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And the winner is: Zittau und die Lausitz

And the winner is: Zittau und die Lausitz

Landrat Bernd Lange stellte im Landratsamt das Logo anlässlich des 10. Kreisjubiläums ebenso vor wie den Projektleiter für die Aktivitäten im Jubiläumsjahr 2018 Peter Schulz. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der Landkreis Görlitz begeht seinen zehnten Jahrestag mit einem Bürgerfest und zwei Publikationen. Kulturell weitaus entscheidender im Jubiläumsjahr ist jedoch, dass Görlitz Zittau das Feld für die Kulturhauptstadt 2025 überlässt.

Görlitz. Eigentlich hatte der Landrat die Presse eingeladen, um die Aktivitäten rund um das in diesem Jahr anstehende 10. Jubiläum des Landkreises Görlitz mitsamt der diesbezüglichen Vermarktung und des dazugehörigen Logos vorzustellen. Aber verschlungen anmoderiert verbarg sich in den Ausführungen zur Kultur auch die Botschaft, dass sich Görlitz aus der Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt 2025 zugunsten von Zittau zurückziehen werde. Zittau könne durch die Nähe sowohl zu Tschechien mit Reichenberg (Liberec) und Polen – hierbei ist vor allem Hirschberg (Jelenia Gora) von großer Bedeutung – noch stärker auf grenzüberschreitende Verknüpfungen setzen, als dies bei Görlitz mit dem starken Doppelstadtnimbus schon der Fall sei. Görlitz sei damit dennoch nicht gänzlich raus, denn Zittaus Bewerbung will man quasi mit der Sechstädtebundpower an sich, noch deutlich breiter anlegen.

Irgendwie passte dies auch im Hinblick auf die anstehenden Aktivitäten zum Kreisjubiläum ins Bild, die allesamt nach „Mehr Lausitz“ klingen. Irgendwann wird auch Zeitgeschichte einmal zur Geschichte. Landrat Bernd Lange konnte bei der Vorstellung der Aktivitäten rund um das 2018 anstehende zehnjährige Jubiläum des Landkreises nicht verhehlen, dass der heutige Landkreis noch nicht so recht in den Köpfen vieler seiner Bewohner angekommen ist. Jedenfalls nutzt der Kreis, der nach Bekunden seines Chefs letztlich auch nur funktional ein kommunaler Zweckverband sei, das Jubiläum dazu, seine kulturelle Vielfalt einerseits zu betonen, dabei andererseits seine historische Verbundenheit hervorzuheben und diese als Identität auch weiterzuentwickeln. Lange erinnerte an die schwierige Findung des Kreiswappens, in dem sich Oberlausitz, Schlesien und Sorben gleichermaßen vertreten fühlen.

Etwas Verschiebung hin zu Oberlausitz allerdings verheißt ein Malbuch für Kinder, an dem sich die Euroregion Neiße, die Sparkasse und die Hochschule beteiligen. Die Auflage von 10.000 Exemplaren soll zum Bürgerfest am 25. August vorliegen. Die Büroleiterin des Landrats, Susanne Lehmann, kündigte ein Familienfest mit viel Spaß und einem Bühnenprogramm an. Die einzelnen Ämter werden sich vorstellen und Besucher könnten für „Greenbox-Fotos“ posieren, bei denen der grüne Hintergrund elektronisch herausgefiltert und ein anderer Hintergrund hineinprojiziert werden kann.

Das deutsch-polnisch erscheinende Malbuch, in dem die Oberlausitz als Kulturraum von der Pulsnitz bis zum Quais (Kwisa) vorgestellt wird, soll zum Schuljahr 2018/19 zudem allen Grundschülern im Kreis Görlitz sowie dem polnischen Schwesterkreis ausgehändigt werden. Auch ein sorbischer Text wäre denkbar, „wenn sich denn die Sorben entscheiden können, ob als Grundlage nun der Schleifer Dialekt oder ein anderer“ die Übersetzungsgrundlage bilden solle, betonte Bernd Lange wohl ganz spontan überlegt auf Nachfrage eine Journalisten.
Vor der Veröffentlichung des Malbuchs gibt es aber auch etwas mit viel Substanz für die Erwachsenen zu lesen. Am 21. April wird im Görlitzer Johannes-Wüsten-Saal eine Buchpräsentation anstehen, bei der der Wunsch nach Betonung gemeinsamer Identität über die einstige, das heutige Kreisgebiet durchziehende, sächsisch-preußische Landesgrenze hinweg ebenfalls Leitmotiv zu sein scheint.

Der Arbeitstitel für den historischen Titel lautet: „Geschichte und Geschichten aus dem Görlitzer Land“. Das Buch entsteht unter Federführung von Dr. Lars-Arne Dannenberg und Dr. Matthias Donath vom Zentrum für Kultur-Geschichte in Niederjahne bei Meißen. Das Zentrum beschäftigt sich vorrangig mit der Vergangenheit Sachsens, Schlesiens, Böhmens und Brandenburgs. Aber auch die Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften ist an dem Werk beteiligt, das mit knapp 100 Seiten in einer Auflage von 3.000 Exemplaren erscheinen soll.
Die Arbeit wird letztlich näheren Aufschluss über den Hintergedanken eines zweiten Mottos im Jubiläumsjahr liefern. Das wie ein Poststempel etwa sparsam daherkommende Logo zum Jubiläumsjahr verweist neben der zehnjährigen Existenz des heutigen Kreises auf „750 Jahre Görlitzer Land“. Die preußisch-schesische Zeit von Görlitz, Weißwasser, Rothenburg oder Niesky überspringend, wird hier ebenfalls die Oberlausitz zum wohl erwünschten identitätsstiftenden Faktor. 1268 hatte Markgraf Otto IV. von Brandenburg die Oberlausitz in die Länder Bautzen (Budissin) und Görlitz geteilt, womit man Zittau oder Löbau heute wohl einen Weg zur Akzeptanz Görlitz’ weisen möchte. Neben der sicher gründlichen historischen Aufarbeitung werden hier also die Vorworte bestimmt viel Aufmerksamkeit angesichts der Deutung finden.

Der Landrat hatte während des Pressegesprächs im Hinblick auf Zittaus Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt immerhin den Nebensatz vom „von uns manchmal vernachlässigten kulturellen Raum“ eingebunden.
Und so bleibt die Austarierung der Interessen auch 2018 bis 2025 ein Drahtseilakt. Am Ende ist dennoch eine Zuwachs an Zusammengehörigkeitsgefühl denkbar, denn gemeinsame Aufgaben verbinden letztlich. Die Bürger im Kreis sollen, so der Landrat, auch verstehen, dass uns alle die gemeinsame Vermarktung zum Beispiel vom Zittauer Gebirge und dem Seenland stark macht. Und dies nicht nur bei Touristen, sondern im Dienste jeden Kreisbewohners, der die Einrichtungen der Region nutzt.

Die heutige Kreisgestalt stelle jedoch das maximale der Gefühle dar. Hätte man vor 10 Jahren etwa einen riesigen Oberlausitzkreis gebildet, hätte man im Grunde eine alte Kreishauptmannschaft wiederentstehen lassen, aus der ja nicht ein Landkreis, sondern ein Regierungsbezirk entstanden ist.

Till Scholtz-Knobloch / 13.01.2018

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