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„Touristen“ suchen in Deutschland Arbeit

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Die Verhinderung illegaler Einreise ist die Hauptaufgabe der Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf. Foto: Bundespolizei

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Auch so etwas fiel der Bundespolizei 2017 auf. Ein Fan von Borussia Dortmund wollte mit diesem Aufkleber am Kennzeichen den Eindruck einer gültigen Plakette vermitteln. Foto: Bundespolizei

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Auffällig ist, dass sich der Handel mit Hundewelpen sich zu einer festen Deliktskategorie entwickelt hat. Foto: Bundespolizei

Die Bundespolizei hat für den Abschnitt zwischen Bad Muskau und Hagenwerder ihre Jahresstatistik 2017 vorgestellt. Diebstähle an der Niederschlesischen Magistrale sowie Folgen der Liberalisierung von Einreisebestimmungen in den Schengenraum bilden dabei zwei Schlaglichter.

Ludwigsdorf. 1.117 Fälle einer unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik hat die im nördlichen Abschnitt des Landkreises Görlitz zuständige Bundespolizeiinspektion in Ludwigsdorf im Jahr 2017 feststellen müssen. Gegenüber den 877 „Anzeigen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz“ im Jahre 2016 hat sich damit ein Anstieg von 27% ergeben. Nun sind Zahlen immer interpretationsbedürftig und im Lichte aktueller politischer Entwicklungen zu deuten. Der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Michael Engler, selbst Herr über das zusammengestellte Zahlenwerk der Jahresstatistik 2017, führt an, dass 383 Fälle unerlaubter Erwerbstätigkeit – oft in Verbindung mit dem Gebrauch eines erschlichenen Visums – die Kurve 2017 nach oben getrieben hätten.

Dies stehe im engen Zusammenhang zur Liberalisierung der Einreisebestimmungen für ukrainische, aber auch georgische Staatsbürger. Die Ukrainer etwa können seit vergangenem Sommer ohne Visum in die Europäische Union einreisen. Voraussetzung dafür ist dort der Besitz eines biometrischen Passes, auf den nach der Neuregelung ein echter Run in den Passämtern der Ukraine ausgebrochen ist. Eine Einreise für 90 Tage ist damit „als Tourist“ möglich. Faktisch lockt der dreimonatige Aufenthalt jedoch zur Aufnahme von Erwerbstätigkeiten, mit der die Einreise dann zur unerlaubten Einreise wird. Die Bundespolizeidirektion Ludwigsdorf hat insofern 2017 auch umfassend in diesem Kontext erzielte Arbeitseinkommen beschlagnahmt – genau 114.976,11 Euro. Michael Engler spricht hier von bis zu 4.500 Euro in einem Einzelfall. „Bei den ertappten Männern handelt es sich dabei fast immer um Einkommen auf dem Bau, bei Frauen sind es klassischerweise Tätigkeiten im Bereich Pflege, Haushalt und Reinigung“, resümiert er.

Ein Großteil von Urkundendelikten könnte im Zusammenhang mit der Fälschung von rumänischen ID-Karten festgestellt werden, was vorwiegend durch die ja rumänischsprachigen Moldawier sowie im starken Maße auch durch ukrainische Staatsbürger zur Begründung ihres Aufenthaltes in Deutschland genutzt wurde. Im Bereich der Urkundendelikte ist hier mit einem Zuwachs um 87% auch der größte Anstieg unter allen Deliktsbereichen zu erkennen.

Michael Engler bekennt, dass selbst er Fälschungen dieser Scheckkartendokumente nicht zweifelsfrei erkennen könne. „Dieses Feld wird immer schwieriger und wir haben extra dafür Experten unter uns, auf deren Urteil wir alle angewiesen sind“, sagt er. Hingegen sei bei Fälschungen von Führerscheinen, Kennzeichen oder Wagenpapieren eher „Konstanz“ über die Jahre zu erkennen.

Dennoch müsse festgehalten werden, dass die Mehrheit illegal Eingereister weiterhin aus dem Irak und Russland stamme. 237 Geschleuste wurden bei insgesamt 43 Schleusungen aufgegriffen. Bei der gleichen Anzahl festgestellter Schleusungen gab es 2016 jedoch nur 171 Geschleuste. Die illegale Einreise erfolge dabei zumeist einzeln, während die Anreise zuvor bis dicht an die Grenze vorwiegend gruppenweise erfolge.

