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Politikum Wolf: 
Isegrim wird Fall für den Landtag

Politikum Wolf: 
Isegrim wird Fall für den Landtag

Wölfe sind in der Lage, innerhalb kurzer Zeit lange Strecken zurückzulegen. Dabei tauchen sie durchaus auch in Gebiete anderer Populationen ein, wie das Beispiel Alan zeigt. Foto: Archiv/KK

Region. Mit einer möglichen Begrenzung der Wolfspopulation in Sachsen wird sich in absehbarer Zeit der Landtag befassen müssen. Am Mittwoch haben Vertreter einer Bürgerinitiative Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler höchstpersönlich ein entsprechendes Gesuch überreicht. Für dieses scharten sie seit dem vergangenen Sommer kräftig Unterstützer um sich. Am Ende plädierten 16.743 Menschen aus dem Freistaat dafür, dass sich Dresden dem Thema annimmt. Allein im Landkreis Bautzen machten sich den Angaben zufolge 12.777 Unterzeichner für die Petition stark. Damit sei das nötige Quorum erfüllt, sagte Georg Lebsa aus dem Neschwitzer Ortsteil Caßlau. Gemeinsam mit mehreren Mitstreitern hatte er die Aktion ins Leben gerufen, nachdem unter anderem das Rosenthaler Wolfsrudel verstärkt für Negativschlagzeilen sorgte. In dessen Einzugsgebiet befindet sich der Heimatort des Lausitzers. Die zahlreichen Übergriffe in der Vergangenheit auch auf Weidetiere, die vorschriftsmäßig durch einen stromführenden Litzenzaun mit Flatterband geschützt waren, sind ihm und den anderen ein Dorn im Auge. Mehrere Nutztierhalter seien aufgrund dieser Attacken bereits in Existenznot geraten. Die Statistik gibt ihnen recht, wenn auch nur teilweise: In einigen Fällen war Isegrim am Tod von Ziegen und Schafen nicht schuld. Insgesamt kamen einer offiziellen Statistik im Jahr 2016 im Freistaat fast 250 Nutztiere zu Schaden. Fast 50 Übergriffe ließen sich Wölfen zuordnen. Zum Vergleich: 2015 lag die Zahl der in Mitleidenschaft gezogenen Weidetiere bei 170. Damals gab es etwas mehr als 50 Wolfsangriffe.

Fachausschuss gefordert

Vor diesem Hintergrund plädieren inzwischen zahlreiche Landtagsabgeordnete aus verschiedenen Regionen Sachsens dafür, dass sich ein Fachausschuss mit dem Thema auseinandersetzt. Laut dem Zittauer Parlamentarier Dr. Stephan Meyer gibt es schon jetzt eine Initiative im Landtag, die den sächsischen Wolfsmanagementplan weiter anpassen will. Dazu sollen jedoch im Vorfeld wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen werden. Zu klären sei, „in welchem Zusammenhang die einzelnen Wolfspopulationen in Europa stehen und wann beziehungsweise ob nicht schon jetzt der ‚gute Erhaltungszustand’, wie er von den unterschiedlichen artenschutzrechtlichen Rechtsakten gefordert wird, erreicht ist und damit eine Herabstufung des Schutzstatus erfolgen kann“. Patricia Wissel, die einen Teil der Menschen im Landkreis Bautzen vertritt, bezeichnete die Sorgen der Nutztierhalter als nachvollziehbar und berechtigt. Schafhalter beispielsweise würden „gesellschaftlich anerkannte Leistungen im Naturschutz, der Landschaftspflege sowie im Hochwasserschutz in Form der Deichpflege“ erbringen. „Wir müssen daher den Schutzstatus der Wölfe aus Sicht der regionalen Populationsentwicklung anpassen. Das heißt, wir brauchen dringend rechtlich sichere Regelungen zur Entnahme von Wölfen in Sachsen“, bekräftigte die CDU-Politikerin auf der Internetseite, auf der die Bürgerinitiative „Wolfsgeschädigter und besorgter Bürger“ bis zum 14. Dezember Stimmen für die Petition sammelte. Thomas Baum von der SPD hingegen wehrt sich gegen ein generelles Jagen von Wölfen. „Ich verstehe die Bedenken der Einbringer der Petition durchaus“, schrieb er. „Eine Begrenzung der Wolfspopulation ist sinnvoll, sofern es um die Entnahme von Einzeltieren geht, die in bestimmten Regionen auffällig geworden sind.“ Kathrin Kagelmann von der Linkspartei betonte, dass auch die Entschädigungsregelungen auf den Prüfstand müssten, um abzuklären, ob Nachbesserungen vonnöten sind.

Wolf längst schon jagdbar?

Die AfD-Fraktion im Landtag ist der Ansicht, dass die in Deutschland lebenden Wölfe zur Population der mehr als 10.000 in Europa vorkommenden Raubtiere gehören. „Diese sind seit 2004 von der Weltnaturschutzunion IUCN als nicht mehr gefährdet und als weiter anwachsend eingeschätzt“, meint die Abgeordnete Silke Grimm. Allein die Tausenden bei Senckenberg und in Polen vorliegenden DNA-Proben würden den Beweis erbringen.

