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Alternative Fakten aus dem Rathaus

Alternative Fakten aus dem Rathaus

Für Irritationen und auch Verärgerung sorgte bei manchen Stadträten dieses Schreiben aus dem Rathaus. Mit ihm wollten die Initiatoren Bautzen offenbar zu einem besseren Ruf verhelfen.

Das Stadtmarketing des Bautzener Rathauses steht in der Kritik. Nach Einschätzung einer Dresdener Werbeagentur ist es in der Vergangenheit nicht professionell genug angegangen worden, um die Erfolge Bautzens auch entsprechend zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund wagte die Verwaltungsspitze jüngst einen Vorstoß zur Imagepflege, der jedoch mächtig in die Hose ging.

Bautzen. Die Spreestadt hat ein Wahrnehmungsproblem: Nach den Ereignissen auf dem Kornmarkt im Herbst 2016 und der anschließenden Berichte in überregionalen aber auch lokalen Medien prägte sich bei vielen Menschen das Bild einer „braunen Stadt“ ein. So sieht es zumindest die Verwaltungsspitze im Rathaus, die sich kürzlich mit einer „gemeinsamen Erklärung zum Medienecho“ an ihre Bürgervertreter wandte. Die Botschaft des Papiers sollte sein: Gegen eine Berichterstattung, „die die Stimmung anheizt, die verurteilt, die das Image beschädigt und Bautzen nur als gescheiterte Stadt darstellt“, setzt sich die Kommune zur Wehr. Hingegen müsste wieder zu einem ausgewogenen Maß an positiven Nachrichten zurückgefunden werden, die die Stadt Bautzen nach Ansicht des Verfassers „zuhauf“ vorweisen kann. Dazu gehöre unter anderem der Aspekt, dass sich ein jeder Tourist in diese „wunderschöne Stadt sofort verliebt, wenn er über die Friedensbrücke fährt“. Und weiter: „Niemandem nutzt es, wenn nur die schlechten Dinge aus allen Nachrichten herausgezogen werden.“

So mancher Stadtrat fühlte sich beim Lesen dieses Schreibens eher in einen Vorort von Washington D.C. versetzt. In den USA ist es selbst in Regierungskreisen inzwischen zur Normalität geworden, eine kritische Berichterstattung als so genannte „Fake News“ zu brandmarken, also als manipulativ verbreitete, vorgetäuschte Nachricht oder Falschmeldung.

Fluchtversuch aus der Wirklichkeit?

Dabei hat eine Studie der Universität Bielefeld zu den Vorfällen auf dem Kornmarkt klar aufgezeigt: In Bautzen gibt es nach wie vor eine Skepsis gegenüber Flüchtlingen, die bei den Spreestädtern in unterschiedlichem Maße ausgeprägt ist. Schlimmer noch: Stilles Einverständnis und mangelnder Widerspruch hätten zu einer vermeintlichen Legitimation von Gewalt geführt.

Vor diesem Hintergrund wird der an den Tag gelegte Aktionismus der Verwaltungsspitze durchaus begreifbar. Mit einem Aufruf, die Stadträte und Einwohner auf Linie bringen zu wollen, ist sie jedoch zunächst gescheitert. In besagtem Entwurfsschreiben, das dem Oberlausitzer Kurier in Kopie vorliegt, regt die Stadtspitze sinngemäß an, sich stärker als bisher für eine positive Meinungsbildung bezogen auf Bautzen stark zu machen. „Jeder Einzelne – Medien wie Stadt, Bürger wie Gäste – hat eine Verantwortung dafür, dass die Gesellschaft zusammenhält und Probleme schnell und nachhaltig gelöst werden.“ Wie die Kommune nach Ansicht des Rathauses darzustellen ist, erklärt der Autor gleich am Anfang des Briefes, der ursprünglich auch die Einwohner der Spreestadt erreichen sollte: „Bautzen, die Hauptstadt der Obersorben, die Perle an der Spree, hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten so gut entwickelt wie kaum eine andere Stadt in Ostdeutschland… Wir können eine durchweg positive Bilanz von unserer Stadt ziehen – unserer Heimat. Wir sind heute mehr die drei großen ‚S’ – Sorben, Senf und Silbermond – als Gelbes Elend und Stasiknast.“

