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Vierseithof wird zum Minikraftwerk

Vierseithof wird zum Minikraftwerk

Bauherr Andreas Reitmann vor dem bereits sanierten Teil seines Vierseithofes in Liebon. Noch in diesem Jahr sollen dort die ersten Mieter einziehen können. Foto: RK

Ein Haus, das sich selbst mit Strom und Wärme versorgt, entsteht momentan im Gödaer Ortsteil Liebon. Dazu wird im kleinsten Dorf der Oberlausitz ein Teil eines historischen Vierseithofes in ein modernes Wohngebäude umgewandelt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten kommen die Arbeiten voran.

Liebon. Gehe es nach dem Willen von Bauherr Andreas Reitmann, hätten bereits vor Monaten die ersten Mieter ihre Wohnungen bezogen. Sieben Wohneinheiten in einer Größe von 50 bis 150 Quadratmetern entstehen unter dem mit Photovoltaikzellen bestückten Dach des Westflügels. Der Innenausbau soll möglichst in einem halben Jahr Geschichte sein, meint der Unternehmer aus Dresden. Vor etwa zehn Jahren verschlug es den Mann aus Nordrhein-Westfalen nach längerem Zwischenaufenthalt in München in Sachsens Landeshauptstadt. Der Presserummel um den kleinen Gödaer Ortsteil erregte auch seine Aufmerksamkeit. Zuvor hatten die letzten Bewohner das etwa zwei Hektar große Anwesen mit den zwei Ortseingangsschildern über die Internetplattform ebay zum Verkauf angeboten.

Bis der heute 50-Jährige mit seinem ehrgeizigen Projekt loslegen konnte, gingen so einige Monate ins Land. Zunächst waren die rechtlichen Grundlagen zu klären. Liebon zählt zu einem Außenbereich der Gemeinde Göda. Das wiederum bedeutet, dass es eines Bebauungsplanes bedarf, der genau festlegt, wo und wie was errichtet beziehungsweise saniert wird. Bereits im Jahr 2015 hieß es seitens des zuständigen Architekturbüros, dass mit einem Bebauungsplan für eine geordnete städtebauliche Entwicklung des leerstehenden Gebäudebestandes gesorgt werde. In einem Parallelverfahren sollte der Flächennutzungsplan geändert werden, damit der Umsetzung des Vorhabens nichts mehr im Wege steht. Noch im gleichen Jahr erhielt Andreas Reitmann von allen Seiten grünes Licht für sein Vorhaben.

Der einstige und geschichtsträchtige Bauernweiler Liebon wird künftig einen Mix aus Miet- und Ferienwohnungen, Veranstaltungsräumlichkeiten und Gastronomie bieten. „Das Hauptaugenmerk liegt dabei stets auf der Nachhaltigkeit und Regionalität“, bekräftigt der Bauherr. Die dafür notwendige Infrastruktur sei inzwischen vorhanden. „So verfügen wir bereits über eine reine Pflanzenkläranlage, die für die Gesamtkapazität von Liebon in der Endausbaustufe ausreichend dimensioniert ist und dem aktuellen EU-Standard entspricht. Sie allein hat um die 40.000 Euro gekostet“, nennt Andreas Reitmann ein Beispiel. Insgesamt geht er von einer Gesamtinvestitionssumme im siebenstelligen Bereich aus. Geld für einen weiteren Bauabschnitt stehe bereit. „Damit werden wir acht Ferienwohnungen im Nordhaus in Angriff nehmen“, sagt der Investor erleichtert. „Ich rechne noch im Laufe dieses Jahres mit einem Baubeginn.“ Wie die restlichen Dächer wird das des Nordflügels komplett mit Photovoltaik ausgestattet, berichtet der Fachmann. „Die Technologie, die sich dahinter verbirgt, nennt sich Power-to-Heat. Auf Basis von erzeugtem Strom wird der Energie- und Erlebnishof Liebon mit Wärme und Warmwasser versorgt. Natürlich dient dieser Strom auch dem eigenen direkten Verbrauch.“

Der Wahl-Dresdener indes kann es kaum erwarten, mit Sack, Pack und Familie selbst in das kleinste Dorf der Oberlausitz zu ziehen. „Wir werden hier in Zukunft weitestgehend unabhängig von jedem Energieversorger sein.“ Technologiefirmen aus Bayern und Sachsen-Anhalt helfen in Kooperation mit Handwerksbetrieben aus der Region dabei, dieses Konzept umzusetzen. „Alle Überlegungen sind langfristig ausgerichtet. So werden sich die sehr hohen Anfangsinvestitionen erst nach 20 Jahren rentiert haben. Danach allerdings liefert die Sonne quasi Strom und Wärme gratis. Gegenüber Gas- und Ölheizungen schickt sie keine Rechnung. Wenn die Anlagen abgeschrieben sind, verfügt Liebon über eigenen kostenlosen Strom“, führt Andreas Reitmann weiter aus. „Ich kann mein Auto kostenlos aufladen und meine Wohnung heizen, ohne dabei auf den Geldbeutel schauen zu müssen.“

An Ort und Stelle existiert schon ein großer Batteriespeicher. Dieser ermöglicht es dem Bauherrn, dass er seit einem Jahr keinen Strom von einem Fremdanbieter beziehen muss. „Und das Beste: Die gesamte Energieerzeugung ist frei von jeglichem Kohlendioxid.“
Das kommt an bei potenziellen Mietern. Über eine mangelnde Nachfrage braucht sich der 50-Jährige nicht zu beklagen. Sogar aus der alten Heimat München gäbe es hin und wieder Anfragen nach Wohnraum in Liebon. „Unter anderem meldete sich eine ältere Dame bei mir“, erzählt Andreas Reitmann, „für die das Leben in Giesing inzwischen einfach zu teuer geworden ist.“ Sie würde in dem Gödaer Ortsteil genauso eine Bleibe finden wie junge Familien. „Wichtig ist, dass die Menschen weltoffen und kommunikativ sind. Liebon soll zu einem Ort werden, in dem der eine den anderen unterstützt.“ Und vielleicht findet sich in diesem Zuge auch ein Schreiner, der das alte Handwerk noch immer lebt. „Zum bewussten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen gehört, dass Erhalt und Sanierung nach Möglichkeit vor Abriss und Neubau geht. Zum Beispiel soll ein Großteil des alten Holzes wieder verwendet werden – und zwar zum Bau von Möbeln für die Ferienwohnungen und vor allem für den Gaststättentrakt. Hierzu bin ich noch auf der Suche nach einem Fachmann, der gerne mit Altholz arbeitet und in Liebon längerfristig tätig sein möchte“, betont Andreas Reitmann. Er forscht aber auch nach Zeitzeugen, die von Begebenheiten auf dem Hof berichten können und ihm Schnappschüsse und historische Dokumente überlassen. „Das Material möchte ich später einmal den Besuchern innerhalb einer kleinen Ausstellung zugängig machen. Ich freue mich auf den Austausch mit allen Leuten, die etwas über die abwechslungsreiche Geschichte von Liebon erzählen können.“ Und die reicht immerhin schon über 700 Jahre zurück.

Fazit: An Ideen und selbstgesteckten Zielen mangelt es im kleinsten Dorf der Oberlausitz wahrlich nicht.

Roland Kaiser / 02.08.2017

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Kommentare zum Artikel "Vierseithof wird zum Minikraftwerk"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. DC5UN schrieb am

    Finde ich klasse.
    Und bewundere, dass einer mal den Mut hat und das angeht. Respekt !!!

  2. Berbara Kool schrieb am

    Wunderbar!

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