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Dreamteam vom Mitteldorf trotzt dem Ladensterben

Dreamteam vom Mitteldorf trotzt dem Ladensterben

Sie halten die Nahversorgung im Cunewalder Mitteldorf am Laufen: Janine Nikol, Angela Schaaf und Marion Kutschke (v.l., rechts Bürgermeister Thomas Martolock.)

Die Nahversorgung auf dem Lande ist oftmals ein heikles Thema. Viele Geschäfte haben schon geschlossen, andere ringen um ihre Existenz. Wie es funktionieren kann, zeigt ein Beispiel aus Cunewalde.

Cunewalde. Zehn Jahre sind in der Regel kein Jubiläum, das man groß feiert. Man freut sich, köpft ein Flasche Sekt, und dann geht es zurück zur Tagesordnung. Dem Cunewalder Bürgermeister Thomas Martolock (CDU) dagegen war das zehnjährige Bestehen des Nahkaufs im Mitteldorf einen extra Pressetermin wert. „Wir möchten Ihnen eine kleine Erfolgsstory darlegen, wie es gelingen, kann mitten im Dorf und abseits der Bundesstraße die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Erzeugnissen zu versorgen“, hieß es in der Einladung. Die Protagonisten sind dabei ganz klassisch ein Einkaufsmarkt, eine Bäckerei und eine Fleischerei. Die Inhaberinnen berichten, worauf der Erfolg beruht, aber auch, was ihnen zu schaffen macht. Doch zunächst erläutert der Bürgermeister die Vorgeschichte:

Thomas Martolock, Bürgermeister:

„Ursprünglich gab es auf dem Areal unweit des Dreiseitenhofes einen Lidl- und einen Schleckermarkt. Zum Jahresende 2012 schloss der Lidl, da die Marktfläche nicht mehr den Vorgaben entsprach. Zur gleichen Zeit machte im Zuge der Schlecker-Pleite auch der Drogeriemarkt dicht. Eine Katastrophe, denn mit einem Schlag brach die gesamte Nahversorgung in unserem Mitteldorf zusammen. Die Bäckerei Nikol, die schon seit 1992 hier ansässig war, und die Fleischerei Kutschke, die 1994 an den Standort kam, trotzten der Misere und hielten hier die Stellung. Relativ schnell gelang es uns, Familie Schaaf aus Rodewitz hierher zu lotsen, die im April 2013 den Nahkauf eröffnete. Seitdem haben wir dank unserer einheimischen mittelständischen Unternehmen wieder ein attraktives Einkaufszentrum in unserer Ortsmitte – einen Leuchtturm, der von Großpostwitz bis Löbau ausstrahlt. Für uns als Gemeinde sind die drei Unternehmerfamilien hier ein Glücksfall und ein willkommener Anlass, um zum Miteinander im Dorf aufzurufen.“

Angela Schaaf, Nahkauf Schaaf:

„Wir betrieben unseren Nahkauf ursprünglich in Rodewitz, aber dort stimmten die Zahlen nicht. So hatten wir zunächst überlegt, eine zweite Verkaufsstelle zu eröffnen. Der Ruf aus Cunewalde kam daher für uns zum richtigen Zeitpunkt. Auch wenn wir unsere Ware von Rewe beziehen, sind wir ein ganz klassischer privater Einzelhandelsmarkt. Alles, was wir investieren, müssen wir zuvor erarbeiten; in diesem Jahr haben wir zum Beispiel in die Kühlanlage investiert. Die Preise steigen ständig, das Lohngefüge gerät aus den Fugen. Die großen Ketten marschieren dabei voran, wir ’Kleinen’ müssen nachziehen. Wir haben acht Beschäftigte, darunter zwei Lehrlinge, was ich als Glücksfall ansehe. Kaufmann im Einzelhandel ist ein sehr anspruchsvoller Beruf, was viele nicht sehen. Im Zuge von Corona haben wir unsere Schließzeit auf 19 Uhr angepasst, was wir so beibehalten. Leider hat das dörfliche Miteinander seitdem gelitten. Wir werden oft auf Sponsoring oder Spenden angesprochen und sind auch gern dazu bereit; allerdings freuen wir uns auch, wenn die Mitglieder der Vereine bei uns einkaufen. Es muss ein Geben und Nehmen sein. Das Fazit meiner Ausführungen soll aber keineswegs negativ sein; ich liebe meinen Beruf und mache ihn gern. Mein Laden ist für mich das, was für den Künstler die Bühne ist. Die Nachfolge ist durch unsere Tochter gesichert.“

Janine Nikol, Bäckerei Nikol:

„Wir sind eine Familienbäckerei in der fünften Generation. Ich mache, was ich mache, aus Liebe zum Produkt. Ich mag Dinge, die vor Ort hergestellt wurden, backe gern vor Ort und gestalte die Produkte selbst. Von der Vielfalt her können wir freilich nicht mit den Großbäckereien mithalten. Ökologie beginnt beim Sortiment. Wir wollen alles an den Mann bringen, nur so viel produzieren, wie gebraucht wird. Trotz des allgemeinen Personalmangels habe ich zwei junge Bäckerinnen gefunden, die für ein tolles Betriebsklima sorgen. Unsere Verkäuferinnen sind Institutionen und zum Teil schon seit 30 Jahren dabei. Natürlich haben wir auch Sorgen, zum Beispiel hinsichtlich der Energiepreise. Unsere Filiale im Oberdorf ist stark von der Straßenbaustelle betroffen, weshalb wir dort zurzeit nur bis 10 Uhr öffnen. Auch wir müssen die Preise anziehen. In Prora an der Ostsee, wo wir Urlaub gemacht haben, war es wesentlich teurer. Von uns dreien hier macht das keine wegen des Geldes, man muss mit Herzblut dabei sein. Von dem, was wir mit unseren Händen erarbeiten, wird uns viel zu viel weggenommen. Man muss auch klar sagen, dass nicht mehr immer alles verfügbar sein wird, auch wir haben Grenzen. Aber der Standort hier passt für mich, es ist gut, so wie es ist.“

Marion Kutschke, Fleischerei Kutschke

Zunächst: Ich bin Angestellte meines Mannes, der die Firma führt. 1992 haben wir mit nichts angefangen und uns hoch gearbeitet, 28 Jahre lang haben wir keinen Urlaub gemacht. Wir begannen zu zweit, heute haben wir 30 Mitarbeiter in zwei Filialen, nämlich hier in Cunewalde und in Bautzen. Dort haben wir 2014 die traditionsreiche Fleischerei Wetzko übernommen und führen sie unter diesem Namen weiter. Es ist für uns eine große Freude, dass unsere Tochter und unser Sohn das Geschäft übernehmen wollen. Sie führen den Bautzener Betrieb, während mein Mann und ich uns auf unser Stammgeschäft konzentrieren. Es ist eine sehr schöne Arbeit, ich mache sie gern, und sie wird von den Menschen im Dorf honoriert. Man wird überall freundlich gegrüßt, auch unsere Mitarbeiter, wenn sie mit dem Firmenwagen unterwegs sind. Wir sind seit 1994 hier drin, und als Lidl wegging, brach ein großer Teil unserer Kundschaft weg. Damals brauchten wir ein zweites Standbein, und so ergab sich das mit Wetzko.“

Uwe Menschner / 19.09.2023

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