SPD und CDU gegen Kritik an der Presse

Auch dem für die Bündnisgrünen im Stadtparlament sitzenden Claus Gruhl sind diese Zeilen bekannt. „Es gab die Absicht einer gemeinsamen Erklärung des Oberbürgermeisters und der Stadträte zur negativen Berichterstattung in den Medien über Bautzen. Dazu wurde den Stadträten ein Entwurf geschickt, der qualitativ so unterirdisch war, dass ich darauf nicht einmal geantwortet habe.“ Das sei inzwischen offenbar auch dem Verfasser klar geworden. Von einer Veröffentlichung wurde daher ausdrücklich abgesehen, wie Claus Gruhl erfahren haben will. „Das Anliegen an sich kann ich gut verstehen“, meint Steffen Grundmann von der Linkspartei. „Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass sich Stadträte vorab zu gemeinsamen Erklärungen abstimmen. Ich finde es nicht verwerflich, wenn dieser Impuls von der Stadtverwaltung ausgeht.“

Nach Einschätzung von SPD-Fraktionschef Roland Fleischer steckte dahinter ein naiver Versuch, etwas Gutes zu wollen, das jedoch krachend endete.

„Auf Bitten einzelner Stadträte sollte eine gemeinsame Erklärung ohne irgendwelche Konsequenzen verfasst werden. Geschickt wurde ein Vorentwurf, der jederzeit revidiert werden konnte und wurde. Ich als Fraktionsvorsitzender habe sofort mitgeteilt, dass ich dieses Schreiben nie unterzeichnen werde.“ Es sei das erste Mal in der jüngeren Geschichte von Bautzen, dass eine Erklärung mit derartigem Inhalt an das Stadtparlament herangetragen wurde. Allerdings habe es auch früher bereits gemeinsame Schriftsätze beispielsweise gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Demonstrationen der NPD in Bautzen gegeben. Jedoch nicht gegen das Versammlungsrecht. „Soweit ich mich erinnern kann, führte das zumindest zu Diskussionen in der Bevölkerung“, sagt Roland Fleischer. Trotz der Medienberichte zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in der Spreestadt verwahrt sich der SPD-Politiker gegen eine Presseschelte: „Ich habe mich sofort nach Erhalt des Entwurfs dagegen ausgesprochen, da ich überhaupt nichts von Pressekritik halte und auch nichts von solch teils fruchtlosen, teils übertrieben beschönigenden Sätzen. Die wenigen Stadträte, auf dessen Initiative die Entwurfserklärung verfasst wurde, hatten die naive Auffassung, Bautzen mit einer gemeinsamen Erklärung in einem positiveren Bild darstellen zu können. Was sich das Rathaus davon versprach, erschließt sich mir nicht.“

Die CDU hat sich bereits von dieser Aktion „eindeutig“ distanziert, teilte Fraktionschef Karsten Vogt mit. „Egal, wer so etwas initiiert, das Grundgesetz unseres Staates sichert die Presse- und Meinungsfreiheit als Grundrecht zu. Die Initiatoren müssen sich hinterfragen, welche Auffassung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sie in sich tragen. Man löst Probleme nicht dadurch, dass man sie nicht benennt.“

Wir erinnern uns: Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres hatte OB Ahrens in einem Offenen Brief, der nach wie vor auf seiner Facebook-Seite zu finden ist, gegen Berichte in der lokalen Tageszeitung gewettert. Damals ging es jedoch nicht um vermeintlichen Rechtsradikalismus in der Spreestadt, sondern um die Diskussion über die Zukunft der Stadthalle Krone, die inzwischen an Fahrt aufgenommen hat. In besagtem Schreiben kündigte das Stadtoberhaupt an, alle Abos außer das der Pressestelle kündigen zu wollen – weil die Redaktion „anfangs nach meinem subjektiven Empfinden allein auf Zuruf des Verkäufers, seit Wochen ebenso nach meinem persönlichen Empfinden ausschließlich im Sinne einzelner Stadträte berichtet“. Bleibt unterm Strich die Befürchtung: Werden die Medien nun auch hier zu Lande verstärkt zur Zielscheibe der Politik?

