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Menschen stöhnen unter Biester-Plage

Menschen stöhnen unter Biester-Plage

Die Sonne glüht, die Fliegen kommen in Scharen: Unappetitlich aber Alltag in Teilen der Gemeinde Radibor. Ein möglicher Herd wird in Droben vermutet. Untersuchungen laufen. Foto: Montage

Nördlich von Bautzen haben sich die Menschen bewaffnet – und zwar mit Fliegenklatschen. Schwärme von kleinen schwarzen Plagegeistern machen ihnen an wärmeren Tagen das Leben schwer. Vor allem die Gemeinde Radibor sieht sich einem beispiellosen Fliegenaufkommen ausgesetzt. Das Landratsamt hat mehrere mögliche Herde im Blick.

Radibor. Das Telefon klingelt, wieder hat Bürgermeister Vinzenz Baberschke besorgte Einwohner an der Strippe. Sie beklagen, dass Fliegen in großer Anzahl durch offene Fenster oder Türen ins Haus eindringen. Draußen würden die kleinen Plagegeister zu Tausenden an hellen Hauswänden sitzen. Essen und Trinken im Freien sei gar nicht mehr möglich, weil Fliegen sofort in Tassen und Gläser fallen und sich über die Speisen hermachen. „Die Lebensqualität ist dadurch stark beeinträchtigt“, konstatiert das Gemeindeoberhaupt.

Auch auf dem Betriebsgelände des Entsorgungsunternehmens Veolia, auf dem sich ein Kunststofflager und eine Kompostieranlage befinden, kommt es zu einem vermehrten Fliegenaufkommen. Dies wiederum bestätigte Firmensprecherin Nadine Schaer auf Anfrage dem Oberlausitzer Kurier. Es gäbe jedoch keinen Grund zur Annahme, dass die Ursache für die große Fliegenpopulation in dem Betrieb zu suchen wäre, wies sie jeden möglichen Vorwurf zurück. „Die Betriebsabläufe der Anlage laufen seit Jahren konstant und die Zusammensetzung des Materialinputs ist unverändert, was den plötzlichen Anstieg des Fliegenaufkommens nicht begründen kann.“ Und sie fügte hinzu: „Wir kümmern uns um die Bekämpfung der Fliegen auf unserem Betriebsgelände. Darüber hinaus haben wir keine Zuständigkeit, stehen jedoch in einem kontinuierlichen Dialog mit den Aufsichtsbehörden.“ Das Landratsamt als solche verfolgt die Entwicklung vor Ort mit wachsamen Augen. „Es lässt sich nicht ausschließen, dass Fliegen vom Firmengelände durch den Wald ins mindestens 600 Meter entfernte Droben oder in weiter entfernt liegende Ortsteile wie Oppitz, Luppa, Lomske, Milkel gelangen“, argumentiert indes die Kreisverwaltung. Das Umweltamt gehe zudem Beschwerden aus Neschwitz und Königswartha nach. „Die Kompostieranlage und das Kunststofflager kommen daher als eine Quelle der Fliegenplage in Betracht. Es lässt sich jedoch nicht bestätigen, dass die Anlage von Veolia allein ursächlich für den starken Fliegenbefall verantwortlich ist. Letztlich liegen darüber keine Erkenntnisse vor.“

Bewohner der Gemeinde Radibor hegen seit Längerem den Verdacht, dass der Herd auf dem Betriebsgelände zu suchen ist. Dieses befindet sich westlich von Droben auf einem ehemaligen NVA-Stützpunkt. Dort lagert und sortiert das Unternehmen Kunststoff- und Bioabfälle. „In diesem Jahr wurde bereits Anfang Februar vorsorglich mit den ersten aktiven Bekämpfungsmaßnahmen begonnen“, erläuterte Nadine Schaer. „Die Rhythmen, in denen die Bekämpfung erfolgt, werden in Phasen mit höherem Fliegenaufkommen verkürzt. Zusätzlich werden ganzjährig die Tore der eingehausten LVP-Sortieranlage sowie der Kompostierung geschlossen gehalten und nur zum Transport von Material geöffnet.“ Dies allerdings wird in Teilen der Bevölkerung in Zweifel gezogen – schon aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der in den genannten Bereichen tätigen Beschäftigten, wie es hieß. Überprüfen konnte dies der Oberlausitzer Kurier zunächst nicht. Fest steht jedoch, dass das Landratsamt die Bemühungen von Veolia mit Ernüchterung verfolgt: „Die Bekämpfungsmaßnahmen hatten in den vergangenen Jahren keinen nachhaltigen Erfolg, selbst wenn sie konsequent angewandt wurden.“ Das Unternehmen hingegen will nicht ausschließen, dass das als erhöht empfundene Aufkommen von Fliegen vielfältige andere Ursachen hat. „Ebenso können die klimatischen Bedingungen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.“

