Wenn Kitakinder Hochzeit machen

Am Tag der Vogelhochzeit tragen die Vorschulkinder der sorbischen Kita „Jan Radyserb-Wjela“ stolz ihre original katholische Festtagstracht, um so Lausitzer Brauchtum am Leben zu erhalten. Foto: CSB
Bautzen. Konstantin Utch kann seine Aufregung nicht verbergen. Seit der Adventszeit studiert der Sechsjährige seine Rolle ein. Inzwischen identifiziert er sich so sehr mit der Figur des Braška, dass er von sich aus an so manch einem Tag völlig gedankenversunken seinen Text vor sich her spricht, erzählt Grit Hentschel. Sie leitet in der Spreestadt die vom Christlich-Sozialen Bildungswerk (CSB) getragene, sorbische Kindertagesstätte „Jan Radyserb-Wjela“, die Konstantin besucht. Als Hochzeitsbitter, was Braška übersetzt bedeutet, wird er für einen kurzen Moment zum Einlader und lustigen Unterhalter der Gäste. Im wahren Leben übernehmen oft sprachgewandte Männer diesen Part als festes Amt für längere Zeit und damit für viele Hochzeitspaare in einem Ort oder einer Region. Für die Darbietung der von der CSB-Kita einstudierten Vogelhochzeit auf der Bühne des Sorbischen National-Ensembles (SNE) darf Konstantin in Kürze seine Qualitäten als Stimmungskanone unter Beweis stellen. Denn keiner im Publikum soll sich nach der Hochzeitszeremonie langweilen. Elster (sroka) und Rabe (hawron) als Braut und Bräutigam werden indes von Tereza Matschie und Carly Baierl verkörpert. Anstatt eines Federkleides kommen der Tradition zufolge sorbische Hochzeitstrachten zum Einsatz. „Diese und auch die Vogelkostüme befinden sich seit Jahren im Bestand der Kindertagesstätte“, erklärt Grit Hentschel. „Die Kleinen stellen so den original sorbischen Hochzeitszug dar.“ In diesem Winter werde der von 15 Vorschülern gestaltet, begleitet von einer 25-köpfigen Vogelschar in bunten Vogelkostümen. Nach Angaben von CSB-Sprecherin Ute Große sind inzwischen Texte und Liedgut in die tägliche Kita-Arbeit integriert worden, damit am Nachmittag des 25. Januar nichts schief geht.
„Die Erzieherin spricht mit ihren Schützlingen die Texte, es werden Lieder gesungen und die Tänze geprobt. Zweimal pro Woche üben die kleinen Darsteller das gesamte Programm ein.“ Doch wie sind Konstantin, Tereza und Carly eigentlich an ihre Rollen gelangt? Grit Hentschel: „Mit Hilfe von Trachtenpuppen, die die Erzieherin zur Veranschaulichung ins Zimmer holte, und in Zusammenarbeit mit den Kindern hat sie die Charaktere auf die in Frage kommenden Mädchen und Jungen verteilt. Im Vorfeld ist zu klären, welches Kind gern vor Publikum spricht, singt und tanzt. Natürlich sind in dem Zusammenhang auch die Vorstellungen unserer Schützlinge von Bedeutung. Die Erzieherin versucht so, auf jedes Kind die zugeschnitte Rolle zu übertragen. Bislang waren die Kleinen immer glücklich mit der getroffenen Entscheidung.“
Inwieweit das Kita-Personal auch diesmal ein glückliches Händchen hatte, wird sich am kommenden Freitag zeigen.
Bei der Vogelhochzeit handelt es sich um einen Jahresbrauch, der in einigen europäischen Regionen bekannt ist, vor allem aber bei den Sorben in der Lausitz.
Am Vorabend des 25. Januar stellen Kinder einen Teller auf das Fensterbrett oder vor die Tür. Am nächsten Morgen finden sich darauf dann Süßigkeiten in Form von Vögeln oder Nestern. Im Verständnis des Brauchs sind die Leckereien von Vögeln gebracht worden, die sich durch diese Beteiligung der Kinder am Hochzeitsmahl für die Winterfütterung bedanken. Quelle: Wikipedia
Ab 15.00 Uhr stehen Konstantin, Tereza, Carly und die zahlreichen anderen Kindergartenknirpse auf der Bühne des SNE im Licht der Scheinwerfer.
Zu der Vorstellung an der Äußeren Lauenstraße werden wieder Dutzende Besucher erwartet. Da die Aufführung im öffentlichen Rahmen stattfindet, kann einjeder im Saal Platz nehmen. Doch bevor es losgeht, wird der eine oder andere in den Reihen der jungen Darsteller auf die Schnelle wohl noch einen Mutmacher verzehren. Den kriegen die Kita-Kinder bereits wenige Stunden vor der Vogelhochzeitaufführung – und zwar in Form eines Teigvögelchens. Im Verständnis dieses Brauches sind die Leckereien von Vögeln gebracht worden, die sich auf diese Weise bei den Kindern für die Winterfütterung bedanken.
Wer darüber hinaus Vogelhochzeit feiern möchte, dem bietet das Sorbische Nationalensemble ausreichend Gelegenheit dazu. Ab dem 23. Januar wird an verschiedenen Orten in der Ober- und Niederlausitz die vom SNE einstudierte Kindervogelhochzeit 2019 aufgeführt. Diese trägt den Titel „Hochzeitstraum im Märchenwald“. Insgesamt 25 Darbietungen sind geplant, darunter eine Familienvorstellung am 6. Februar, 17.00 Uhr im SNE-Saal in Bautzen. Im vergangenen Jahr hatten sich zu den Kindervogelhochzeiten des Ensembles rund 8.000 Besucher eingefunden.
Wer sich hingegen für die sogenannten Abendvogelhochzeiten begeistert, kommt im Bautzener Raum erstmals am Samstag, 26. Januar, in den Genuss. Dann öffnet sich 19.30 Uhr in der Radiborer Mehrzweckhalle „Slavia“ der Vorhang für das aktuelle Programm „Kaum zu glauben“. Weitere Termine sind: 3. Februar, 16.00 Uhr Ballhaus Hochkirch; 16. Februar, 16.00 und 19.30 Uhr SNE-Saal Bautzen; 17. Februar, 16.00 Uhr SNE-Saal Bautzen.