Medien – der Spiegel der Gesellschaft

Mike Hauschild von der FDP kann davor nur abraten. Seines Erachtens liegt die Aufgabe der Medien in erster Linie darin, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. „Es gibt da neutrale Spiegel und auch verzerrende Spiegel“, sagt er. „Die Gesellschaft, das sind auch die Verwaltung, die Politiker, die Bürger. Wenn jemandem das Spiegelbild nicht gefällt, ist es doch nicht der Spiegel, der sich falsch verhält, der verspricht und das dann nicht hält, der sich über andere erhebt, ohne besser zu sein, der die Sorgen und Probleme anderer herunterspielt, der seine Meinung über die der anderen hebt.“ Mit Blick auf die Medienbranche fügte er hinzu: „Ja, es gibt auch unter den Journalisten einzelne, die ihre persönliche Meinung als die einzig wahre Meinung ansehen und diese undifferenziert zur Stimmungsbeeinflussung einsetzen. Das ist menschlich und muss man als Politiker aushalten.“ Zum Glück seien die Medienvertreter in „unserer Region“ professionell und neutral. Auch sie berichteten über die Ereignisse vor mehr als anderthalb Jahren. Im September 2016 waren Einheimische und junge Asylbewerber auf dem Kornmarkt aneinandergeraten. Alkohol spielte damals ebenfalls eine Rolle, wie sich im Nachhinein zeigte. Die örtliche Polizei konnte Augenzeugenberichten zufolge im Verlauf des Abends beide Lager zwar trennen, jedoch erst, nachdem sie die Friedensbrücke abriegelte. Zahlreiche Flüchtlinge hatten kurz zuvor Schutz in ihrer nahegelegenen Unterkunft gesucht. Die Macht der damals eingefangenen Bilder hallt bis heute nach. Es bedarf also einer weitaus größeren Anstrengung, als allein hübsche Beschreibungen von einer Stadt wie Bautzen unters Volk zu bringen. Im Kern stellt sich eher die Frage: Wie viel ist es der Verwaltung wert, künftig noch stärker in die Prävention und Aufklärung zu investieren?

Angekratztes Image hat mehrere Ursachen

Warum es bezogen auf den Kornmarkt zu der für Bautzen so unvorteilhaften Berichterstattung gekommen ist, versucht Karsten Vogt folgendermaßen zu erklären: „Als dort die Auseinandersetzungen wüteten und zwei Drittel der Stadträte eine außerordentliche Sitzung gegenüber dem Oberbürgermeister beantragten, wurden wir belehrt, dass auch für eine solche Sitzung Ladungsfristen einzuhalten wären. Die Tatsache, dass die Situation dringlich war und damit ein Eilfall gemäß der Gemeindeordnung bestand, wurde vom Oberbürgermeister nicht berücksichtigt. So saßen wir Stadträte viele Wochen später im Stadtrat und wurden von der Polizei und der Stadtverwaltung über jene Dinge informiert, die längst in den Zeitungen standen. Selbst für eine gemeinsame Erklärung der Stadträte war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät. Der Versuch der CDU-Fraktion, in dieser Situation eine Aktion für Bautzen in Kooperation mit der Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) gGmbH ins Leben zu rufen, scheiterte am Votum des Stadtrates. Da brauchen wir uns nicht über schlechte Presse beschweren, sondern müssen unsere Hausaufgaben machen.“

Auch der jüngste Image-Schaden sei vermeidbar gewesen. „Die Firma Minnemedia wurde mit einer Analyse zum Ist-Stand des Stadtmarketings beauftragt. Die Analyse enthielt Formulierungen, bei denen der Geschäftsführer, Herr Spath, später vor dem Stadtrat einräumte, dass er bewusst überspitzt hätte, um eine Wirkung zu erzielen.“ Leider verfehle eine solche Arbeitsweise die Maßgaben für eine Analyse. „Auch war es falsch, dieses Papier in dieser Qualität noch vor der Diskussion im Stadtrat an die Öffentlichkeit zu geben.“ Kurzum: Bei diesen Aspekten sei anzusetzen, „wenn wir das Image der Stadt wieder aufwerten wollen“.

Roland Kaiser / 11.03.2018

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