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Sorbisches Sprachbad für deutsche Kinder

Sorbisches Sprachbad für deutsche Kinder

Mit Brot und Salz empfangen die Sorben traditionell ihre Gäste – so wie auch diese Schüler einer sorbischen Schule.

Das Witaj-Projekt zur Verbreitung sorbischer Sprachkenntnisse in der deutschen Bevölkerung wird 20 Jahre alt. Für den Sorbischen Schulverein Anlass zur freudigen, aber auch kritischen Reflexion.

Region. 20 Jahre Witaj – das sind 20 Jahre, in denen junge Menschen aus deutschsprachigen Familien an die sorbische Sprache herangeführt wurden – manche so erfolgreich, dass sie es wie eine Muttersprache beherrschen. „Im Schulalltag erleben wir Kinder, die ohne einen sorbischsprachigen Familienhintergrund nach dem Lehrplan für Muttersprachler Sorbisch lernen“, erklärt René Jatzwauk, Leiter des Sorbischen Gymnasiums Bautzen. Das Modellprojekt „Witaj“ als Erfolg zu bezeichnen, erscheint also durchaus gerechtfertigt – auch wenn bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein ist.

Doch zunächst zu den Zahlen: Laut einer Erhebung des Sorbischen Schulvereins, der das Witaj-Projekt 1998 im brandenburgischen Sielow ins Leben rief, wurden im Freistaat Sachsen mit Stand vom Oktober 2017 30 Kindertagesstätten mit 107 Gruppen für die Vermittlung der sorbischen Sprache gefördert (2010 waren es 82 Gruppen). Der Schulverein selbst ist mit 31 Gruppen (neben den Kommunen) der größte Träger, gefolgt vom Christlich-Sozialen Bildungswerk mit 27 Gruppen. „Allerdings sagt dies noch wenig über die Qualität der Sprachvermittlung aus“, erklärt die Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins, Ludmila Budar. Die Art und Weise, wie die Vermittlung der sorbischen Sprache erfolgt, werde vom Freistaat Sachsen als Fördermittelgeber zu wenig geprüft. Der Schulverein selbst setze auf das Prinzip der „vollständigen Immersion“ – die Kinder werden bildlich gesprochen in ein sorbisches „Sprachbad“ getaucht, das heißt, sie erleben die sorbische Sprache von Anfang an in allen Alltagssituationen. Anderswo – „ohne andere Träger kritisieren zu wollen“ – werde nur gelegentlich sorbisch gesprochen, womit das eigentliche Ziel des Witaj-Projektes nicht erreicht werde.

Zudem ist die Zahl der Gruppen insgesamt zwar angestiegen, in den „Randzonen“ des sorbischen Siedlungsgebietes jedoch nehme die Strahlkraft ab. „Wir haben es in der Anfangszeit versäumt, ausreichend Witaj-Gruppen zu etablieren und können dies jetzt auf der Basis ehrenamtlicher Arbeit auch nicht nachholen“, räumt Ludmila Budar ein.

Erhoffte Unterstützung von anderen Akteuren sei nicht wie erwartet eingetreten. Je weniger Kinder mit ausreichenden sorbischen Sprachkenntnissen jedoch die Kindergärten verlassen, desto schwieriger gestaltet sich die Bildung von Schulklassen, in denen nach dem „2+“ – Prinzip gelernt wird – der „natürlichen“ Fortsetzung des Witaj-Prinzips in der Schule. „Dabei ist Zweisprachigkeit für die kindliche Entwicklung immens wichtig, und zwar unabhängig davon, welche Sprache gelernt wird“, wie Barbara Krahl, Leiterin einer Kindertagesstätte in Trägerschaft des Sorbischen Schulvereins, betont.

Hinzu kommt natürlich auch der Wettbewerb der Schulen um die Kinder, bei dem die Möglichkeit zur Fortsetzung des sorbischen Spracherwerbs nicht das einzige Kriterium darstellt. Und diese Situation könnte sich verschärfen – beispielsweise durch Bestrebungen, Wittichenauer Kinder, die in Ralbitz-Rosenthal lernen, „heimzuholen“, oder durch Pläne für eine neue Grundschule in Nebelschütz.

Doch trotz dieser Probleme ist der Grundtenor nach 20 Jahren Witaj positiv und optimistisch. Denn immerhin ist es gelungen zu erreichen, dass junge Menschen in einer dreistelligen Zahl, die sonst kaum mit dem Sorbischen in Berührung gekommen wären, die Sprache auf muttersprachlichem Niveau sprechen. „Das wird allerdings den Assimilierungsprozess nicht aufhalten“, ist sich Ludmila Budar der Grenzen des Projektes bewusst. „Wir benötigen mehr öffentliche Sprachräume mithilfe von Rundfunk, Fernsehen und modernen Medien.“

Uwe Menschner / 12.03.2018

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