Größter Oberlausitzer mit Bekanntheitsdefizit

Jan Henryk Dabrowski
Kennen Sie den bekanntesten Oberlausitzer? In Hoyerswerda wird auf diese Frage sicher Computer-Erfinder Konrad Zuse genannt, in Kamenz der Dichter Gotthold Ephraim Lessing oder in Görlitz der Schuster und Theosoph Jacob Böhme. Aber wer ist wirklich der berühmteste Oberlausitzer, dessen Name ständig weltweit zu hören ist und der so oft besungen wird?
Rackel/Kamenz. Während im polnischen Teil der Oberlausitz nahezu alle „Jan Henryk Dabrowski“, anführen würden, herrscht auf deutscher Seite der Oberlausitz bei Nennung dieses Namens oft ratloses Kopfschütteln. Doch egal, ob es sich um polnische Feiertage oder etwa internationale Sportevents handelt: Wenn eine polnische Mannschaft ein Siegertreppchen erklimmt, ertönt „Dombrowskis Mazurka“ als Nationalhymne. Aber wer wird da wohl gepriesen? Der berühmteste Oberlausitzer!
Mit sächsischer und niedersächsischer Herkunft
Doch wer war dieser Mann, dessen 270. Geburtstag am 29. August begangen wird? Am 29. August 1755, wurde Jan Henryk Dabrowski als Johann Heinrich Dombrowski im alten Herrenhaus des Dorfes Pierzchow bei Krakau geboren. Sein Vater Johann Michael Dombrowski war Oberst in der sächsischen Armee und diente in dem kleinen galizischen Ort, der damals zum Königreich Polen-Litauen unter sächsischer Krone gehörte. Kurfürst August der Starke (1670–1733) erwarb nämlich 1709 durch Heiratsallianz die polnisch-litauische Königskrone. Dieser Staat erstreckte sich damals im Osten bis vor die Tore Kiews und von Kurland im Norden (Süddteil Lettlands) bis an das Schwarze Meer.
August der Starke etablierte als Ordnungsmacht Stützpunkte der sächsischen Armee in allen Teilen Polen-Litauens. Nach dessen Tod übernahm sein Sohn Friedrich August II. 1733 die Regierungsgeschäfte und das Militär unverändert. Dadurch erklärt sich auch die Geburt des Johann Heinrich Dombrowski in dem kleinen polnischen Dorf. Johann Heinrichs Mutter war Sophie von Lettow-Vorbeck (1724–1757) eine geborene Lettow aus dem Wendland im heutigen Niedersachsen. Sie heiratete in das alte Adelsgeschlecht derer von Lettow-Vorbeck ein und ehelichte nach dem frühen Tod ihres Mannes, den sächsischen Obristen Johann Michael Dombrowski.
Eine Begegnung in Rackel
Das Landleben in dem kleinen polnischen Dorf war für die adlige Mutter vermutlich sehr eintönig, weshalb anzunehmen ist, dass sie lieber in der alten Königsstadt Krakau verweilte. Ein auch der deutschen Sprache mächtiges Kindermädchen übernahm die frühkindliche Erziehung von Johann Heinrich. Am ersten Geburtstag des kleinen Johann Heinrich überfielen die Preußen ohne Kriegserklärung das nahezu wehrlose Sachsen und besetzten es.
Da es für die sächsische Armee und Verwaltung in Polen-Litauen problematisch wurde, schickte der Vater 1761 den kleinen Johann Heinrich ins vermeintlich sichere Sachsen nach Hoyerswerda, wo er die Schule besuchte.
Es ist wahrscheinlich, dass der Vater Johann Michel Dombrowski nach Kamenz in die dortige Garnison versetzt wurde. Johann Heinrichs Mutter verblieb anscheinend noch einige Zeit in Krakau und änderte dort ihren Namen ins Polnische zu Zofia Maria Dabrowska. Deshalb kann man kaum annehmen, dass Johann Heinrich in seiner Kindheit ein geordnetes Familienleben hatte. Johann Heinrich hat jedoch die Schule erfolgreich abgeschlossen, da er unmittelbar nach der Schulzeit 1770 direkt in die sächsische Armee aufgenommen wurde. Er trat dort 1771 der berühmten sächsischen Reitgarde, den Königlich Sächsischen Garde-Reitern bei. Mit diesen nahm Johann Heinrich erfolgreich an den Kämpfen im Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/ 79) teil, wo er sich bereits durch überlegenes Handeln und Tapferkeit auszeichnete. In dieser Zeit verstarb sein Vater. Johann Henrich fühlte sich in der Oberlausitz zwar wohl und betrachte sie als seine neue Heimat, aber er fühlte sich nach seines Vaters Tod doch sehr einsam. Deshalb streifte er als schmucker Gardereiter ruhelos durch die Ortschaften der zu Sachsen gehörenden Oberlausitz und besuchte die dortigen Gutshöfe und Schlösser. An einem warmen Sommertag 1780 kam er bei einem dieser Ausritte auch ins kleine Dorf Rackel – heute ein Ortsteil von Malschwitz – und begegnete im dortigen Rittergut der hübschen Gustava Henriette von Rackel.
