die Deutsche Telekom Notfallpläne, um Mitarbeiter und kritische Infrastruktur auch vor Auswirkungen einer Pandemie zu schützen, und entsprechende Vorbereitungen getroffen, um den Netzbetrieb auch bei einer Verschärfung der Situation zu gewährleisten.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei das Netz stabil. „Unsere Experten modellieren aktuell alle möglichen Lastszenarien für die nächsten Tagen und Wochen. Weiterhin beobachten wir die Lage ganz genau. Wir verfügen über Sonderteams, die das Netz rund um die Uhr beobachten, um bei Bedarf und wo möglich direkt nachzusteuern.“

Die Vodafone-Netze arbeiten auch in Corona-Zeiten sehr stabil und haben noch reichlich Kapazitätspuffer – trotz stärkeren Verkehrs, meinte Konzernsprecher Volker Petendorf. „Im Festnetz verzeichneten wir beispielsweise in der Woche vom 16. bis 23. März einen Anstieg im Datenverkehr um 50 Prozent gegenüber einer normalen Woche. Im Mobilfunk hingegen nahm der Datenverkehr um zwei Prozent im Vergleich zu normalen Zeiten ab.“ Nicht nur das Internet dient vor dem Hintergrund von landesweiten Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten als Kommunikationsplattform. Selbst das normale Telefongespräch boomt, weiß der Mitarbeiter des Düsseldorfer TK-Riesen. „Im Festnetz gab es 50 Prozent und im Mobilfunk 46 Prozent mehr Gespräche im Vergleich zur ersten Märzwoche.“ Unterm Strich lasse sich feststellen: Das mobile Surfen nimmt ab. „Deutschland surft zuhause im WLAN und telefoniert deutlich mehr im Festnetz und mit dem Handy. Persönliche Telefongespräche mit Freunden, Verwandten und Kollegen nehmen deutlich zu. Ebenso finden im beruflichen Umfeld deutlich mehr Telefonate statt – anstelle von persönlichen Gesprächen im Büro, Konferenzen, Tagungen und Meetings. Unsere Netze arbeiten trotz erhöhter Last sehr stabil.“ Wie im Fall des Mitbewerbers Telekom würden spezielle Teams die Situation Tag und Nacht sehr genau beobachten. Und sie können den Angaben zufolge zeitnah Maßnahmen auf den Weg bringen, um bei Bedarf gegenzusteuern. Welche in dem Zusammenhang in Betracht kommen, verriet Volker Petendorf nicht. 

Doch es gibt auch Stimmen in der Branche, die die Entwicklung mit Vorsicht betrachten. „Die Belastung der Kommunikationsnetze durch vermehrte Homeoffice-Nutzung wird weiter ansteigen“, ist sich Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), sicher. „Viele Unternehmen, die in der Vergangenheit Homeoffice abgelehnt oder nur sehr begrenzt zugelassen haben, setzen nun auf diese Möglichkeit. Video- und Telefonkonferenzen vervielfachen sich und belasten nicht nur die Firmennetze stärker, sondern schlagen sich auch außerhalb von Ballungszentren in deutlich erhöhter Netznutzung nieder. Auch die Schulschließungen tragen zu einem höheren Datenverkehr bei. Dabei sind die Anschlussnetze gut gerüstet, wenngleich es bei Spitzenlasten möglicherweise einmal zu zeitweise ruckelnden Bildern kommen kann.“ Gelegentliche Qualitätseinbußen könnten auch nach Ansicht von Stephan Hönigschmid auftreten. „Derzeit werden die Behörden aktiv und verhandeln mit den entsprechenden Anbietern zur Reduzierung der Bitrate. Dies wird beispielsweise durch die freiwillige Selbstverpflichtung des Streaming-Dienstes Netflix, die Datenraten durch geringere Auflösung zu reduzieren, in der Qualität sichtbar. Sicher können auch die Nutzer mithelfen, indem sie die Auflösung beim Download absenken.“ Der VATM befürchtet allerdings weitergehende Einschränkungen in den Datennetzen. „Die möglicherweise um einige Zehntelsekunden verzögerte Laufzeiten von E-Mails werden für die Kunden nicht spürbar sein“, meinte Jürgen Grützner. „Im Zweifelsfalle werden jedoch Downloads etwas mehr Zeit benötigen. Hier sind aber die Server der Anbieter von Internetseiten deutlich eher betroffen und es kann zu Verzögerungen bei besonders nachgefragten Internetseiten oder Portalen kommen.“ Ein Tipp des Branchenkenners: „Die Wahl von mehr Bandbreite bietenden Anschlüssen kann hier sicherlich helfen. Im Zweifelsfalle sollten sichere Tunnellösungen für den E-Mail-Verkehr eingerichtet werden, die eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ermöglichen und das offene Internet so weit wie möglich meiden.“

