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Bautzen sucht das klärende Gespräch

Bautzen sucht das klärende Gespräch

Brennende Baumaschinen wie auf einer Baustelle in Leipzig in der Nacht zum Freitag vergangener Woche werden als das Werk von Extremisten gewertet. In Bautzen regt sich Widerstand gegen linke und rechte Gewalt. Foto: privat

Bautzen hat nicht erst seit Kurzem ein Imageproblem. Immer wieder wurde die Kommune mit rechten Umtrieben in Verbindung gebracht. Doch auch von einer anderen Seite droht Ungemach. 2019 steckten mutmaßlich Linksradikale auf dem Gelände einer Baufirma Fahrzeuge in Brand. Eine neu gegründete Initiative mit dem Namen „Bautzen gegen Extremismus“ will dieser Vereinnahme durch politische Ränder nun einen Riegel vorschieben.

Wer und was verbirgt sich hinter der Aktionsgruppe und wie arbeitet diese?

Christian Haase: Die Gruppe hat sich im Dezember 2019 formiert. Hintergrund waren nicht nur die vorausgegangenen Brandanschläge auf die Firma Hentschke sondern verschiedene andere Zeichen von Radikalisierung auch hier in Bautzen. Zum „harten Kern“ gehören mit Stand heute 19 Personen unterschiedlichen Alters und Berufes, die allesamt über verschiedene politische Anschauungen verfügen. Uns vereint aber der feste Wille zu zeigen, dass Bautzener Bürger jede Form von Extremismus ablehnen und einer Radikalisierung in unserer Stadt entgegentreten möchten. Die Initiative hat sich dazu eine Gruppe von genau den sechs Personen ausgewählt, die im Oberlausitzer Kurier zu Wort kommen und die gemeinsam Themenabende inhaltlich vorbereiten.

Einer davon findet bereits am 15. Oktober in der dann wiedereröffneten Stadthalle Krone statt. Gleichzeitig soll dieser als Auftakt verstanden wissen. Was passiert dann in dem Veranstaltungshaus und wie geht es im Anschluss weiter?

Manja Gruhn: Das Thema am 15. Oktober lautet „Formen des politischen und religiösen Extremismus“. Die Veranstaltung startet 19.00 Uhr. Dr. Uwe Backes von der TU Dresden wird zu Beginn erläutern, was Rechts-, Links- und religiöser Extremismus aktuell bedeutet. Zudem beleuchtet er Hintergründe. Danach soll es eine moderierte Gesprächsrunde geben, um Raum für Fragen und Diskussion zu lassen. Hierbei ist es das Ziel, auf Grundlage von Fakten und Argumenten zu debattieren und sich den stark polarisierenden Themen auf Augenhöhe zu begegnen. Einen zweiten Themenabend gibt es am 3. November. Auf den Ergebnissen der Diskussion vom Vormonat aufbauend, wird es bei dieser Veranstaltung um die regionale Situation zum Thema Extremismus gehen. Dabei werden verschiedene Perspektiven wie beispielsweise die Sicht der Polizei, der Jugendarbeit und der Schulen beleuchtet. Auch bei diesem Format ist eine moderierte Diskussionsrunde angedacht.

Was erwartet die Initiative von den Diskussionspartnern und mit welcher Resonanz rechnet sie an den jeweiligen Gesprächsabenden? 

Kirsten Schönherr: Wir erwarten ein offenes und vorurteilsfreies Gespräch, bei dem gerade gegenseitige Argumente ausgetauscht werden – ohne zu verurteilen oder abzuwerten im Sinne einer echten Debattenkultur. Die Menschen sind grundsätzlich so gestrickt, dass sie am liebsten mit solchen Menschen sprechen, die ihrer Meinung sind. Wir beobachten, dass es zunehmend schwerer fällt, andere Meinungen zu tolerieren und auszuhalten. Dies ist aber unbedingt erforderlich, damit sich Gruppen mit einer geschlossenen Meinung eben nicht hochschaukeln und am Ende auch radikalisieren. Dazu ist es im ersten Schritt notwendig, dass die Stadtgesellschaft noch intensiver und bewusster miteinander in Kontakt kommt und im gegenseitigen Austausch möglichst auch gemeinsame Ansichten oder Ziele feststellt, wo sie vielleicht vorher nicht vermutet wurden. Der Diskurs sollte dazu dienen, die unterschiedlichen Positionen nicht noch weiter zu schärfen und in die Extreme zu treiben, sondern Überschneidungen deutlich zu machen im Sinne eines gegenseitigen Verständnisses.

Unbestritten ist: Wenn Menschen, die nicht aus der Spreestadt kommen, die Schlagzeilen der vergangenen Monate und Jahre verfolgen, entstand bei dem einen oder anderen schon der Eindruck, Bautzen hat ein Problem mit Radikalen. Wie wird das in Ihren Reihen gesehen?

Torsten Wiegel: Es hat in der Vergangenheit und bis heute immer wieder extremistische Straftaten in Bautzen gegeben. Gleichzeitig gibt es Strukturen, die begünstigen, dass sich extremistische Personen beziehungsweise Gruppierungen für ihre Aktionen immer wieder Bautzen aussuchen. Darüber zu informieren und aufzuklären, dies andererseits aber nicht als alleinige Charakterisierung unserer Stadt stehen zu lassen, gehört zu den Zielen unserer Initiative. Gerade weil uns die Überzeugung eint, dass die Spreestadt durchaus ein solches Problem hat, wir uns damit aber nicht abfinden wollen, trägt unsere Gruppe den Namen „Bautzen gegen Extremismus“. 

Wie und wo kann die Initiative angreifen, damit Bautzen das Gesicht bekommt, das es verdient?

Maria Löcken-Hierl: Es ist uns ein wichtiges Anliegen, Bautzen nicht den radikalen Rändern zu überlassen. Wir wollen aus der Mitte der Bürgerschaft ein Zeichen für ein zivilisiertes Miteinander setzen, wollen vorleben, dass man trotz unterschiedlicher Auffassungen und Weltbilder zu gemeinsamem Handeln für unsere Stadt kommen kann. Wir müssen wieder lernen, echte Debatten zu führen und dabei auch andere Meinungen als die eigene auszuhalten.

Woran wollen Sie am Ende den Erfolg Ihrer Initiative messen und welche Erwartungen haben Sie selbst an das Ergebnis Ihrer Projektarbeit?

Markus Gießler: Wir glauben, dass gerade in der heutigen Zeit die Thematiken „Radikalisierung und Extremismus“ genauer beleuchtet werden müssen. Wir leben in einer stark polarisierenden Gesellschaft. Dafür verantwortlich sind unter anderem veränderte Lebensbedingungen, aber auch internationale Entwicklungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Umwelt und Migration. Es ist wichtiger denn je, für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten und gegen jede Form von Extremismus – sei es Reichsbürger, Rechtsextremisten, Linksextremisten oder religiöser Extremismus – aufzustehen und eine wehrhafte Demokratie zu sein. Ein Erfolg ist messbar an der Resonanz, die wir hier in Bautzen erreichen möchten. Dabei ist nicht unbedingt die Anzahl der Teilnehmer an unseren Themenabenden entscheidend, sondern das Niveau der Diskussionsbeiträge und die Bereitschaft, einander zuzuhören und zu tolerieren und jene zu erreichen, die sonst solche Veranstaltungen meiden würden. 

Roland Kaiser / 03.10.2020

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