Insektenkundler weisen in dem Zusammenhang darauf hin, dass Fliegen von allem angezogen werden, was für sie nach leckerer Nahrung riecht. „Um die Plage nicht weiter zu befördern, sollten also keine Speisereste auf dem eigenen Komposthaufen landen, die Biotonne regelmäßig entleert und gesäubert und Kleintiermist mit etwas Rasenschnitt abgedeckt werden“, betonte Sarah Günther, Sprecherin der Kreisverwaltung,. Zudem bietet es sich an, Plastikabfälle generell zu säubern, bevor sie entsorgt werden. „Die Fliegen, die jetzt anzutreffen sind, haben zum großen Teil überwintert“, verlautete aus dem Umweltamt. „Insektenfressende Vögel, wie etwa Schwalben, kehren erst jetzt aus dem Süden zurück.“ Inzwischen sei auch ein Stall nördlich von Bautzen in den Fokus der Behörde geraten. Auch von ihm soll laut Anwohnern eine Belästigung durch Fliegen ausgehen. Zudem würden in einer Jungrinderanlage die kleinen schwarzen Plagegeister bekämpft, wie der OLK erfuhr.
„Vor allem wäre es hilfreich“, meinte Sarah Günther in Hinblick auf mögliche Gegenmaßnahmen, „den Vögeln, die Insekten fressen, eine Heimstatt zu geben. Das können Nisthilfen sein. Auch sollte Schwalben und Mauerseglern nicht verwehrt werden, ihre Nester an den Häusern zu bauen.“ Wer über eine solche Möglichkeit nicht verfügt, der muss sich notgedrungen mit Klebefallen, Fliegensäcken und Gift behelfen.

Unterdessen kann sich Bürgermeister Vinzenz Baberschke nicht daran erinnern, noch vor Jahren eine derartig gehäufte Fliegenpopulation erlebt zu haben. „Es ist schon sehr lästig. Aber das Umweltamt ist dabei, entsprechende Untersuchungen durchzuführen.“ Damit dies mit Nachdruck geschieht, haben sich jüngst in Droben betroffene Bürger aus verschiedenen Ortsteilen versammelt. Am Dienstag wollen sie die Biester-Plage im Gemeinderat zum Thema machen. Die Menschen fordern, dass die Kommune etwas gegen die Fliegenflut und die mutmaßlichen Herde unternimmt. Die Hoffnung ist groß, dass sich auf diese Weise endlich etwas spürbar in Gang setzt.

Roland Kaiser / 14.04.2019

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Kommentare zum Artikel "Menschen stöhnen unter Biester-Plage"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Gaby schrieb am

    Endlich kommt das Problem, welches die Bürger hier in der Gemeinde Radibor haben, mal an die Öffentlichkeit.

    Fliegen gibt es immer. Allerdings in der Masse, wie wir diese hier haben,ist das definitiv nicht mehr normal. Mit Sicherheit gibt es viele Faktoren: zu warmer Winter, keine Insektenfresser, etc. Ich frage mich dann aber, warum nur hier in der Gemeinde. Vor allem in den OT Droben, Milkel, Oppitz, Lomske,Lippitsch. Es ist kein Phänomen, wir haben jedes Jahr damit zu kämpfen. Sich im Sommer in den Garten zu setzen ist unmöglich. Man ist in kürzester Zeit von Fliegenmassen belagert. An Grillen und gemütlichen Essen ist nicht dran zu denken.

    Dieses Jahr hatten wir gefühlt 1000 Fliegen in unserem Gartenhäuschen. Ohne Fliegengitter an den Fenstern sähe es in der Wohnung ähnlich aus. In den Nachmittagsstunden tummeln Massen von Fliegen am Küchenfenster. Sobald man weit genug von Droben/Radibor entfernt ist, hat man dieses Ausmaß an Fliegen nicht mehr..

    Herr Jakob, ja die Insekten nehmen ab... aber nicht die Fliegen. Ich weiß nicht, wo Sie wohnen. Ich lade Sie herzlich zu einem Grillabend bei uns ein. Es gibt jede Menge zusätzlich Proteine zum Steak. Ich vermute sehr stark das die Ursache in Droben zu suchen ist. Wenn im Sommer der Wind ungünstig steht und den "Duft" von Droben bringt, herrlich. Es kommt einem das Essen von 1 Woche wieder hoch. Da riecht Gülle noch angenehm. Oder wenn die Müllfahrzeuge diesen Geruch hinter sich herziehen. Lecker! Das sind alles noch Dinge die man ertragen kann, da sie nicht von Dauer sind. Aber den gesamten Frühling und Sommer im Haus zu verbringen um den Massen von Fliegen aus dem Weg zu gehen, ist keine Lösung.

    Wenn es am Klima, den milden Wintern oder dem Einsatz von Insektiziden liegen würde, hätte man das Problem überall. Wenn ich am Stall in Quatitz bin, wo Pferde stehen, selbst dort gibt es eine derartige Fliegenplage nicht. Wenn man mal ein Fenster öffnet, welches nicht mit Fliegengitter versehen ist, hat man innerhalb von Minuten 50 - 60 Fliegen in der Wohnung.

    Ich vermute sehr stark das die Hauptursache in der Kompostieranlage sowie des Kunststofflagers in Droben zu suchen ist. Ich hoffe sehr, allein im Bezug auf die kommende Grillsaison, dass man etwas dagegen unternimmt. Die Lebensqualität ist mehr als nur stark beeinträchtigt.

    Dazu kommt der der massive Rückgang der insektenfressenden Vögel. Allen voran die Schwalben. Bestehende Nester werden zerstört durch den Menschen (macht ja Dreck), Nistmöglichkeiten an Häusern (Mehlschwalbe) werden verhindert. Die Schwalben stehen mittlerweile auf der Roten Liste....

    Dieses Jahr sind noch keine Schwalben zu sehen und ob sie noch kommen, ist fraglich. Was dann?? Stellt euch im Sommer einen Himmel ohne Schwalben vor.

  2. Erhard Jakob schrieb am

    Apropos *Insekten und Umweltschutz*

    Wir alle können uns noch gut daran erinnern, dass vor 30 Jahren nach 10 Kilometer Fahrt die Windschutzscheibe voller Insekten war. Jetzt können wir Tausende Kilometer weit fahren und kein einziges Insekt an der Windschutzscheibe finden.

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