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Bautzen zu Unrecht pauschal verurteilt

Bautzen zu Unrecht pauschal verurteilt

Mehr als 70 Feuerwehrleute waren in der Nacht zum Sonntag beim Brand im Husarenhof im Einsatz. Zu retten war der Dachstuhl dennoch nicht. | Foto: CF

Bautzen. Nach dem verheerenden Brand in der geplanten Flüchtlingsunterkunft Husarenhof hat der Ruf von Bautzen erheblich gelitten. War der Brandanschlag selbst nicht schon schlimm genug, so gab es in der Nacht zum Sonntag überdies noch einzelne Menschen im Umfeld des Käthe-Kollwitz-Platzes, die abfällige Bemerkungen machten.

Doch entgegen verschiedener Medienberichte nur kurze Zeit später handelte es sich lediglich um drei bis vier alkoholisierte Pöbler, die die Löschmaßnahmen teilweise behinderten und deshalb auch festgenommen wurden. Deutschlandweit, sogar weltweit, wurde jedoch über eine grölende und feiernde Menge von Menschen berichtet, womit die Bautzener offensichtlich in ein falsches Licht gestellt werden. In der offiziellen Pressemeldung der Polizei hieß es nämlich: „Anwohner und auch einige teils alkoholisierte Schaulustige hielten sich im Umfeld des Käthe-Kollwitz-Platzes auf. Manche kommentierten das Brandgeschehen mit abfälligen Bemerkungen oder unverhohlener Freude. Die Polizei nahm die Personalien mehrerer Schaulustiger auf und erteilte Platzverweise gegen drei 19 und 20 Jahre alte Bautzener. Sie hatten die Arbeiten der Feuerwehr massiv behindert. Da die beiden alkoholisierten 20-Jährigen dem nicht nachkamen und Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen leisteten, wurden sie in Gewahrsam genommen.“

Diese Meldung heizt die ohnehin schon angespannte Stimmung in Bautzen an. Die Stadt ist gespalten. Indes berichten immer mehr Augenzeugen, dass es sich nur um drei bis vier Betrunkene handelte, die fremdenfeindliche Parolen riefen. Jan Kubasch, der in unmittelbarer Nähe des Husarenhofes wohnt, war einer der Ersten an der Brandstelle und erzählt: „Mein Sohn weckte mich und  meinte, ich solle nach draußen schauen – irgendwo müsse es hier brennen. Dichter Qualm, keine zehn Meter Sicht, zog vor dem Fenster entlang. Ich öffnete das Fenster und sofort kam mir der beißende Geruch in die Nase und es knisterte laut.

Ich habe mich dann mit meinem Sohn auf den Weg gemacht und schnell erkannt, dass das ehemalige Hotel brennt. Der Brandherd war noch recht klein, breitete sich aber in Windeseile aus, bis der ganze Dachstuhl in Flammen stand.“ Zu den pöbelnden Leuten kann Jan Kubasch auch etwas sagen. „Ja es stimmt, es gab abfällige Bemerkungen, aber nur von einer kleinen Gruppe, die zudem noch betrunken war. Allerdings hat das die Polizei schnell in den Griff bekommen. Ich stand selbst unmittelbar in der Nähe dieser Gruppe und konnte das gut verfolgen.“Auch Michael Scholze, ein Anwohner, war vor Ort und berichtet Ähnliches: „Es war ein sehr geordneter und professioneller Feuerwehreinsatz. Die paar Betrunkenen wurden schnell entfernt. Es waren auch höchstens um die 30 Leute da in den fast zwei Stunden, die ich vor Ort war, und von Behinderung war da nicht viel zu sehen, sonst hätte die Polizei das Gebiet sicher weiträumig abgesperrt.“ Auch die Behauptung im MDR ‚Eltern haben sogar ihre Kinder mitgebracht‘ stimmt so nicht. „Ich habe nur eine Mutter mit Kind gesehen. Die Menschen, die da waren, haben ihre dort geparkten Autos in Sicherheit gebracht und hatten Angst, dass bei dem großen Funkenflug vielleicht auch ihr Haus in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Es war eine große Betroffenheit zu spüren, aber kein Hass. Es gab sogar eine Anwohnerin, die den Feuerwehrmännern Wasserflaschen gebracht hat.“

