Schlossherrin staunt über alte Glaskristalle

Susanne Schmid, Schlossherrin von Schloss Ottenhain, inspiziert die alten Glaskristallteile eines Kronleuchters. Foto: privat

In dieser Holzkiste befanden sich die Glaskristallteile eines Kronleuchters, der früher angeblich im Schloss Ottenhain gehangen hat. Foto: privat
Da staunte die Schlossherrin von Schloss Ottenhain Susanne Schmid nicht schlecht: Anwohner haben ihr eine große Holzkiste gebracht. Mit Glaskristallteilen eines Kronleuchters, der angeblich einmal im Schloss gehangen hat.
Ottenhain. „Wir konnten die schwere Holzkiste gerade einmal zu zweit bewegen“, erzählt sie. Die Kristallteile waren sorgfältig eingewickelt in mindestens drei Ausgaben der Zeitung „Mitteilungen für die Landwirtschaft“ aus dem Jahr 1939. In den damaligen Beiträgen sei themengebunden über Futtermittel, Tierpflege bis hin zu Landmaschinen geschrieben worden, sagt sie. Es finden sich aber auch interessante Kleinanzeigen („Bauer sucht Frau!“) und mindestens ein politischer Aufruf des Führers. Susanne Schmid hat die Seiten sorgfältig geglättet, aber noch nicht sortiert. Für Historiker sei das bestimmt ein Schatz!
Die Holzkiste brachten ihr Ilona Pünjer und Anke Lange aus ihrer Sportgruppe. Ilona Pünjer wohnt im sogenannten Oberdorf in Ottenhain. Kürzlich musste eines der Nachbarhäuser ausgeräumt werden und auch der Dachboden, auf dem die Holzkiste gelagert hatte, sollte leer sein. Die Holzkiste musste also weg – und was lag näher, als den Leuchter wieder ins Schloss zurückzubringen?
Recherchen haben ergeben, dass bis 1945 eine Familie Herzer (Hertzer?) mit im Schloss gewohnt hat, die diese Kiste dann beim Auszug mitgenommen hat.
Mündlich überliefert ist, dass es sich um einen Kronleuchter aus dem Schloss handelt. Das wirft bei der Schlossherrin Fragen auf: Warum waren die Kristalle in Zeitungspapier von 1939 eingewickelt, wenn der Auszug erst 1945 erfolgte? Wo ist das Gestänge geblieben? Wurde es für Kriegszwecke eingeschmolzen? Handelt es sich um zwei Leuchter oder war es eine Kristall-Leuchtschalen-Kombination?
„Leider besitzen wir keine alten Fotos von den Wohnräumen im Schloss“, bedauert sie.
Susanne Schmid war jedenfalls sehr überrascht, aber auch verblüfft über die Aussage, dass es sich um einen Kronleuchter handelt, denn das Aufhängegestell fehlt. Die Kiste ist auch voll mit Klunkern und anderen Leuchtschalen. Die Glaskristalle haben mindestens sechs verschiedene Formen.
Es finden sich die üblichen circa vier Zentimeter großen Tropfen, aber auch Perlen von circa einem Zentimeter Durchmesser, auch kurze zusammenhängende Perlenschnüre sowie mehrere tassenförmige Endstücke. Ein Rätsel ist ihr das Bündel von etwa 25 Zentimeter langen und einem Zentimeter dicken Glasstäben, denn sie haben kein Aufhängeloch. Gereinigt seien die Kristalle jetzt wunderschön und reflektieren das Licht ganz zauberhaft. Der Zustand der Klunker ist einwandfrei. Was die andere Leuchte betrifft: Drei der Schalen sind zerbrochen, aber reparierbar.
Die Geschichte des Kronleuchters wüsste die Schlossherrin auch gern. Vielleicht könnte dieser redaktionelle Beitrag dabei helfen, etwaige Reaktionen darauf zu bekommen, um darüber aufklären zu können, hofft sie. „Wer weiß etwas darüber? Ich bin bereits von zwei, mir leider noch unbekannten Herren angesprochen worden, die wussten, dass diese Kiste inzwischen bei uns ist. Genaueres konnten oder wollten sie uns aber auch nicht sagen“, berichtet sie.
Generell gibt es laut Susanne Schmid in dem Sinn das alte Inventar des Schlosses nicht mehr, mit Ausnahme eines aus der Bauzeit stammenden Kachelofens in der Bibliothek sowie des Einbauschranks in der Küche: „Allerdings sind wir gerade dabei, die Fußböden im Erdgeschoss freilegen zu lassen. Im ,großen Saal’ – das ist der Raum mit der schönen Freitreppe in den Garten – fanden wir einen wahren Schatz: Der komplette Fußboden ist mit wunderbarem und unversehrtem Parkett erhalten. Möglich machten dies eine circa zwei Zentimeter dicke Schicht Füllmasse, Beton, Kleber und fest verklebtes Linoleum. Die Tischler haben wochenlang daran gearbeitet. Und wir erfreuen uns täglich an diesem Schmuckstück“, sagt sie. Den Schlossherren liegt viel daran, auch „Zeitzeugen“ aus der jüngeren Geschichte zu erhalten: „Deshalb haben wir uns zum Beispiel dafür entschieden, auch die Treppe aus Granit von Linoleum zu befreien. Sie hat ausgiebige Verletzungen auf jeder Stufe durch Bohrlöcher, die einst Teppichschienen Halt gegeben haben. Wir kaschieren diese Spuren ebenso wenig wie die Holzwurmgänge in den Flurdielen. Die frevelhaften Verletzungen der Granitstufen haben sich inzwischen zum Kommunikationshit entwickelt: Es gibt keinen Gast, der dies nicht kommentiert.“ Die Kristallteile hat Susanne Schmid alle gereinigt und eingelagert, bis sich ein Gestänge findet. Die Schlossherrin merkt an: Wer hat ein nacktes Gestänge? Oder noch besser: Wo ist das alte geblieben? ...
Die Schlossherren selbst haben sich fast fertig eingerichtet: „Im Erdgeschoss bewohnen wir unsere 3-Raum-Wohnung und das Badezimmer ist auch fertig. Allerdings fehlt noch eine Prise Gemütlichkeit, da Möbel und Gegenstände, die in den ,großen Saal’ oder in den Flur gehören, noch in unserem Wohnzimmer zwischengelagert sind.“ Die abschließenden Malerarbeiten im „großen Saal“ sowie im Saal und Flur der Fußboden dürften bis Mitte Juli erledigt sein. „Im 1. Stock, der ,Beletage’, sind nur noch die Räume, die auf Renovierung warten. Das wird eine kreative Winterbeschäftigung“, blickt sie voraus.
Die Schlossherren möchten sich auf jeden Fall bedanken für die vielen Aufmunterungen sowie großen und kleinen Hilfen „unserer Ottenhainer Nachbarn. Ein großes Dankeschön, und das täglich, geht an die ausführenden Handwerker, die mit viel Feingefühl und in ständiger Absprache mit uns die Renovierung der Holzfußböden gestalten. Neben dem Renovieren haben wir nach wie vor große Freude daran, mindestens einmal im Monat eine Veranstaltung durchzuführen und Künstler und Gäste in unser Haus einzuladen. Die entstehenden Darbietungen und Gespräche sind das Salz in der Suppe des Alltags und für uns ein wahrer Glückstreffer.“
Susanne Schmid und ihr Mann Klaus Räckers sind aus Niedersachsen ins Schloss Ottenhain gezogen und haben sich in ihrer neuen Heimat sehr gut eingelebt („Oberlausitzer Kurier“ berichtete).