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Rückhalt für Vize-Landrat trotz Rücktrittsforderungen

Rückhalt für Vize-Landrat trotz Rücktrittsforderungen

Steht nach einem Internetplausch mit der NPD bezogen auf den Umgang mit einem jungen Libyer im Kreuzfeuer der Kritik: Der Bautzener Vize-Landrat Udo Witschas. Foto: LRA BZ

Bautzen. Nach den Querelen um Vize-Landrat Udo Witschas hat sich die Kreis-CDU demonstrativ hinter ihren Parteifreund gestellt. Er genieße nach wie vor das uneingeschränkte Vertrauen, ließ der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bautzener Kreistag, Matthias Grahl, auf Anfrage wissen.

„Herr Witschas hat in seiner Funktion für die Gesamtlage entschieden, diesen Kontakt zu nutzen. Das Ergebnis – keine Eskalation – bestätigt, dass diese Entscheidung richtig war.“ Wie jetzt bekannt wurde, tauschte sich der Beigeordnete im Internet mit dem ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden Marco Wruck zu den jüngsten Vorgängen in der Spreestadt aus. „Unser Beigeordneter Udo Witschas hat mit großem Aufwand und mit Umsicht dafür gesorgt, dass die Situation entschärft wurde. Unter anderem hielt er in diesem Zusammenhang auch einen Kontakt mit Herrn Wruck, der im Nachhinein sehr unglücklich wirkt. Dabei wird ausgeblendet, dass gerade die aufklärenden Worte über die tatsächlichen Möglichkeiten der Landkreisverwaltung zu einem ‚Herunterkochen’ der Emotionen bei dem potentiell gewaltbereiten Klientel ein wesentlicher Faktor waren. Vermutlich war es der entscheidende Faktor dafür, dass es in diesem Jahr aus Bautzen keine Bilder wie 2016 gab.“

Rücktrittsforderungen gegen Vize-Landrat häufen sich

Seit Bekanntwerden des Online-Chats Ende vergangener Woche, dessen Wortlaut Matthias Grahl zufolge seitens des einstigen NPD-Funktionärs Medienvertretern zugespielt wurde, pochen vor allem Linke und Grüne darauf, dass Witschas seinen Hut nimmt. „Ich gehe davon aus, dass der Sachverhalt im nächsten Kreistag thematisiert wird. Unsere Fraktion wird, wie schon am heutigen Montagabend bei einem Treffen aller Fraktionsvorsitzenden, den Beigeordneten unterstützen.“ Es sei nachweisbar, dass Vize-Landrat Witschas zu keiner Zeit mit Wruck „verhandelt“ oder gar Informationen preisgegeben hat, die nicht längst schon Beschlusslage waren. Daher schließe Matthias Grahl eine mögliche Verletzung von Dienstpflichten aus.

„Politische Gespräche über ideologische Grenzen hinweg sind ein nicht schönes, aber probates und manchmal zwingend notwendiges Mittel im politischen Alltag“, erklärte der CDU-Fraktionschef an einem anderen ebenso schwierigen Beispiel. „Die Kanzlerin spricht mit Erdogan, ohne dass jemand vermuten könnte, dass sich die beiden politisch nahe sind. Für unser Land ist dieser zweifellos nicht immer im Stile ultimativer Vorwürfe geführte Dialog unabdingbar. Ebenso ist auf unserer Ebene Udo Witschas, den ich mittlerweile seit zwei Jahrzehnten kenne, über jeden Verdacht erhaben, hier dem NPD-Gedankengut anzuhängen. Insofern sind die erhobenen Vorwürfe haltlos und nur davon getrieben, aus dem Vorgang gerade jetzt in Wahlkampfzeiten politisches Kapital zu schlagen.“

Gleichzeitig warnte Matthias Grahl erneut davor, bestimmte Klientel immer wieder zu stigmatisieren. „Desto mehr radikalisieren sich diese“, zeigte er sich überzeugt. Witschas indes ist sich keiner Schuld bewusst. Eigenen Angaben zufolge erklärte er sich lediglich zu einem sachlichen Gespräch mit dem Ex-NPD-Kreisvorsitzenden bereit. Als Versuch der Deeskalation aus Verantwortung, wie es Landrat Michael Harig kurze Zeit später formulierte. Er wies die Rücktrittsforderung bereits als absurd zurück, auch noch, nachdem Vorwürfe laut wurden, sein Stellvertreter habe vertrauliche Informationen an den NPD-Funktionär weitergegeben. „Udo Witschas wird bei dem Treffen Gelegenheit haben, umfassend Stellung zu beziehen und sich den Fragen der Vertreter des Kreistages zu stellen“, ließ Harig in Bezug auf die für Montagabend anberaumte Zusammenkunft der Frakionsvorsitzenden wissen.

