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Das große Aufräumen hat begonnen

Das große Aufräumen hat begonnen

Ein Sinnbild für die zerstörerische Kraft des jüngsten Unwetters: Heike Pohl aus Neukirch beklagt mehrere zerstörte Haushaltsgeräte und nasse Wände im Wohnhaus. Foto: KMK

Region. „Alle Kräfte und Einsatzfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Neukirch/Lausitz waren im Einsatz, unterstützt durch die Kameraden aus Schmölln-Putzkau und Stei-nigtwolmsdorf. Es mussten 65 Einätze bewältigt werden. Vor Ort waren 30 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks mit Fahrzeugen und Technik sowie der Betreuungszug des Landkreises, zudem der Kreisbrandmeister, der Bürgermeister, die Gemeindeverwaltung sowie Kräfte der Landespolizei. Und nicht zuletzt viele freiwillige Helfer aus der Bevölkerung.“ Neukirchs Hauptamtsleiter Gerald Bär versucht niemanden zu vergessen, wenn er seinen Dank ausspricht angesichts der Geschehnisse am vergangenen Wochenende. Nach Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hatte Tief „Bernd“ auch über dem Bautzener Oberland in kürzester Zeit immense Regenmengen abgeworfen.

Einen Tag nach dem Unwetter begann das große Aufräumen. Es galt vollgelaufene Keller und geflutete Garagen vom Wasser zu befreien und auszuräumen. Getroffen hatte es unter anderem eine 63-jährige Frau aus Neukirch. Heike Pohl sagte dem Lokalsender Radio Lausitz, dass sie, seitdem sie inzwischen in der Gemeinde wohnt, so etwas noch nicht erlebt habe. Das Wasser sei so schnell gekommen, dass man gar nicht richtig reagieren konnte. „Wir hatten einiges hochgestellt, doch dann kam so ein Schwung, da ist alles umgefallen“, erinnerte sie sich an den Moment, in dem die braune Brühe auf ihr Grundstück strömte. „Das Wasser stand drin, Schlamm, die Kinder helfen. Waschmaschine, Trockner, Gefrierschrank sind hinüber, die Wände nass. Zum Glück sind wir ordentlich versichert.“ Allerdings sei zunächst für sie niemand von der Versicherung erreichbar gewesen. Doch nicht nur sie wurde von den Wassermassen heimgesucht. Der Hund der Neukircherin musste seine Hütte opfern. „Den mussten wir reinholen, der hat bei uns oben mit geschlafen. Er wusste gar nicht wohin.“ Und das alles am Vortag ihres Geburtstages. Dennoch schaut Heike Pohl nach vorn. „Wir sind froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“

Gerald Bär spricht indes davon, dass „die Eskalation der Situation nicht vorhergesagt und nicht vorhersehbar“ gewesen sei. „Ohne Vorlauf beziehungsweise Vorbereitung musste diese bewältigt werden durch die Betroffenen und die Einsatz- und Rettungskräfte sowie die vielen Helfer.“ In den Tagen nach dem Unwetter sollte die kurzfristige Abfuhr von Flutmüll über die Bühne gehen. „Wir werden Hilfsangebote und die entsprechende Nachfrage vermitteln“, führte der Rathausmitarbeiter weiter aus. „Ein Spendenaufruf wird gestartet, um auch finanziell unterstützen zu können.“ Die Gemeinde baue darauf, dass der Freistaat sie bei der Beseitigung von Schäden an der kommunalen Infrastruktur unterstützt. Zugleich hofft sie auf eine weitere Risikoreduzierung durch den in Planung befindlichen Bau eines großen Regenrückhaltebeckens. Zuletzt hatte im Juni 2013 Dauerregen die Wesenitz anschwellen lassen. Auch damals schauten die Menschen mit Sorge auf den Fluss. Seitdem wurde an dessen Verlauf der Hochwasserschutz abschnittsweise verbessert.

Neben Neukirch funkte die Nachbargemeinde Schmölln-Putzkau ebenfalls SOS. Dort hatte das Unwetter ebenso Schäden angerichtet, die es nach den Worten von Bürgermeister Achim Wünsche nun zu beseitigen gilt. „Wir organisieren eine Sperrmüllaktion mit Unterstützung des Landratsamtes“, kündigte er auf Nachfrage an. „Hierzu können sich Betroffene bei uns melden mit ihren Kontaktdaten. Wir leiten diese dann gesammelt weiter.“ Die Pegel entlang des Hoyerswerdaer Schwarzwassers in Tröbigau und an der Wesenitz in Putzkau seien „unaufhörlich bis in die Nacht hinein“ gestiegen. Glücklicherweise hätten die Mechanismen, die Kommunikation und Organisation funktioniert. „Ich habe viel Zusammenhalt in der Gemeinde erlebt. Man ist zusammengerückt und hat angepackt“, freute er sich.

Diese Erfahrung hätte sein frisch wiedergewählter Amtskollege aus Obergurig, Thomas Polpitz, auch gern gemacht. Im Fall von ausgespülten Fußwegen, einem komplett zerstörten Wanderweg sowie vollgelaufenen Kellern und Häusern fühlte er sich unweigerlich an das Unglück von 2010 erinnert – „mit den Befürchtungen, dass wieder so ein immenser Schaden auftritt“. Doch anstatt mit anzupacken, sahen ihm zufolge viele nur interessiert zu. In Anbetracht zahlreicher Gaffer konnte der Bürgermeister mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg halten. „Die hätten in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehren helfen können“, stellte er fest.

