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Stolpert Löbau künftig über diese Steine?

Stolpert Löbau künftig über diese Steine?

Der Kölner Künstler Gunter Demnig (hier 2015 in Bischofswerda) hat bislang weltweit mehr als 90.000 Stolpersteine verlegt. Die Idee ist nicht unumstritten. Foto:Archiv

Manche Städte haben schon mehrere von ihnen, andere wollen sie gar nicht: In Löbau sollten laut Ankündigung der Initiative Löbaus jüdische Geschichte am vergangenen Freitag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) zwei Stolpersteine verlegt werden.

Löbau.
Adolf Abraham Grünewald und seine Frau Helene waren angesehene Bürger der Stadt Löbau. Seit 1919 betrieben der gebürtige Hamburger und seine aus Ostpreußen stammende Gattin das so genannte „Görlitzer Schuhhaus.“ Am 20. Oktober 1937 erhängte sich Adolf Grünewald im Verkaufsraum seines Geschäftes auf dem Altmarkt 4. Ein Zeitzeuge soll sich daran erinnert haben, dass er dabei sein Eisernes Kreuz trug, das ihm im Ersten Weltkrieg verliehen worden war. Der Löbauer Kaufmann wurde auf dem jüdischen Friedhof Zittau beigesetzt. Helene Grünewald starb 1942 im Ghetto Riga.

„Adolf Grünewalds Beerdigung war die letzte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs und der vollständigen Zerstörung der jüdischen Gemeinde Zittau-Löbau“, erklärt Felix Pankonin. Der Mitarbeiter der Hillerschen Villa in Zittau fungiert auch als Kontaktperson für die Initiative Löbaus jüdische Geschichte und hat die Verlegung der zwei ersten Löbauer Stolpersteine maßgeblich mit initiiert. Er erklärt: „Wir arbeiten seit vielen Jahren die Geschichte der Zittauer Jüdinnen und Juden auf, die mit den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Löbaus eine Gemeinde bildeten. Adolf Grünewalds Grab auf dem Jüdischen Friedhof in Zittau markiert einen Schlusspunkt des Lebens dieser Gemeinde, bevor sie durch die Nationalsozialisten vollständig zerstört wurde. Die Stolpersteine in Löbau unterstreichen zukünftig die Verbindung der beiden Städte im Gedenken an ihre jüdischen Bürgerinnen und Bürger.“ Zu den Mitstreitern zählen darüber hinaus der Augen auf e.V. Oberlausitz, die Gruppe Vielfalt des Glaubens – Christen in Löbau, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Löbau sowie mehrere Privatpersonen. Die Initiative widmet sich laut Felix Pankonin seit Ende 2021 der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte Löbaus und fördert das Gedenken an die Löbauer Jüdinnen und Juden, die Opfer der Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus wurden. 

Die Stolperstein-Verlegung ist allerdings nicht unumstritten – in Löbau wie in Deutschland insgesamt. 1992 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig initiiert, gibt es mittlerweile mehr als 90.000 Stolpersteine in 29 Ländern. Die Steine sind immer gleich gestaltet – als kleine Gedenktafeln aus Messing im Gehweg vor dem letzten frei gewählten Wohnort, in die die Lebensdaten der Vertriebenen oder Ermordeten eingeprägt sind. Kritiker der Aktion sehen darin allerdings weniger eine Würdigung als eine nachträgliche Erniedrigung der Opfer. So hatten sich beispielsweise in Annaberg-Buchholz Angehörige gegen die Verlegung ausgesprochen, die daraufhin abgesagt wurde.

In München hat der Stadtrat die Verlegung auf öffentlichem Grund 2015 verboten. Auch im Löbauer Stadtrat gab es konträre Meinungen dazu: So fragte Professor Klaus Werner (AfD-Fraktion): „Sind die Nachkommen befragt worden? Sind sie einverstanden? Wollen sie, dass man auf den Opfern symbolisch herumtritt? Wie ist das geschäftliche Modell zu bewerten, welches hinter dieser Verlegung steht?“ Kerstin Mosig (Bürgerliste) hingegen erklärte im Stadtjournal: „Ich halte diese Form für eine sehr wirkungsvolle Methode, immer wieder, besonders auch im Alltag, daran erinnert zu werden, dass Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt, unterdrückt und sogar getötet wurden und immer noch werden. … Wir sollen immer wieder darüber stolpern und einen Augenblick innehalten und nachdenken.“ Nachdem der entsprechende Beschluss im Juni noch vom Stadtrat in den entsprechenden Ausschuss zurück verwiesen worden war, erfolgte einen Monat später die mehrheitliche Zustimmung. 

Anmerkung: Da die geplante Verlegung erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe terminiert war, konnten eventuelle kurzfristige Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden.

Uwe Menschner / 25.09.2022

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