Die 1.117 Fälle einer unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik sind übrigens auch nur ein Teil von insgesamt 2.873 Anzeigen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz. Der „Verdacht“ müsse deswegen auch stark betont werden, da natürlich oftmals Menschen aufgegriffen werden, die sich in Asylverfahren befinden und deren rechtlicher Status erst nach der Feststellung der Ludwigsdorfer Kollegen abschließend bestimmt wird. Die strafbare Handlung ergäbe sich jedoch bereits daraus, dass Betroffene ohne gültige Reisedokumente den Grenzübertritt wagten. Der Zugriff erfolge jedoch beiderseits der Grenze, denn die deutsch-polnische Dienststelle aus jeweils 30 deutschen und 30 polnischen Kollegen bewähre sich. Da entlang der Autobahn Kollegen aus beiden Ländern gemeinsam auf Streife sein könnten, sei auf beiden Seiten der Neiße auch gewährleistet, dass ein Beamter die notwendigen hoheitlichen Aufgaben nach Landesrecht vollziehen könne.
Bei ihren Einsätzen stellten die Bundespolizisten 2017 aber außerhalb des weiten Feldes der Einreise ohne notwendige Dokumente auch andere Delikte fest. Einen Anstieg um 24,5% gab es bei Betäubungsmitteldelikten, die zu 72% in Görlitz festgestellt wurden. Die Täterschaft verteile sich dabei gleichmäßig auf deutsche wie polnische Staatsbürger, während andere Staatsbürgerschaften eher eine untergeordnete Rolle spielten. Vor allem ist jedoch anzumerken, dass die Anzahl der Delikte nichts über den eigentlichen Umfang aussagt, denn die Menge spiele bei der statistischen Zählung keine Rolle.

In recht ähnlichen oder zufälligerweise gar gleichen Größenordnungen wie 2016 bewegen sich Delikte in den Bereichen Waffen und Sprengstoffe, Eigentum, Verkehr (Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Verstöße gegen die Versicherungspflicht) oder der Abgabenordnung (Tabak, Zigaretten). In Sachen Waffen und Sprengstoffen ist es Michael Engler ein Anliegen, explizit darauf hinzuweisen, dass die in Polen leicht zu erwerbenden und oft als Taschenlampe getarnten Elektroimpulsgeräte in Deutschland verboten seien. Mit ihrem Erwerb und der Einfuhr nach Deutschland ergäbe sich bereits ein strafbarer Besitz. Die Sensibilisierung vor den Gefahren meist fernöstlicher Silvester-Pyrotechnik aus Polen habe durch die Presseberichterstattungen im Dezember merklich gewirkt, von daher hoffe er, dass der Hinweis in Sachen der Elektroimpulsgeräte ebenso noch einmal beherzigt werde, denn in diesem Bereich gäbe es häufig große Unwissenheit.

Erstmals hat Michael Engler in seine Statistik nun auch Delikte aus dem Bereich Tier- und Tiergesundheitsschutzes aufgenommen, womit ein Vergleich zu Vorjahreszahlen erst im kommenden Jahr möglich sein wird. Doch für ihn sei auffällig, dass der Handel vor allem mit Hundewelpen sich zu einer festen Deliktskategorie entwickelt habe. Notwendige Papiere könnten häufig nicht vorgelegt werden. Und dann gibt es natürlich noch das sehr spezielle Feld der Bahndelikte mit hoher Bandbreite. Zunächst, so Engler, könne man hier aufgrund des Rückgangs von 585 auf 423 Delikten – also um 28% – frohlocken. Statt 315 Sachbeschädigungen durch „Grafitti“ oder „Scratching“ hätten die Ludwigsdorfer Bundespolizisten 2017 nur noch 171 gezählt. Den Rückgang müsse man wohl auch auf eine veränderte Anreise von Schülern der Hans-Fallada-Förderschule Rietschen zu ihrem Unterricht zurückzuführen. 107 weitere Delikte bei der Bahn beträfen das Erschleichen der Beförderungsleistung. Hingegen sei jedoch eine unschöne Entwicklung in Sachen der Diebstähle bei der Bahn zu verzeichnen.
Die Neubaustrecke der niederschlesischen Magistrale habe nämlich eine hohe Anziehungskraft auf Diebe entfaltet. Entwendete Signalkabel zum Beispiel dürften zuletzt bei manchem polnischen Altmetallhändler in Zahlung genommen worden sein, kann man vermuten. Dies habe sich „in großen Mengen“ abgespielt.

Redaktion / 05.02.2018

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