Ortswechsel. Auch die Gemeinde Doberschau-Gaußig war nicht von den Wassermassen verschont geblieben. Bürgermeister Alexander Fischer berichtete unter anderem von Uferabbrüchen entlang von Gewässern, Ausspülungen und Geröllverlagerungen in die Unterläufe. Diese würden nun Abflüsse verstopfen. „Wir benötigen zumindest für die Beräumung als ersten zeitnahen Schritt Hilfe mit großer Technik wie zum Beispiel von der Landestalsperrenverwaltung“, erläuterte er. Kopfschüttelnd musste das Gemeindeoberhaupt zudem zur Kenntnis nehmen, dass die errichteten Hochwasserschutzanlagen am Schwarzwasser der Flut nicht standgehalten haben. „Die Maßnahmen, die für ein 50-jähriges Hochwasser errichtet wurden, sind zum Teil stark beschädigt. “ In dem Punkt gäbe es ebenfalls erneut Handlungsbedarf.

Nicht ganz so heftig traf es die Gemeinde Königswartha, wo sich das Hoyerswerdaer Schwarzwasser seinen Weg durch die Landschaft bahnt. Das Niesendorfer Wehr verhinderte, dass die Wassermassen in den Mühlgraben strömen und somit Teile des Ortes fluten konnten. „Betroffen von den Überschwemmungen waren vornehmlich zwei Gartenanlagen, einige private Garagen sowie angrenzende Wiesen“, erinnert sich Bürgermeister Swen Nowotny. Schwere Technik sei hierbei nicht zum Einsatz gekommen. Die betroffenen Gartenpächter hätten Pumpen und diverses Werkzeug genutzt, um dem Wasser Herr zu werden. „Natürlich freut sich niemand über ein derartiges Ereignis“, bemerkte das Gemeindeoberhaupt. „Aber der Grundtenor der Menschen, mit denen ich auf einem Rundgang durch die Gartenanlage am Sonntagvormittag gesprochen habe, war dennoch eher optimistisch. Viele hatten die Bilder aus NRW und Rheinland-Pfalz im Kopf und stellten fest, dass wir wohl eher glimpflich davon gekommen sind.“

Anderenorts im Bautzener Oberland bahnte sich Schlamm von Feldern seinen Weg auf angrenzende Grundstücke. Zudem erwiesen sich Brücken als Nadelöhre. „Dadurch hatten wir einen massiven Rückstau. Deshalb mussten wir die Bauwerke und auch Straßen sperren, um zu verhindern, dass durch die Wassermassen Schlimmeres passiert“, erklärte ein Vertreter der Einsatzkräfte. Und weiter: „Das ist eine großflächige Einsatzlage mit extremen Wassermassen gewesen, wo wir einfach hilflos waren und nur punktuell Schlimmeres verhindern konnten.“

Inzwischen sind die Pegel der Fließgewässer wieder auf ein Normalmaß gesunken. „Die Leitstelle disponierte insgesamt 207 Einsätze“, fasste eine Landratsamtsmitarbeiterin das Geschehen in Zahlen. „Personen kamen nicht zu Schaden. Ein Überblick über die Sachschäden liegt dem Landkreis nicht vor, da diese in den Gemeinden lokal bearbeitet werden.“ Am Montagnachmittag hatte sich die Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, Regina Kraushaar, gemeinsam mit Landrat Michael Harig vom Hochwasser betroffene Gemeinden besucht, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Das Landratsamt habe den betroffenen Gemeinden Hilfe angeboten, hieß es im Anschluss. Und die wird, wie sich inzwischen gezeigt hat, auch dringend benötigt.

Alternativer Text Infobild

Ein Kurbelradio sollte sich ebenfalls stets mit im Notfallgepäck befinden. Foto: TSK

Und hier noch einige wichtige Tipps, bereitgestellt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Sobald ein Hochwasser oder zumindest ein kräftiges Unwetter mit Überflutungsgefahr angekündigt ist, empfiehlt die Behörde folgende Punkte zu beachten:

• Besorgen Sie zum Schutz Sandsäcke,
  Schalbretter, wasserfeste Sperrholz-
  platten und Silikon.
• Schauen Sie, dass gefährliche Stoffe
  oder Chemikalien nicht vom Wasser er-
  reicht werden können.
• Bringen Sie wertvolle Möbel oder Geräte   
  wie Computer in die oberen, hochwassergeschützten Räume.
• Sichern Sie den Heizöltank gegen den Auftrieb durch das Wasser, indem Sie ihn zum Bei- 
   spiel an der Wand verankern oder mit Ballast beschweren.
• Überprüfen Sie Ihre Vorsorgemaßnahmen. Haben Sie alles Nötige im Haus?
   Dazu zählen ausreichend Lebensmittel und Trinkwasser, ein batteriebetriebenes Radio
   beziehungsweise ein Kurbelradio, eine Taschenlampe, Campingkocher sowie Campingtoi-
   lette.
• Halten Sie Ihre Dokumentenmappe und Ihr Notgepäck bereit.
• Denken Sie auch an Insektenschutzmittel, falls sich nach Rückgang des Hochwassers
   Mücken und andere Schädlinge im Haus verbreiten.
• Räumen Sie die Kellerräume, in die Grundwasser eindringen kann oder die volllaufen kön-
   nen, aus.

Roland Kaiser / 24.07.2021

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