Unterdessen stellte der Verein „Willkommen in Bautzen“ jegliche Zusammenarbeit außerhalb der gemeinsamen Projektarbeit mit dem Landratsamt Bautzen vorläufig ein. „Nur so können wir die Vereinsarbeit und jeden teilhabenden Menschen im Verein und Bündnis schützen“, sagte CDU-Stadträtin und Vorstandsmitglied Elisabeth Hauswald. „Solange Herr Witschas im Amt bleibt und für das Landratsamt tätig ist, bleibt uns nur diese Möglichkeit. Wir erwarten und fordern einen Rücktritt von Udo Witschas.“

Was passierte im Vorfeld?

Dem Streit vorausgegangen waren erneut unschöne Szenen auf dem Kornmarkt. In der Nacht zum 28. Juli kam es im Alkoholrausch wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und jungen Asylbewerbern – unter ihnen ein 21-jähriger Libyer. Der junge Mann sorgte in der Vergangenheit bereits des Öfteren für Schlagzeilen, so unterem bei den Ausschreitungen im September vergangenen Jahres. Gegen ihn laufen mehrere Ermittlungsverfahren. Aktuell liegen dem Amtsgericht Bautzen zwei Anklagen gegen den Flüchtling vor. Wann darüber verhandelt wird, ist unklar.

Vor diesem Hintergrund hatte der Landkreis den Nordafrikaner in einer Unterkunft außerhalb der Stadt unterbringen lassen. Kurz darauf kehrte er in seine frühere Bleibe zurück und drohte dort des Nachts damit, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin rückte ein Sondereinsatzkommando der Polizei an und beendete das Drama – unblutig. Inzwischen hat auch die Stadtverwaltung reagiert und auf Grundlage des Sächsischen Polizeigesetzes ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot erlassen. „Andere Möglichkeiten hat der Rechtsstaat nicht, um dem selbsternannten King Abode Herr zu werden und unsere Polizeibeamten nicht noch weiter zu demotivieren“, erklärte CDU-Fraktionschef Grahl. „Ansonsten ist zu befürchten, dass neue Krawalle in der Stadt drohen.“

Seit den Geschehnissen im Herbst 2016 sind Polizeistreifen auf dem und rund um den Bautzener Kornmarkt im Dauereinsatz. Dabei gerieten die Beamten wiederholt selbst zur Zielscheibe für Aggressionen.  

Redaktion / 21.08.2017

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Kommentare zum Artikel "Rückhalt für Vize-Landrat trotz Rücktrittsforderungen"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. steffen schrieb am

    ...die Rücktrittsforderungen vom selbsternannten Verein „Willkommen in Bautzen“ u.a. sind völlig überzogen und absurd, Demokratie u.a. heißt mit allen Kräften das Gespräch suchen und sich auch andere Meinungen anhören das gilt auch für linke und rechte Gruppierungen, sonst könnte man den Bautzener Bürgermeister uva. auch in Frage stellen, da sie auch im Gespräch mit politischen Gegnern waren und sind.

    Wenn dieser Verein wie angekündigt sich zurück zieht wird ihn keiner vermissen, die Bautzener Bürger können schon auch für sich selber sprechen. Jeder ist Willkommen egal wo er herkommt, wenn er sich an die hier für alle geltenden Regeln und an das Gesetz hält!

    Ich finde es gut das der Landrat sich hinter seinen Mitarbeiter stellt, dem kein Dienstvergehen u. strafbare Handlungen nach zuweisen sind .

  2. Lothar schrieb am

    Wer den Rücktritt fordert, sollte vorher mal nachlesen, was man unter Demokratie versteht.

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