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Das Ärzte-Netz wirbt um junge Berufskollegen für die Region

Das Ärzte-Netz wirbt um junge Berufskollegen für die Region

Sie sind die treibenden Kräfte im Ärzte-Netz Ostsachsen: Vorstandsvorsitzender Volker Höynck (links) und Netzmanager Hans-Joachim Tauch. Foto: ENO

Der Ärztenotstand im ländlichen Raum ist längst da – auch in Ostsachsen. Deshalb rührt jetzt ein momentan aus 22 Medizinern bestehendes Ärzte-Netz die Werbetrommel, um vor allem junge oder angehende Ärzte, aber auch Gymnasiasten mit dem entsprechenden Berufswunsch, für eine Beschäftigung in den Landkreisen Görlitz und Bautzen zu begeistern.

Landkreis Görlitz. „Das Stadt-Land-Gefälle ist spürbar, es ist schwer, Ärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen“, sagt Volker Höynck. Der Vorstandsvorsitzende der Ärzte-Netz Ostsachsen GbR weiß, wovon er spricht. Sowohl in den Kliniken der Region als auch in den Praxen besteht hoher Bedarf. Grund dafür ist vor allem die ungünstige Altersstruktur der aktuell tätigen Kollegen. Viele von ihnen gehen in den nächsten Jahren in Rente. Schon jetzt ist ohne die Hilfe eigentlich schon im Seniorenalter befindlicher Mediziner die Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung kaum noch aufrecht zu erhalten. In Niesky praktiziert zum Beispiel ein inzwischen 80-jähriger Arzt. 2018 stehen in der Stadt fünf allgemeinärztliche Praxen vor der Schließung, weil es aktuell keine Nachfolger gibt. Und die Zukunft sieht nicht besser aus. Auch wenn sich ein Gymnasiast dafür entscheidet, die Medizinerlaufbahn einzuschlagen, braucht es elf Jahre, bis aus ihm ein vollwertiger Arzt geworden ist.

Die Landkreise Görlitz und Bautzen gehören in Sachen Ärzteversorgung zu den sächsischen Problemregionen, weiß auch Ute Taube aus Berthelsdorf. „Vor allem bei den Hausärzten besteht erhöhter Bedarf – nicht nur mehr in den Ortschaften entlang der Neiße, sondern auch in Städten wie Görlitz, Löbau oder Zittau“, erklärt die Vorsitzende der hiesigen Kreisärztekammer. Bei den niedergelassenen Fachärzten seien es vor allem Neurologen, die dringend gebraucht würden. Aber auch die Kliniken in der Region hätten Probleme, junge Assistenzärzte zu gewinnen, ebenso Mediziner für die mittlere und obere Leitungsebene. „Es gibt also einen fach- und sektorenübergreifenden Leidensdruck im Landkreis“, so Taube.

Helfen soll jetzt eine Imagekampagne, die vom Ärzte-Netz Ostsachsen zusammen mit der Kreisärztekammer und dem Landkreis Görlitz initiiert wurde und die Region zwischen Neiße und Spree bei der Zielgruppe – in Ausbildung befindlichen Medizinern, jungen Ärzten in den ersten Berufsjahren, aber auch Gymnasiasten mit dem Berufswunsch Arzt – in einem besseren Licht erscheinen lassen soll. Kernstück ist die neu geschaffene Webseite www.aerzte-fuer-ostsachsen. de, auf der es nicht nur einen Imagefilm mit den Vorzügen der Region zu sehen gibt, sondern die auch vielfältige Informationen bereit hält und Hilfestellung gibt. „Wir möchten neugierig machen auf die – hoffentlich – neue Heimat, geben Tipps zur eventuellen Niederlassung in der eigenen Praxis und zur Anstellung im Krankenhaus“, sagt Ingo Goschütz von der kreiseigenen Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz mbH (ENO), unter deren Regie die Umsetzung des Projektes erfolgte. Gleichzeitig gebe es Wissenswertes zur hohen Lebensqualität im ländlichen Raum. Zur Verfügbarkeit von Grundstücken, Häusern, zu Kultur- und Freizeitangeboten. „Wir arbeiten hier ganz deutlich heraus, dass ein Berufsleben im Landkreis Görlitz eine überlegenswerte Alternative zum zweifellos vorhandenen Stress in der Großstadt ist. Wer Wert auf Entschleunigung legt, gleichzeitig aber auch beruflich weiterkommen will, ist bei uns auf jeden Fall richtig“, stellt Volker Höynck klar.

Aus fachlicher Sicht wichtig sind auf der neuen Webseite vor allem auch eine Übersicht sämtlicher Praxen mit Weiterbildungsbefähigung sowie eine komplette Übersicht aller Krankenhäuser im Landkreis. Darüber hinaus gibt es Informationen zum Not- und Bereitschaftsdienst. Für Fragen bietet sich das Ärzte-Netz Ostsachsen als zentraler Ansprechpartner an.

Doch ist es wirklich realistisch, auf das Interesse junger Mediziner an einer Beschäftigung an Neiße und Spree zu hoffen? „Es gibt Studien, in denen die Wünsche dieser Berufsgruppe sehr klar herausgearbeitet wurden“, erläutert Ute Taube. „Demnach steht die Kompatibilität von Beruf und Familie ganz weit oben. Die jungen Ärzte stellen hohe Ansprüche an ihre fachlichen Qualifikationen, wollen gleichzeitig aber auch flexibel in ihrer Lebensplanung sein. Und sie möchten Kontakt untereinander haben, um sich weiter voran zu bringen.“ Deshalb sei es wichtig, dass im Landkreis Görlitz die Weiterbildungskompetenzen ausgebaut würden, ohne die Betreffenden an Großkliniken in Dresden oder Leipzig verweisen zu müssen. Außerdem sei das Mentoring wichtig. „Es müssen ältere Kollegen da sein, die den Nachwuchs bis hin zum Facharztabschluss betreuen.“

Möglicherweise, erläutert die Vorsitzende der Kreisärztekammer, müsse man perspektivisch auch die Art der Beschäftigung überdenken. Denn: „Junge Ärzte scheuen oft die eigene Niederlassung, wollen sich vielmehr anstellen lassen. Das bringt medizinische Versorgungszentren verstärkt ins Spiel, wo – aufgrund der Familienplanung – vielleicht auch halbe Stellen zu bekommen sind.“

In den nächsten Monaten wollen das Ärzte-Netz Ostsachsen und seine Partner mit der neuen Webseite verstärkt auf Werbetour gehen. So soll unter anderem das Online-Marketing verstärkt werden. Überdies will man mit dem Imagefilm und Informationsmaterial auf Messen präsent sein – demnächst beim Insidertreff im Veranstaltungspark Löbau. Schließlich sollen auch „gute Nachrichten“ verbreitet werden – Geschichten über Mediziner, die in der Oberlausitz eine neue berufliche Heimat gefunden haben.
 

Frank-Uwe Michel / 22.02.2017

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