Dennoch: Die Telekommunikationsunternehmen sehen sich gut gerüstet, weiterhin einen stabilen Netzbetrieb zu gewährleisten. „Auch in der aktuellen Situation ist die Grenze der Auslastung im Breitbandnetz nicht erreicht. Bei Bedarf steht zusätzliche Bandbreite zur Verfügung“, stellte unter anderem Stephan Hönigschmid klar. Allerdings will er nicht verschweigen, dass „die jetzige Situation verdeutlicht, dass eine flächendeckende und stabile Internetversorgung in der digitalen Gesellschaft unbedingt notwendig ist und der flächendeckende Ausbau schnellstmöglich realisiert werden muss“. Seit 2019 engagiere sich der Energieversorger Enso beim geförderten Breitbandausbau in der Stadt Bischofswerda und deren Außenbereichen. Im dritten Quartal dieses Jahres sollen laut Unternehmensangaben die ersten Glasfaseranschlüsse in Geißmannsdorf geschaltet werden. Schon jetzt können in Schiebock laut dem Unternehmenssprecher etwa 4.000 Nutzer Datengeschwindigkeiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde in Anspruch nehmen, wenn sie sich für einen Enso-Breitbandanschluss entschieden haben.

Bezogen auf den Ausbau des schnellen Datennetzes im restlichen Landkreis Bautzen betonte Telekom-Sprecher Georg von Wagner: „Der laufende Breitbandausbau wird trotz Corona-Krise weitergeführt.“ Es gelte der abgestimmte Bauzeitenplan, hieß es in dem Kontext aus der Bautzener Kreisverwaltung. Auf Verzögerungen müsse entsprechend reagiert werden. „Die Firmen sind mit dem Netzausbau beauftragt und haben keinen Grund, die Arbeiten nicht auszuführen. Die Landkreisverwaltung ist dafür zuständig und wird sicherlich den geplanten Zeitrahmen einhalten“, stellte der Bautzener FDP-Kreisrat Mike Hauschild klar. Wiederum aus dem Landratsamt verlautete dazu: „Durch die Corona-Pandemie lässt sich gegenwärtig noch nicht vorhersagen, ob die geplanten Ausbauarbeiten termingerecht durchgeführt werden können. Die aktuelle Lage tangiert auch die beauftragten Tiefbauunternehmen und deren Kapazitäten. Um die Verzögerungen möglichst gering zu halten und gleichzeitig Kontakte zwischen den Mitarbeitern der Unternehmen und Bürgern zu reduzieren, werden die Ausbauarbeiten zur Zeit auf den öffentlichen Bereich konzentriert. Der Bau der Hausanschlüsse wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.“

Der Bautzener Stadtrat Heiner Schleppers warnte indes auch in Hinblick auf die seit dem vergangenen Wochenende geltenden Ausgangsbeschränkungen vor einer wachsenden Belastung des Netzes. „Ein Zusammenbruch hätte verheerende Folgen“, sagte er. „Ein Großteil des Lebens spielt sich zurzeit im Internet ab. Angefangen vom Fernseher, über die Mobiltelefone bis hin zum Web. Hier würde es gerade die Schulkinder betreffen, die jetzt zum großen Teil ihre schulischen Aufgaben übers Internet erledigen.“

Die Düsseldorfer Mobilfunker sehen aber auch an anderer Stelle im Landkreis Bautzen nach wie vor dringenden Handlungsbedarf – und das unabhängig von der Virus-Krise. „Weiße Flecken gibt es insbesondere beim Mobilfunkempfang innerhalb von Gebäuden und bei der LTE-Versorgung“, erklärte Volker Petendorf, „denn dreieinhalb Prozent der Bevölkerung sind ja noch nicht an das mobile Breitbandnetz LTE angeschlossen. Um die LTE-Versorgung zu verbessern sind daher im Kreis Bautzen in der nächsten Ausbaustufe sechs LTE-Bauvorhaben geplant. Dabei werden wir eine neue Mobilfunkstation in Betrieb nehmen, erstmals LTE-Technik an drei bestehenden Mobilfunk-Standorten installieren und zusätzliche Antennen an zwei vorhandenen LTE-Standorten anbringen. Die geplanten Baumaßnahmen dienen dazu, LTE-Funklöcher zu schließen sowie mehr Kapazität und höhere Surf-Geschwindigkeiten in das Netz zu bringen. Ziel ist es, auch beim mobilen LTE-Datennetz eine möglichst flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ 

Roland Kaiser / 29.03.2020

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