Er verliebte sich auf der Stelle in das 23-jährige Gutsfräulein und diese Liebe wurde ebenfalls erwidert, weshalb Johann Heinrich keine Zeit verlor und Gustava Henriette noch 1780 heiratete. Nach ihrer Eheschließung zog die junge Familie nach Dresden, und Johann Heinrich trat als Standartjunker in das Chevauxlegers- (Kavallerie) Regiment Prinz Albrecht von Sachsen Teschen (heute zwischen Polen und Tschechien geteilt) ein.
Erfolge bei Aufständen
gegen Polens Teilung
Seine ausgezeichnete private militärische Ausbildung und seine Talente sprachen sich schnell herum. Deshalb wurde er bereits nach kurzer Zeit Rittmeister und Adjutant des Grafen Bellegarde. Doch schon 1788 wurde Johann Heinrich Dombrowski als Generaladjutant des sächsischen Kurfürst August III. berufen. Als aber die polnische Nationalversammlung 1792 in Warschau alle im Ausland befindlichen Landeskinder zur Rückkehr in die Heimat aufrief, folgte auch er dem Ruf nach Warschau. Johann Heinrich trat daraufhin als Oberstleutnant Jan Henryk Dabrowski den polnischen Streitkräften bei.Noch im selben Jahr nahm er unter dem polnischen König Stanislaus II. August Poniatwowski am polnisch-russischen Krieg teil. Durch seinen Ehrgeiz und seine Erfolge wurde er bereits 1793 zum Generalmajor befördert. Während des Aufstandes unter Tadeusz Kosciusko, der sich 1794 gegen die Teilung Polens unter Preußen und Russland richtete, organisierte Dabrowksi den Posener Aufstand. Der als Großpolnischer Aufstand in die Geschichte eingegangene Aufstand in Großpolen (um Posen) und Masowien (um Warschau) wurde aber von einer starken preußisch-russischen Allianz zerschlagen.
Unter Napoleon in Italien
Nach der Schlacht bei Maciejovice in Masowien und der Gefangennahme des Generals Tadeusz Kosciuszko zog sich Dabrowski unauffällig rasch nach Warschau zurück. Nachdem Warschau vom berühmten russischen General Aleksandr Vasil’eviè Suvorov erstürmt worden war, musste er sich bei Radoszyce ergeben. Vergebens bot ihm der russische General Suvorov höhere Dienste bei Zarin Katharina der Großen im Türkisch-Russischen Krieg an. Doch Jan Hennryk Dabrowski ging nach Berlin. Hier bot ihm nun der preußische König Friedrich Wilhelm von Preußen seine Dienste gleich als General in der preußischen Armee an. Doch auch dies lehnte Dabrowski ab und begab sich nach Paris.
Dort richtete er in einem berühmten Vortrag eine Botschaft an Friedrich Wilhelm von Preußen, indem er ausführte wie Polen durch Preußens Vermittlung wieder als gleichberechtigter Staat hergestellt werden könnte. Als in Paris der Plan zur Errichtung einer Legion aus exilierten Polen entstand, entsandte das Direktorium Jan Henryk Dabrowski zur Ausführung desselben zu Napoleon nach Italien, wo er mit seiner neuen Legion an den Kämpfen der französischen Heere teilnahm und am 3. Mai 1798 siegreich in Rom einzog. Durch die erstaunliche Disziplin seiner Truppen erwarb Dabrowski die Achtung der Römer in so hohem Grade, so dass ihm der römische Senat die türkische Standarte überreichen ließ, welche Jan III. Sobieski, der Retter Wiens, 1683 von den besiegten Türken erbeutet hatte und der Kirche Santa Maria di Loreto in Rom schenkte.
Die Geschichte um den deutsch-polnischen Oberlausitzer und großen Europäer Jan Henryk Dabrowki führt später nach harten Kämpfen in Osteuropa über die Völkerschlacht von Leipzig zurück nach Sachsen. Doch hier reicht der Platz nicht aus um alles zu schildern.
Der Autor dieser Zeilen bereitet derzeit die Veröffentlichung eines zweisprachig deutsch-polnisches Buches vor, in dem das bewegte Leben des Europäers Johann Heinrich Dombrowski/Jan Henryk Dabrowski und seine Gedanken zur Zukunft Polens und Preußens in einem friedlichen Europa dargestellt werden.