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Mit Landlust zurück ins Leben finden

Mit Landlust zurück ins Leben finden

Jetzt grünt und sprießt es überall. Der circa 10.000 Quadratmeter große Garten in der Martin-Luther-Straße 5 in Löbau ist ein wahres Idyll. Foto: privat

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Im Garten in der Martin-Luther-Straße 5 in Löbau sollen der Gemeinschaft auch die kleinen Dinge Spaß und Freude bereiten. Foto: privat

Jetzt grünt und sprießt es wieder überall. Eine Gruppe abstinent lebender Alkoholiker bewirtschaftet den circa 10.000 Quadratmeter großen Garten  in der Martin-Luther-Straße 5 in Löbau hinter dem Gebäude des Christlichen Vereins Junger Menschen. Dieses Fleckchen Land ist ein wahres Löbauer Idyll mit dem Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, den gusseisernen Aussichtsturm.

Löbau. Das gesamte Grundstück untergliedert sich in Wald, Wiese, Obstfläche, Gemüse- und Kräutergarten sowie Tierhaltung. Pure Landlust vermitteln Kaninchen, die Laufenten als Schneckenvertilger und die gackernden Hühner. „Dass wir hier gärtnerisch tätig sein dürfen, verdanken wir der Offenheit für soziale Projekte des CVJM-Löbau und der Kirchgemeinde, speziell der Unterstützung vom Chef des CVJM-Hauses Christoph Adler und des Pfarrers Daniel Mögel“, sagt Ansprechpartner Bernd Eichler. 

Der Startschuss für die ersten Gartenarbeiten fällt in der Regel, wenn das Wetter die „Gärtner“ nicht mehr drinnen hält. „Wir haben schon im März mit Aufräumungsarbeiten und Vorbereitungen für die Saison begonnen“, erzählt er. So seien unter anderem die Kleintiere aus dem Winterquartier wieder hierher gezogen. 
Mittlerweile ist schon das Gewächshaus aufgebaut worden. „Dort können wir Radieschen und Salat ernten“, sagt Bernd Eichler. Kartoffeln und Zwiebeln seien gesteckt. Selbstgezogene Kohlrabipflanzen befinden sich im Freiland. Der Kräutergarten steht in voller Pracht und kann schon genutzt werden. 
„Wir möchten jetzt gern unser Folienzelt wieder mit Gurken bestücken, Tomaten, Zucchini, Kürbis, Bohnen und weiteres Gemüse pflanzen“, sagt er.

Im Jahr 2008 hat einmal alles mit einem kleinen Kräutergarten angefangen, der über die Jahre etwas gewachsen ist, „sodass wir dann das Kirchengrundstück mitnutzen durften“, erinnert er sich. Gemeinsam mit Mitarbeitern des CVJM, der Selbsthilfegruppe und Ideen einer naturverbundenen Reiseleiterin aus dem Zittauer Gebirge sei dieses Gartenprojekt angeschoben worden. 

Das Ziel bestand darin, eine Alternative zu den wöchentlichen Gruppenstunden anzubieten, um suchtbelastete Menschen aus ihren vier Wänden herauszuholen und ihnen einen ungezwungenen Ort der Gemeinschaft zu geben – zur Entspannung, Freizeitgestaltung, um Gespräche zu führen, zum Mitarbeiten, um Verantwortung zu übernehmen, zum Aufbau eines neuen Selbstwertgefühls und um Wertschätzung zu erfahren trotz ihrer Vergangenheit. „Unser Motto ist heute noch, ,die kleine Blume am Wegesrand wieder zu sehen’, einfach die schönen Dinge im Leben wieder zu entdecken, sich mit der Natur zu beschäftigen und Gottes Schöpfung wieder zu entdecken und zu nutzen“, betont er. Dann würde es im Leben auch wieder aufwärts gehen. 
Den Stamm des Teams bilden Mitglieder der Gruppe abstinent lebender Alkoholiker und Angehörige sowie ein ehemaliges Mitglied von „Albatros“. „Jede Gruppe lebt davon, wie sich jeder einzelne kreativ einbringt. Hier gilt es, in der Gemeinschaft Gaben zu entdecken und zu nutzen“, betont er.

In diesem Zuge haben sich auch Strukturen herausgebildet, sodass spezielle Aufgaben schon übernommen werden können. „Wir können auch Sozialstundendienstleistende gemeinsam mit dem CVJM einbinden. Da werden dann auch Aufgaben verteilt“, fügt er hinzu. Trotz Öffentlichkeitsarbeit sei es schwer, an diese Menschen heranzukommen und für jenes Projekt zu gewinnen. „Wir stehen in gutem Kontakt mit der Suchtberatung in Löbau. Ansonsten vermissen wir aber das Interesse von Behörden, uns zu unterstützen. Wir sind monatlich auch einmal in der JVA-Bautzen zur Gruppenstunde und konnten auch schon erste Versuche machen, Insassen der JVA bei uns mit einzubinden“, erklärt er. 

Und inwieweit trägt diese gärtnerische Arbeit Früchte? „Es ist wichtig, sucht- und psychisch belasteten Menschen eine Struktur und Gemeinschaft anzubieten, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Mittagessen, was bei manchen nicht selbstverständlich ist“, antwortet er. Die Tätigkeiten würden das Selbstwertgefühl und das Verantwortungsbewusstsein stärken. 
Die Arbeitseinsätze im Garten finden immer Dienstag, Donnerstag und Samstag von 9.00 bis 17.00 Uhr statt. „Unser Gartentor steht für jeden Interessierten offen. Dieses gemeinschaftliche Gärtnern verbindet uns miteinander, stärkt uns, gemeinsam Zeit zu verbringen“, sagt Bernd Eichler. Denn es würde sich kaum jemand allein damit beschäftigen. 

In Bezug auf die Ernteerfolge gibt es jedenfalls keinen Leistungsdruck. „Wir freuen uns über alles, was wächst, und auch, wenn wir etwas abgeben können oder bei gemeinsamen Veranstaltungen mit dem CVJM unsere Gartenprodukte zu leckerem Essen verarbeiten bzw. auch zum Kochkurs im Haus mit Jugendlichen und Kindern Gartenprodukte veredeln“, sagt er. 
Bernd Eichler und sein Team wünschen sich, weiter Menschen zu erreichen, die so eine Gemeinschaft suchen. Denn: „Vielleicht kann das ein Anlaufpunkt sein, um wieder ins Leben zu finden.“
 

Steffen Linke / 26.05.2019

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