Das jedoch wird vom in Rietschen ansässigen Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ durchaus differenzierter betrachtet. Auf eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers heißt es wörtlich: „Für die günstige Referenzpopulation wird in der Regel eine Zahl von 1.000 erwachsenen, reproduktionsfähigen Tieren herangezogen. Dies bezieht sich auf eine Population, die nicht im ständigen demografischen Austausch mit anderen Wolfsvorkommen steht. Sinnvoll wäre dies auf Populationsniveau zu betrachten, das heißt für die mitteleuropäische Wolfspopulation, die die Wölfe in Deutschland und Westpolen umfasst.“ In Zahlen bedeutet dies: Bundesweit existierten im Monitoringjahr 2016/2017 nachweislich insgesamt 60 Rudel, 13 Paare und drei territoriale Einzeltiere. Das Wolfsvorkommen in Westpolen wird auf eine ähnliche Größenordnung geschätzt. „In einem Wolfsrudel leben nur zwei erwachsene, reproduktionsfähige Tiere. Dabei handelt es sich um das Elternpaar. Deshalb kann man bei den oben genannten Rudel- und Paaranzahlen noch nicht von 1.000 erwachsenen Tieren sprechen“, erklärte die Mitarbeiterin des Kontaktbüros Sophia Liehn. Allerdings, so schränkt sie ein, verhält sich dies anders, wenn die Wolfspopulation im genetischen, demografischen Austausch mit anderen Populationen steht. Indizien dafür gibt es durchaus. So war ein 2009 im Landkreis Görlitz mit einem Sender ausgestatteter Jährling bis weit nach Osteuropa abgewandert. Die Spur des auf Alan getauften Tieres verlor sich schließlich nach zwei Monaten rund 1.550 Kilometer entfernt in Weißrussland. „In dem Fall lässt sich die Vorgabe von 1.000 erwachsenen Tieren reduzieren. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Bestand von mehr als 250 erwachsenen Tieren ausreichen, um den Bestand als nicht gefährdet einzustufen.“

Staatsregierung stellt Forderungen an den Bund

Unterdessen bekräftigte die Staatsregierung die Beschlüsse der 89. Umweltministerkonferenz vom November 2017 zum Wolf und fordert deren Umsetzung. Dazu gehören eigenen Angaben zufolge eine jährliche Neubewertung des „günstigen Erhaltungszustandes“ der Tierart Wolf für Deutschland, die Entwicklung praxistauglicher Möglichkeiten zur Vergrämung von Wölfen, die Organisation eines gemeinsamen Monitorings der mitteleuropäischen Tieflandspopulation mit Polen, die Bereitstellung von Mitteln des Bundes für Maßnahmen der Schadensprävention, Verhandlungen mit der Europäischen Union zur Genehmigung einer hundertprozentigen Förderung von Präventionsmaßnahmen zum Schutz von Weidetieren sowie die Öffnung der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ (GAK), um Maßnahmen des Wolfsmanagements aus diesem Fonds finanzieren zu können. Darüber hinaus müsse sich die Bundesregierung bereits jetzt der Frage stellen, wie mit Wölfen in Deutschland umgegangen werden soll, wenn der „günstige Erhaltungszustand“ der Population erreicht ist, hieß es.
Als Beispiel wurde Schweden angeführt. Dort komme bei der Vergrämung und Entnahme von verhaltensauffälligen Wölfen eine zentrale Einheit zum Einsatz.
Unterdessen stellte Wolfram Günther, umwelt- und landwirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, klar: „Die Entnahme problematischer Einzelwölfe, so wie es der Managementplan für den Wolf in Sachsen vorsieht, stelle ich nicht infrage. Aber eine Begrenzung der Wolfspopulation allgemein löst die Sorgen der Menschen nicht, denn auch dann werden weiterhin Wölfe unterwegs sein. Ein Abschuss bringt Unruhe in den Territorien, die nicht mehr von den heimischen Wölfen verteidigt werden und durchziehende Artgenossen suchen leichte Beute. Nur durch eine gelungene Vergrämung kann man Wölfen dazu bringen, sich von Herdentieren fern zu halten. Diese Erfahrung geben diese dann an die Jungen weiter.“ Außerdem gab der Landespolitiker zu bedenken: „Der Schlagabtausch Pro und Kontra Wolf findet meist gefühlsgeladen statt. Die Sorge um die Herdentiere und das persönliche Sicherheitsgefühl des Menschen kann man nicht kleinreden. Dennoch liegen die Fakten auf der Hand: Die Angst ist an sich unbegründet, da der Mensch nicht zum Nahrungsbild des Wolfes gehört. Bei richtigem Verhalten geht keine Gefahr von Wölfen aus. Darüber hinaus hat die Rudeldichte in einem Gebiet eine artspezifische Obergrenze, die sich von allein einstellt. Das heißt, es werden nicht immer mehr Wölfe.“
Aktuell gehen Wissenschaftler davon aus, dass in Deutschland 33 Wolfsterritorien existieren. Bestätigt sind demnach 30 Rudel, in denen jeweils fünf bis zehn Tiere leben, zwei Paare ohne familiären Anhang sowie ein Einzeltier.

Roland Kaiser / 15.01.2018

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