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St.- Carolus-Zukunft ist derzeit verschwommen

St.- Carolus-Zukunft ist derzeit verschwommen

Der Malteser-Rückzug löste in Görlitz und Kamenz einen Schock aus. Die Politik versucht nun schnell zu intervenieren – hier das St. Carolus-Krankenhaus Görlitz der Malteser. Foto: Matthias Wehnert

Die Ankündigung, sich von den Krankenhäusern Görlitz und Kamenz zu trennen, kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Probleme sind teils hausgemacht – eine Analyse.

Görlitz. Die Malteser bilden seit den frühen Neunzigerjahren mit ihren Kliniken in Görlitz (St. Carolus) und Kamenz (St. Johannes) einen festen Bestandteil der regionalen Krankenhauslandschaft. Umso lauter war der Aufschrei, als sie in der vergangenen Woche bekannt gaben, sich von sechs ihrer acht Krankenhäuser in Deutschland zu trennen – darunter auch von denen in der Oberlausitz. Die Malteser selbst sprechen von einer „Neuausrichtung ihres Engagements in der stationären Gesundheitsversorgung“ und kündigen an, sich künftig auf den Geschäftsbereich „Wohnen und Pflege“ konzentrieren zu wollen. Die sechs Krankenhäuser sollen „inklusive der zugehörigen medizinischen Versorgungszentren und Einrichtungen wie Apotheken oder Logistik unter einer neuen Trägerschaft fortgeführt werden“, so Karl Prinz zu Löwenstein, Generalbevollmächtigter der Malteser Deutschland gGmbH. Hierzu habe die Gesellschaft erste Gespräche mit ausgewählten potenziellen neuen Eigentümern aufgenommen. Ziel sei es, diese im ersten Quartal 2020 abzuschließen.

Die Malteser begründen ihren Teilrückzug damit, dass „die Vergütungen in der stationären Krankenpflege strukturell bedingt Kostensteigerungen nur zu einem Teil abdecken. Zum anderen ist die Förderung erforderlicher Investitionen unzureichend.“

Dies mache es insbesondere für Betreiber kleinerer Gruppen und einzelner Krankenhäuser schwierig, einen kostendeckenden Betrieb aufrechtzuerhalten und zusätzlich die notwendigen Investitionen zu tätigen. Die Malteser könnten daher nicht „an allen Standorten eine hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung der Bevölkerung nachhaltig sicherstellen.“ Tatsächlich hat die Malteser Sachsen-Brandenburg gemeinnützige GmbH, zu der neben den Krankenhäusern in Kamenz und Görlitz zehn Pflegeeinrichtungen zwischen Leipzig, Cottbus und künftig Bautzen gehören, 2017 einen Fehlbetrag von circa 1,9 Millionen Euro erwirtschaftet, wie aus dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Lagebericht hervorgeht.

Der Bereich Krankenhäuser schlägt mit minus 2,2 Millionen Euro zu Buche, während der Bereich Altenhilfe einen Überschuss von 317.000 Euro verzeichnet. Der Lagebericht nennt neben den allgemeingültigen Schwierigkeiten, mit denen die Krankenhäuser zu kämpfen haben, auch spezifische Probleme der eigenen Häuser: So habe die Umsatzentwicklung der Krankenhäuser nicht mit der der Pflegeeinrichtungen Schritt halten können. Im St. Johannes in Kamenz konnten die „geplanten geriatrischen Komplexpauschalen nicht abgerechnet werden.“ Die „Blockadehaltung des Freistaates Sachsen“ gegenüber der geplanten Geriatrie belaste das Ergebnis. Die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe habe sich nach dem Ausscheiden des langjährigen Chefarztes nicht „wie angenommen“ entwickelt.

Pfeil zeigte nach oben

Dasselbe gelte für die Abteilungen Urologie und Innere Medizin des St. Carolus in Görlitz. Bei der „Inneren“ habe die „hohe Fluktuation im ärztlichen Dienst“ wesentlich dazu beigetragen. Diese für 2017 genannten Probleme bestehen allerdings heute nur noch zum Teil. So hat der Freistaat Sachsen mit dem 2018 fortgeschriebenen Landeskrankenhausplan den Maltesern mit ihrem Kamenzer Krankenhaus den Versorgungsauftrag für die altersmedizinische Versorgung (Geriatrie) erteilt. Bei einem Besuch der Sächsischen Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch, im Juli 2019 wurden Pläne vorgestellt, das St. Johannes zu einem regionalen Zentrum der Notfallversorgung auszubauen, wofür die Ministerin ihre Unterstützung zusicherte. Große Hoffnungen setzten die Malteser auch in ihren neuen Kamenzer Chefarzt Dr. Johannes Kormann, einen ausgewiesenen Fachmann für Beschwerden im Bereich des Enddarms und der Analregion. Zu Beginn des Jahres teilten sie mit, dass sich die Patientenzahl 2018 im Vergleich zu 2017 deutlich erhöht habe (ein offizieller Jahresabschluss liegt noch nicht vor). „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über alle Berufsgruppen gut zusammengearbeitet und auch dadurch unsere Patienten sehr gut versorgt“, so der damalige Geschäftsführer Florian Rupp. Und weiter: „So ist ein erfolgreicher Krankenhausbetrieb möglich.“ Entsprechend positiv schaue die Krankenhausleitung ins Jahr 2019.

Auch im Görlitzer St. Carolus schien der Pfeil nach oben zu zeigen: So sagte der Freistaat Sachsen im August die Förderung des Projektes „demenzsensibles Krankenhaus“ zu – in Deutschland bislang einzigartig. Im September vermeldete die Krankenhausleitung die Inbetriebnahme des erweiterten Schlaflabors als „wichtiges Zukunftsprojekt.“ Auch die intensivierte Zusammenarbeit mit dem Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum bot Grund zum Optimismus. „Der Standort und das Angebot des Malteser Krankenhauses St. Carolus in Görlitz sind zukunftsfähig und werden von den Maltesern weiter entwickelt und profiliert,“ gab die Geschäftsführung der Malteser Deutschland gGmbH noch im Frühjahr bekannt.

Umso überraschter und schockierter zeigt sich die regionale Politik von der jüngsten Entwicklung. „Kalt erwischt“ sei er worden, bekannte der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz. Und sein Görlitzer Kollege Octavian Ursu erklärte: „Dass darüber von den Maltesern zunächst in den Medien informiert wurde, hat viel Vertrauen zerstört. Fest steht, dass das St.-Carolus-Krankenhaus neben dem Städtischen Klinikum wichtig für die medizinische Versorgung für Görlitz und die Region ist. Wir werden dafür kämpfen, dass es eine gute Lösung gibt, um die Arbeitsplätze erhalten zu können.“ Aus dem CDU-Stadtverband und der AfD-Ratsfraktion kam bereits der Vorschlag, das Städtische Klinikum solle die Übernahme des St. Carolus prüfen.

In der Ratssitzung an diesem Donnerstag nach Redaktionsschluss wollten AfD und CDU getrennte Anträge zum Kauf des Malteser-Krankenhauses Carolus einbringen.
„Mit einer solchen Übernahme ließen sich Synergieeffekte generieren, indem beispielsweise Schwerpunkthäuser eingerichtet werden“, ließ der AfD-Fraktionsvorsitzende Lutz Jankus den Niederschlesischen Kurier wissen. Doch vertrüge eine Stadt dieser Größenordnung zwei städtische Krankenhäuser, muss man CDU und AfD fragen.

Uwe Menschner / 09.11.2019

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