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Wilde Hatz im Wald an der Landeskrone

Wilde Hatz im Wald an der Landeskrone

Auf dem Schild an der Fahrstraße Richtung Landeskrone steht es ganz deutlich: Hunde sind anzuleinen, um die Tiere im Naturschutzgebiet nicht zu beunruhigen. Doch offenbar gibt es unter den Hundebesitzern jede Menge schwarze Schafe. Foto: fum

Der Winter hat auch die Landeskrone fest im Griff. Idylle pur, könnte man meinen. Doch von Zeit zu Zeit wird diese Ruhe unterbrochen. Nicht angeleinte Hunde hetzen durch’s Unterholz und leben ihren Jagdtrieb aus. Bei dem hier lebenden Rehwild gab es schon Verluste.

Görlitz. Lange Zeit haben es die beiden Frauen kopfschüttelnd hingenommen. Doch seit dem jüngsten Vorfall Anfang dieses Jahres ist damit Schluss. „Was hier im Naturschutzgebiet an der Landeskrone immer wieder abgeht, gehört an die Öffentlichkeit, damit sich das ändert“, hoffen sie.

Es muss am ersten Wochenende im Januar gewesen sein, den genauen Tag haben sich die Beiden nicht gemerkt. Im Zaun an der Fahrstraße, die hinauf zum Gipfel der Landeskrone führt, steckte ein Reh. Mit dem Kopf festgeklemmt, das Hinterteil blutig aufgerissen. „Das Tier lebte noch, aber es litt höllische Qualen.“ Anwohner alarmierten die Polizei, die dem Reh dann den Gnadenschuss gab.
Als Ursache haben die beiden Frauen, die ebenfalls unterhalb der Landeskrone wohnen, frei laufende Hunde ausgemacht. Bellos, die im Naturschutzgebiet eigentlich angeleint werden müssten, von ihren Besitzern aber freizügig Auslauf bekommen. „Diese Leute stört es überhaupt nicht, dass ihre Vierbeiner jedes Mal einen wilden Aufruhr verursachen. Warum stehen hier überall Schilder mit Regeln, wie man sich in einem solchen Territorium zu verhalten hat?“, kritisieren die beiden Anwohnerinnen, die das wilde Treiben schon des öfteren beobachtet haben. „Wir haben die Hundehalter darauf angesprochen, aber entweder bekommt man Gleichgültigkeit vorgesetzt oder es gibt eine patzige Antwort.“ Nicht nur, dass Wildtiere wie Rehe in der kalten Jahreszeit sparsam mit ihren Energiereserven umgehen und deshalb jede unnütze Bewegung vermeiden – die schwarzen Schafe unter den Hundehaltern würden mit ihren Vierbeinern auch keine Rücksicht auf Artgenossen und Spaziergänger nehmen. „Der Name des Gebietes sagt es eigentlich schon: Es geht um Natur, die zu schützen ist. Wer sich beim Gassi gehen daran hält ist willkommen, die Ignoranten unter den Hundehaltern sollen ihre Vierbeiner gefälligst woanders von der Leine lassen!“

Bei der Polizei in Görlitz bestätigt man den jüngsten Vorfall. „Am Abend des 9. Januar waren drei Personen mit zwei Hunden im Wald an der Landeskrone spazieren. Offenbar fingen die beiden Tiere während des Spaziergangs plötzlich an, ein Reh zu jagen. Das Wild wurde dabei verletzt. Ein Beamter einer herbeigerufenen Polizeistreife erlöste das Tier mit seiner Dienstwaffe von seinem Leid. Der zuständige Jagdpächter wurde informier“, rekapituliert Pressesprecher Tobias Sprunk die Geschehnisse. Eine Statistik zu derartigen Fällen gebe es allerdings nicht. Deshalb könne man auch keine Aussage zur Häufigkeit treffen.

Holger Kloß vom Ordnungsamt der Stadt Görlitz teilt Folgendes mit: „In einem derart großen und schwer zu überblickenden Waldgebiet ist es ohne konkrete Anhaltspunkte sehr schwierig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Man bitte daher die Anwohner, über solche Vorkommnisse den zuständigen Mitarbeitern in der Stadtverwaltung möglichst konkret zu berichten. Insbesondere zu welchen Zeiten und an welchen Stellen diese Dinge beobachtet worden seien.

Kerstin Riehle, im Umweltamt des Landratsamtes Görlitz zuständig für den Sachbereich Schutzgebiete/Widersprüche, beklagt die Situation rund um das Naturschutzgebiet ganz generell: „Leider achten und beachten verschiedene Nutzer des Hausberges nicht den besonderen Schutzstatus: Autofahrer trotz Fahrverbot, Fahrradfahrer im Gelände, Spaziergänger außerhalb der zulässigen Wege, Entsorgung von Schnittgut und Müll sowie frei laufende Hunde!“ Die personelle Situation lasse es leider nicht zu, kontinuierlich Kontrollen durchzuführen. Laut der Fachfrau aus der Kreisbehörde können Verstöße gegen die Vorschriften in Schutzgebieten mit bis zu 10.000 Euro geahndet werden.

Einst wurde die Landeskrone wegen ihrer artenreichen Pilzflora, der Insekten-, Weichtier- und Wirbeltierfauna zum Naturschutzgebiet erklärt. „Deshalb“, so Kerstin Riehle, „ist es auch verboten, die Wege zu verlassen. Hunde müssen angeleint werden. Frei laufende Hunde könnten wild lebenden Tieren nachstellen, sie beunruhigen, verletzen oder gar töten.“ Von freilaufenden Hunden könne grundsätzlich eine Störung von Wildtieren ausgehen. „Sie werden aufgescheucht, fliehen und meiden Bereiche, in denen sie wiederholt durch die Hunde gestört wurden, wodurch sich ihr Lebensraum verkleinern kann.“

Besonders gravierend seien die Auswirkungen zur Fortpflanzungszeit, da die Elterntiere dann in Konflikt zwischen ihrem Fluchttrieb und dem Schutzbedürfnis für ihre Jungen gerieten. „Aus der Stresssituation resultiert ein erhöhter Energiebedarf, was in der kalten und nahrungsärmeren Winterzeit besonders von Nachteil ist“, erklärt die Expertin. Darüber hinaus seien winterschlafende Tiere in dieser Jahreszeit besonders gefährdet. „Durch das Laufen und Wühlen der Hunde oder durch nachsuchende Menschen können darüber hinaus Gelege von bodenbrütenden Vögeln oder auch seltene Pflanzen zerstört werden.“

Kerstin Riehle appelliert deshalb an die Vernunft der Hundebesitzer, die wild lebenden Tiere genauso zu schützen wie ihre eigenen Tiere.
 

Frank-Uwe Michel / 15.02.2017

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