Auch mit der Aussage von Oberstaatsanwalt Oliver Möller lassen sich die Medienberichte der vergangenen Tage besser einordnen: „Es ist richtig, dass es drei Festnahmen gab. Dabei handelt es sich um drei Männer im Alter von 19 und 20 Jahren, die sich alkoholisiert auf dem Brandgelände aufgehalten haben. Sie wurden mehrfach angehalten, sich schnellstens zu entfernen und die Löscharbeiten nicht zu behindern. Nachdem sie den Platzverweisen nicht gefolgt sind, wurden sie von der Polizei festgenommen. Aber wie in manchen Medien berichtet wurde, dass viele Menschen gegrölt, gar gefeiert oder massiv die Löscharbeiten behindert hätten, ist grundweg falsch. Sicherlich ist jeder Störer einer zu viel, aber verhindern kann man solche dummen Handlungen leider nicht immer.“

Oberbürgermeister Alexander Ahrens nahm am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ Stellung zum Thema Ausländerhass in Bautzen. „Ich bin schockiert, dass so etwas in Bautzen möglich ist. In den letzten Monaten wurde die Diskussion um die Unterbringung von Asylbewerbern fast ausnahmslos sachlich geführt. Was hier und heute geschehen ist, macht mich sehr wütend. Dennoch hat sich mein Vertrauen in die Menschen in Bautzen nicht geändert.“

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Am Sonntag nachmittag versammelten sich circa 300 Menschen am Husarenhof und drückten ihren Unmut aus. | Foto: CF

Auch die Feuerwehr bestätigt,  dass es keine massiven Behinderungen der Löscharbeiten gab. Die ersten Meldungen in den Medien seien schlichtweg falsch gewesen, weiß Markus Bergander, Leiter der Berufsfeuerwehr Bautzen, zu berichten.  „Als wir vor Ort eintrafen war alles ruhig. Mit Schaulustigen muss man immer rechnen. Es waren wirklich nur eine Handvoll Leute die gepöbelt oder geklatscht haben. Selbst Asylgegner fanden dieses Verhalten empörend.“

Nach den negativen Vorkommnissen in der Nacht zum Sonntag heißt es in einer Pressemeldung des Landratsamtes Bautzen: „Nach dem Dachstuhlbrand in der geplanten Flüchtlingsunterkunft im Husarenhof Bautzen hat die Polizei offiziell bestätigt, dass Spuren von Brandbeschleunigern gefunden wurden. Damit erhärtet sich der Verdacht einer vorsätzlichen Brandstiftung.  Der Eigentümer des Husarenhofes, die GZ Bautzen Betreibergesellschaft mbH, hat uns gegenüber erklärt, dass alle Anstrengungen unternommen werden, damit  in dem nicht beschädigten Gebäudeteil Mitte März 100 Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung stehen. Wir prüfen derzeit, wie die fehlenden Plätze kompensiert werden können. Gegebenenfalls müssen Notunterkünfte in Bautzen, Hoyerswerda, Großröhrsdorf weiter betrieben werden. Planmäßig sollten diese im Laufe des Jahres geschlossen werden. Aufgrund des Brandes stehen dem Landkreis neue Unterkünfte für Flüchtlinge nur noch bis Ende April 2016 zur Verfügung. Ob vor Belegung der möglichen 100 Plätze ein neuer Termin zur Besichtigung angeboten wird, ist derzeit noch nicht entschieden,“ so eine Pressemeldung.

Die Arztpraxis von Dr. Schampera und das Kosmetikstudio von Ulrike Brenzel am Käthe-Kollwitz-Platz 1 bleiben aufgrund des Dachstuhlbrandes geschlossen. Die Patienten der  Arztpraxis Schampera werden bezüglich Vertretungen über einen Anrufbeantworter unter der Nummer 03591 211260 informiert.
Auch Eveline Günther, Dramaturgin des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters und engagiert im Bündnis „Bautzen bleibt bunt“ betonte jetzt in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Es stimmt nicht, dass hier nur Nazis rumlaufen“.

Bei der Stadtratssitzung waren sich alle Anwesenden einig, dass so ein Verhalten nicht hinnehmbar ist und nun ein Zeichen für Menschlichkeit und Solidarität gesetzt werden muss. Dieses Bürgerengagement müsse unabhängig von Religion und Parteibuch vor allem im Gespräch erfolgen, formulierte Stadtrat Heiner Schleppers (CDU) auf Nachfrage.

Cornelia Fulk / 27.02.2016

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